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Solarmodule für ein sogenanntes Balkonkraftwerk hängen an einem Balkon. Die Installation wird vom Land Mecklenburg-Vorpommern mit bis zu 500 Euro je Anlage gefördert. Während die für Hausbesitzer reservierten Mittel ausgeschöpft sind, ist der Topf für Mieter noch gut gefüllt.

© dpa/Stefan Sauer

Balkonkraftwerken boomen: Wann lohnt sich die Anschaffung eines Geräts?

Die einstigen Nischenprodukte erfreuen sich mittlerweile großer Beliebtheit. Aber wann lohnt sich der Kauf eines Steckersolargeräts – und was gibt es zu beachten.

Von Stefan Parsch, dpa

Wer früher Stromgeld sparen wollte, erhielt in Ratgebern oft den Tipp, sich energieeffizientere Haushaltsgeräte anzuschaffen. Inzwischen wird als Empfehlung oft ein Balkonkraftwerk genannt. Mit einem solchen Steckersolargerät kann man nach Angaben der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin 10 bis 20 Prozent der jährlichen Stromkosten einsparen. Mit den Geräten können auch Mieter auf ihrem Balkon Solarstrom erzeugen.

Derzeit erleben die Minisolaranlagen einen Boom, weil ihr Einsatz immer einfacher wird - und weil seit Jahresbeginn die Mehrwertsteuer für sie weggefallen ist, sie also günstiger geworden sind. Ein geplantes Gesetz soll den Einsatz von Steckersolargeräten weiter erleichtern.

140.000 bis 190.000 Steckersolargeräte mit einer Leistung von insgesamt 59 bis 66 Megawatt wurden bis Ende 2021 in Deutschland verkauft, rechnete eine Forschergruppe um Barbara Praetorius von der HTW Berlin nach der Befragung von Anbietern solcher Geräte hoch. In seiner Fotovoltaik-Strategie vom Mai 2023 schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sogar von 250.000 Anlagen mit einer Gesamtleitung von etwa 100 Megawatt. Der Markt gilt als sehr dynamisch.

„Die Energiekrise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine ist sicherlich ein weiterer Grund für die gestiegene Nachfrage“, sagt Praetorius. Denn bei hohen Strompreisen amortisieren sich die Geräte in der Regel schon nach wenigen Jahren. Eine Nutzerumfrage von Praetorius und Kollegen, die 2022 veröffentlicht wurde, zeigt weitere Motivationen: das Gefühl, etwas unabhängiger von Stromversorgern zu sein, und das Umweltbewusstsein, verbunden mit dem Willen, sich an der Energiewende zu beteiligen.

Solaranlagen für den Balkon gibt es schon seit zehn Jahren

Neu ist die Technologie nicht: Kleine Solaranlagen für Balkon oder Terrasse gibt es schon seit mehr als zehn Jahren. Bis vor kurzem waren sie aber Nischenprodukte, die vor allem von technikbegeisterten Männern ab 45 Jahren angeschafft wurden. Diese Gruppe ist in der Nutzerumfrage des Teams um Praetorius immer noch mit über 90 Prozent vertreten. Zudem betrieb ein Drittel der Nutzer von Steckersolargeräten auch eine große Fotovoltaik-Anlage (PV-Anlage), etwa auf dem Hausdach.

„Es waren anfangs vor allem engagierte Bürger, die nicht selten auch Mitglieder einer Energiegenossenschaft waren“, sagt Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu). Er hat mit einem Kollegen bereits 2016 eine Untersuchung zu Balkonkraftwerken durchgeführt. Dabei beurteilten sie den energetischen und wirtschaftlichen Nutzen abhängig von Standort- und Einsatzbedingungen. Schon zu den damals deutlich niedrigeren Strompreisen machte die Kostenersparnis den Kaufpreis nach etwa zehn Jahren wett.

Stecker-Solaranlagen für den Balkon können die eigene Stromrechnung senken. Die Anschaffung wird in manchen Ländern, Landkreisen oder Kommunen bezuschusst.

© dpa/Sven Hoppe

Damals verhinderten verschiedene Hemmnisse den Durchbruch der Steckersolargeräte und die Etablierung eines Massenmarktes. Etwa die Frage des Anschlusses an das Stromnetz im Haus oder in der Wohnung. Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) und viele Experten bestanden darauf, dass aus Sicherheitsgründen ein dreipoliger Wielandstecker verwendet werden sollte. Ein solcher Stecker erhöhte nicht nur die Kosten für die Minisolaranlage, sondern musste auch von Elektrofachleuten installiert werden. Das verlängerte die Zeit, bis das Steckersolargerät seine Kosten eingespielt hatte.

Dabei ist die Gefahr bei der Nutzung eines üblichen Schutzkontaktsteckers zeitlich sehr begrenzt: „Gefährlich könnte es werden, wenn Sie bis 0,2 Sekunden nach dem Ziehen des Schukosteckers an die Kontakte fassen würden“, erklärt Klaus-Uwe Gollmer von der Hochschule Trier. Mittlerweile hat auch beim VDE ein Umdenken eingesetzt. In einer Mitteilung vom Januar 2023 bevorzugt er zwar weiterhin eine Installation der Minisolaranlagen durch das Fachhandwerk. Zugleich plädiert der Verband dafür, die Verwendung von Schutzkontaktsteckern bei der Einspeisung bis zu einer Systemgesamtleistungsgrenze von 800 Watt zu dulden.

Diese Leistungsgrenze für einen einfachen Anschluss solcher Geräte entspricht EU-Vorgaben und ist in vielen Nachbarländern wie etwa Österreich bereits umgesetzt. In Deutschland gilt derzeit noch eine Obergrenze von 600 Watt. Die soll demnächst auf 800 Watt angehoben werden, heißt es in der Fotovoltaik-Strategie des Wirtschaftsministeriums. Das wäre eine weitere Erleichterung, ebenso wie die geplante Vereinfachung der Anmeldung der Geräte. Noch müssen Steckersolargeräte bei der Bundesnetzagentur und beim jeweiligen Netzbetreiber angemeldet werden. Künftig soll eine Anmeldung bei der Bundesnetzagentur genügen.

Stromzähler können ein Hindernis sein

Ein weiteres Hemmnis sind die im Haus installierten Stromzähler. Zwar beschloss die Bundesregierung zu Jahresbeginn, dass intelligente Zähler, sogenannte Smart Meter, bis 2032 Pflicht werden sollen. Doch noch gibt es viele ältere Zähler - etwa Ferraris-Zähler, die bei Rückeinspeisung von Energie rückwärtslaufen können, was von den Netzbetreibern nicht gewünscht ist.

Doch selbst der VDE spricht sich dafür aus, Steckersolargeräte übergangsweise hinter jedem Zählertyp verwenden zu können, selbst wenn der Zähler rückwärts läuft, weil überschüssiger Solarstrom ohnehin ins allgemeine Netz fließt. Die Rückspeisung ins Stromnetz geschieht zwar auch bei neueren Zählern, aber diese bleiben einfach stehen.

Betreiber können überschüssigen Strom ihres Balkonkraftwerks nicht ohne weiteres in das Stromnetz einspeisen.

© IMAGO/Robert Poorten/IMAGO/Robert Poorten

Bei großen Solaranlagen ist die Einspeisung ins allgemeine Stromnetz üblicherweise vorgesehen, bei den Balkonkraftwerken jedoch nicht. Wenn der Betreiber einer Minisolaranlage den erzeugten Strom nicht sofort verbraucht, kommt er der Allgemeinheit zugute, ohne dass der Betreiber eine Vergütung erhält. Wer das nicht möchte, sollte das Anschalten von Stromverbrauchern in seiner Wohnung per Zeitschaltuhr steuern oder sich einen Stromspeicher anschaffen.

Käufer sollten sich beraten lassen

Der Kauf wird immer einfacher: Inzwischen bieten schon Discountmärkte Steckersolargeräte an, wie Bernd Rosenthal von der Verbraucherzentrale Niedersachsen berichtet. Er rät jedoch, sich beraten zu lassen oder genau auf die technischen Daten zu schauen, weil das Angebot qualitativ sehr unterschiedlich sei.

Rosenthal zufolge lohnt schon jetzt eine Anschaffung, auch wenn einige gesetzliche Änderungen erst auf den Weg gebracht werden. So gebe es Anbieter, deren Wechselrichter die Leistungsobergrenze von 600 Watt auf 800 Watt erhöhen könne, wenn sich die Gesetzeslage entsprechend ändert. Wechselrichter gehören zu Minisolaranlagen: Sie wandeln den vom Solarmodul erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom um und begrenzen die Leistung des Geräts. Zum Vergleich: Die Leistung eines Toasters liegt üblicherweise zwischen 800 und 1400 Watt.

Ein Vorteil von Steckersolaranlagen ist, dass sie nicht fest installiert werden müssen und man sie bei einem Umzug einfach mitnehmen kann. Rosenthal mahnt jedoch: „Die Solarmodule müssen Windlasten standhalten können.“ An einem Geländer angebracht, kann das Modul wie ein Segel wirken. Dementsprechend sollte es gut befestigt und bei Unwetterwarnung eventuell auch abgebaut werden. Rosenthal rät außerdem, das Balkonkraftwerk in die Gebäude- oder Privathaftpflichtversicherung aufzunehmen, falls es sich doch losreißen und Schaden anrichten sollte.

Durch solche Geräte bleibt die Energiewende nicht abstrakt, sondern die Bürgerinnen und Bürger können sich selbst beteiligen.

Barbara Praetorius, Forscherin der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

Werden die Solarmodule etwas schräg aufgestellt, ist die Stromausbeute höher. Als weitere Alternative nennt Gollmer von der Hochschule Trier den Solartisch, der einfach nur aufgestellt werden muss. Für Gollmer sind Steckersolargeräte deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie das Denken über die Energiewende verändern können. «Wenn der Energieertrag des eigenen Balkonkraftwerks zum Thema von Kneipengesprächen wird, dann sorgt das für mehr Akzeptanz der erneuerbaren Energien.»

Ähnlich sieht es Praetorius von der HTW Berlin: „Durch solche Geräte bleibt die Energiewende nicht abstrakt, sondern die Bürgerinnen und Bürger können sich selbst beteiligen.“ Diese psychologische Wirkung sei wichtiger als die reale Energiegewinnung aus den Anlagen.

Balkonkraftwerke leisten laut Experten einen wichtigen Beitrag

Bei einer in Deutschland installierten Leistung erneuerbarer Energien von fast 142 Gigawatt machen die 0,1 Gigawatt der Balkonkraftwerke nicht viel aus. Dennoch leisten sie vielen Experten zufolge einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Umsetzung der Umstellung auf treibhausgasfreie Stromerzeugung. Und außerdem: Würden zehn Prozent der deutschen Haushalte eine 800-Watt-Anlage betreiben, käme eine installierte Leistung von immerhin 3,2 Gigawatt zusammen.

Früher teilweise verbreitete Sicherheitsbedenken, Steckersolargeräte könnten alte Stromleitungen so aufheizen, dass ein Brand entsteht, sind mittlerweile ausgeräumt. Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie berichtet von wissenschaftlichen Untersuchungen, die zu dem Schluss führten: Steckersolargeräte bis 600 Watt könnten selbst bei 60 Jahre alter Elektroinstallation keine kritischen Zustände auslösen.

Steckersolargeräte können einen Wirkungsgrad von bis zu 20 Prozent erreichen. Das bedeutet, dass sie ein Fünftel der eingestrahlten Sonnenenergie in elektrischen Strom verwandeln. Die besten Siliziumsolarzellen auf dem Markt kommen auf einen Wirkungsgrad von etwa 24 Prozent. Im Labor wurden schon 26,8 Prozent gemessen, wie Forscher der King Abdullah University of Science and Technology in Mekka in der Fachzeitschrift „Science“ schrieben. Das theoretische Maximum bei Siliziumsolarzellen liegt bei 29,4 Prozent.

In „Science“ verkündeten kürzlich zwei Forschergruppen, Solarmodule mit einem Wirkungsgrad von mehr als 30 Prozent entwickelt zu haben. Möglich wurde dies durch das sogenannte Tandemverfahren: Dabei wird der Siliziumsolarzelle, die hauptsächlich rotes und infrarotes Licht nutzt, eine Perowskitsolarzelle, die auch grünes und blaues Licht verwerten kann, vorgeschaltet. Die Beiträge zeigen, dass die Stromgewinnung durch Solarmodule – auch von Steckersolargeräten – noch längst nicht ausgereizt ist.

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