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Das Unternehmen Google Quantum AI betreibt den neuartigen Prozessor für einen Quantencomputer.

© Google Quantum AI

Berichtigter Quantencomputer: Neuartiger Chip korrigiert viele seiner Fehler

Quantencomputer versprechen sehr schnell rechnen zu können. Ihnen unterlaufen aber noch zu viele Fehler. Google meldet nun einen Entwicklungserfolg. Was steckt dahinter?

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Irren ist menschlich, heißt es, doch auch die modernsten Rechenmaschinen arbeiten nicht fehlerfrei. Quantencomputer sollen der Menschheit, oder zumindest denen, die über sie verfügen, ganz neue Möglichkeiten eröffnen: neuartige medizinische Wirkstoffe zu entdecken, effizientere Batterien herzustellen oder die Kernfusion voranzubringen. Doch bislang verrechneten sich die Quantenrechner zu häufig. Nun hat ein Entwicklungsteam die Fehlerrate jedoch erstmals unter einen bedeutenden Schwellenwert gedrückt.

In der Fachzeitschrift „Nature“ stellen das Team von Google Quantum AI und weitere Forschende nun „Willow“ vor. Hartmut Neven, leitender Autor und Gründer von Google Quantum AI schreibt in einem dazu veröffentlichten Blog-Beitrag: „Unser neuer Chip demonstriert Fehlerkorrektur und Leistung, die den Weg zu einem nützlichen, groß angelegten Quantencomputer ebnen.“

Großes Potenzial, viele kleine Fehler

„Willow“ habe eine standardisierte Berechnung, die Reihen von Zufallszahlen liefert, in weniger als fünf Minuten ausgeführt. Einer der schnellsten Supercomputer der Welt hätte dafür ungefähr zehn Quadrillionen Jahre benötigt, schreibt Neven.

Das ist eine sehr grobe Abschätzung, die aber zuverlässig auf eine sehr lange Zeit verweist. Entscheidend ist, dass „Willow“ Fehler bei den Rechnungen ausreichend gründlich korrigiert habe und so zum Ergebnis gelangen konnte.

Für das gesicherte Erreichen eines Quantenvorteils gegenüber klassischen Computern sind jedoch noch deutlich kleinere logische Fehlerraten notwendig.

Markus Müller, Professor für theoretische Quantentechnologie an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und am Peter-Grünberg-Institut, Forschungszentrum Jülich

„Für das gesicherte Erreichen eines Quantenvorteils gegenüber klassischen Computern sind jedoch noch deutlich kleinere logische Fehlerraten notwendig“, sagte Markus Müller vom Institut für Quanteninformation an der Technischen Hochschule Aachen dem Science Media Center.

Auch das Forschungsteam um Neven schreibt, dass der entwickelte Chip seine Korrekturfunktion demonstriert habe, aber erst eine Vervielfachung der Rechenkapazität praktische Anwendungen von Quantencomputern erlauben würde.

Quantentechnologe Müller spricht von einer weiteren Fehlerreduzierung um den „Faktor Tausend oder sogar eine Million“. Die Arbeit sei jedoch ein wichtiger Schritt und zeige, „dass und wie dieser Weg experimentell praktisch möglich ist“.

Mehr Platz für Logik

Die Rechenleistung von Quantencomputern beruht auf Qubits, die Quanteninformation speichern können wie Bits „1“ oder „0“-Informationen in klassischen Computern. Der neue Chip „Willow“ trägt 105 Qubits. Die Speicherung der Informationen und Berechnungen mit Qubits sind jedoch anfällig für Fehler.

„Quantenfehlerkorrektur ist für den verlässlichen Betrieb von momentan noch in der Entwicklung stehenden großen und rechenstarken Quantencomputern unverzichtbar“, sagt Müller. Hauptanforderung dabei ist, dass bei der Fehlerkorrektur weniger Fehler unterlaufen als bei den ursprünglichen Berechnungen. Das sei in der vorliegenden Arbeit zum ersten Mal experimentell gelungen.

Nevens Team hat Informationen jeweils auf mehrere Qubits verteilt, die in ebenen quadratischen Gittern auf dem Chip dann „logische Qubits“ bildeten. Deren Vorteil ist, dass Information erhalten wird, auch wenn ein einzelnes physikalisches Qubit Falsches liefert.

Die logischen Qubits formen Oberflächencodes, die erlauben Fehler auszulesen und zu korrigieren, ohne der eigentlichen Berechnung im Weg zu stehen oder noch mehr Fehler einzuführen. Die Forschenden ließen „Willow“ für bis zu eine Million Zyklen über mehrere Stunden rechnen, während das System Fehler in Echtzeit korrigierte und seine Rechenleistung beibehielt.

Hartmut Neven (links) von Google Quantum AI ’s and Anthony Megrant (rechts) untersuchen die Kühlung für ihre Quantencomputer-Chips.

© REUTERS/STEPHEN NELLIS

Je größer die quadratischen Qubit-Gitter angelegt waren, die sich zu logischen Qubits formierten, umso geringer war die verbleibende Fehlerquote. Bei fünf mal fünf Qubits war sie etwa halb so groß wie bei drei mal drei Qubits. Und bei sieben mal sieben Qubits war sie noch einmal um die Hälfte geringer.

„Diese exponentielle Unterdrückung logischer Fehler bildet die Grundlage für die Ausführung groß angelegter Quantenalgorithmen mit Fehlerkorrektur“, schlussfolgert das Forschungsteam. Nun könnten Architekturen mit mehr Qubits angelegt werden, die dabei weniger fehlerhafte Ergebnisse liefern.

Ziel ist es, komplexere Chips mit ausreichend vielen Qubits zu entwickeln, auf denen noch größere logische Qubits als Recheneinheiten verwendet oder bei Bedarf korrigiert werden können. Dies ganz im Sinne des oben angeführten Ausspruchs „Irren ist menschlich“. Er geht auf eine lateinische Redewendung zurück, die vollständig besagt: „Irren ist menschlich, aber auf Irrtümer zu bestehen ist teuflisch.“

Markus Müller erwartet, dass sich das Quantenrechnen mit logischen statt physikalischen Qubits in den nächsten Jahren schrittweise durchsetzt und, „dass das Erreichen eines praktischen Quantenvorteils näher rückt“.

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