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Illustration von einem Astronauten im Weltall. Wird es bald ein Basiscamp zum Mars geben?

© willyam - stock.adobe.com

Die Kinder der ISS : Wie ein wirklicher Aufbruch zu den Sternen gelingen soll

Die ISS war ein Meilenstein, doch für Mond- und Marsmissionen taugt sie nicht. Es braucht Zwischenstopps. Welche neuen Ideen den Weg zu fernen Planeten ermöglichen sollen.

Von Guido Meyer

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Als „Axiom“ definiert das Lexikon eine „gültige Wahrheit, die keines Beweises bedarf“ – zum Beispiel: Jede Zahl ist gleich sich selbst. Oder: Das Weltall ist für alle da.

Von diesem Besitzanspruch hat bislang aber kaum jemand Gebrauch gemacht. Bislang waren es fast ausschließlich staatliche Raumfahrtbehörden, die den Weltraum bemannt genutzt haben.

Wenn die ISS eines Tages zum Absturz gebracht wird, lösen wir vorher die Axiom-Module und betreiben sie als eigenständige Raumstation weiter.

Amir Blachman, Vizepräsident für strategische Planungen bei der Firma Axiom, die die erste kommerzielle Raumstation der Welt baut

Hier tritt nun Axiom auf den Plan: Die Firma plant, an der Internationalen Raumstation (ISS) gleich einige Module anzuhängen. Im Januar 2021 flog mit der Mission Ax-1 erstmals eine komplett privat zusammengewürfelte Mannschaft mit Astronauten aus den USA, Kanada und Israel zur ISS.

Aber für den dafür notwendigen Astronautentransport müssten sowohl die Crew „Dragon“ von SpaceX als auch der Starliner von Boeing permanent verfügbar sein – und die ISS selbst auch. Da oben ist nämlich schon ziemlich viel Verkehr. Und es gibt nur eine begrenzte Zahl von Andockstutzen.

Doch von mangelnder Infrastruktur lässt sich Axiom nicht abschrecken. Ist die ISS zu klein, wird eben angebaut. „Wir werden unser erstes Modul Ende 2026 an die ISS docken“, prophezeit Amir Blachman, der Vizepräsident für strategische Planungen bei Axiom. „Damit werden wir die Kapazitäten der Station mehr als verdoppeln!“

Axiom Module 1 wird über eigene Lebenserhaltungssysteme verfügen, über eine Fitnessstation und Platz für Experimente sowie Wohnraum für bis zu sieben Crewmitglieder bieten. Das Modul soll an die Längsachse der Station docken, im rechten Winkel zu Europas Raumlabor „Columbus“. Und weitere Module sollen folgen.

„Wenn die ISS eines Tages zum Absturz gebracht wird, lösen wir vorher die Axiom-Module und betreiben sie als eigenständige Raumstation weiter“, beteuert Blachman. „Vielleicht nehmen wir einige Teile der ISS mit – die Aussichtsplattform ‚Cupola‘ oder einen Roboterarm.“ Wegen anhaltender finanzieller Schwierigkeiten musste die Firma ihre Ambitionen jedoch zuletzt etwas zurückschrauben: Statt aus vier soll die eigenständige, von der ISS gelöste Axiom-Station nur noch aus zwei Modulen bestehen.

Zwischenstopp zum Mars

Parallell zur ISS, noch bevor diese außer Dienst gestellt und im Pazifik versenkt wird, plant die Nasa mit den meisten der aus dem ISS-Programm bewährten Partnern eine neue Station. Denn auf dem Weg zum Mars muss die Nasa einen Zwischenschritt einlegen.

Ein bemannter Flug zum Nachbarplaneten lässt sich nicht so umsetzen wie die Mondflüge der 60er und 70er Jahre: Eine einzige Rakete startet, setzt eine Landefähre auf dem Mond ab, deren Wiederaufstiegsstufe fliegt zurück zum Mutterschiff in der Mondumlaufbahn, und am Ende wassert eine Mannschaftskapsel an Fallschirmen irgendwo im Pazifik. Das geht bei mehrtägigen Missionen – aber nicht bei mehrjährigen.

Die ISS wird bald Geschichte sein. Doch mit neuen Modulen und ganzen Basiscamps soll die Vision der bemannten Raumfahrt weitergehen.

© IMAGO/Pond5 Images/IMAGO/xRemitskiIvanx

Zum Mars werden mehr als nur drei Astronauten fliegen, mindestens vier, womöglich sechs. Eine größere Crew braucht mehr Platz. Statt einer Kapsel wird ein ganzes Modul für die Mannschaft nötig sein. Hinzu kommen ein technisches Versorgungssegment, das den mehrjährigen Flug steuert und überwacht, ein eigenes Gefährt für die eigentliche Landung auf dem Mars und später den Start zurück sowie entsprechend Proviant.

Vom Basiscamp auf den Gipfel

„Wenn man sich vorstellt, man will den Mount Everest besteigen, dann macht man erst einmal ein Basiscamp, wo die ganzen Nahrungsmittel hingeliefert werden können“, vergleicht Markus Landgraf vom europäischen Weltraumforschungszentrum ESTEC im holländischen Noordwijk. „Und dann kann man die eigentliche Expedition anfangen, die dann auf den Gipfel geht.“ Das Gateway ist in diesem Fall das Basiscamp, um von dort aus weiter vorzudringen ins All.

Das waren auch die Überlegungen der US-Raumfahrtbehörde Nasa. „Bei dem Namen Gateway haben wir uns etwas gedacht“, rechtfertigte sich Kirk Shireman, der damalige Programmmanager für die Internationale Raumstation am Johnson Space Center. Denn als Nächstes sollen Menschen zum Mond oder zum Mars fliegen. „Also haben wir uns gesagt: Bauen wird doch einen Vorposten im All, von dem Astronauten zu verschiedenen Zielen aufbrechen können!“ Damit werde der tiefere Weltraum für die bemannte Raumfahrt erreichbar.

Sackgasse ISS

Das nämlich kann die ISS nicht leisten. Für einen Aufbruch zu Zielen jenseits der Erdumlaufbahn wie Mond oder Mars wäre sie keine Hilfe. Denn nach wie vor müsste sich ein von dort startendes Raumschiff erst einmal aus dem Schwerefeld der heimischen Erde lösen.

„Es ist wichtig zu wissen, dass wir nicht einfach die ISS verlegen wollen in den Mondorbit“, betont Markus Landgraf. „Denn das Gateway wird nicht überwiegend zu Forschungszwecken da sein, im Gegensatz zur ISS.“ Solche Forschungsarbeiten hätten Astronauten auf der Internationalen Raumstation zu Genüge angestellt. Nun sollen sich Astronauten auf eine Rückkehr zum Mond oder auf den Aufbruch zum Mars vorbereiten – und zwar an Bord einer Raumstation, die nur etwa ein Drittel so groß ist wie die ISS, die aber nicht um die Erde, sondern um den Mond kreist.

Denn im Prinzip dient diese Raumstation in der Mondumlaufbahn als Blaupause für ein Raumschiff, das in dieser (oder einer relativ ähnlicher) Konstellation auch zum Mars fliegen könnte. Ganz recht, es wird eher eine kleine Raumstation sein, die zum Mars fliegt, keine Kapsel. Im Vergleich zur ISS ist das Gateway auch nicht mehr als das: eben eine kleine Raumstation. Aber sie vereint in sich all das, was für eine Marsmission wichtig sein wird.

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