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Keine oder kaum Kalorien, aber leider trotzdem nicht unbedenklich.

© mauritius images / Marcus Harrison - food / Alamy / Alamy Stock Photos

Bittersüße Studien: Noch ein bedenklicher Zuckerersatz. Was nun?

Die Nachricht, dass Erythritol möglicherweise Thrombosen verursacht, hat viele verunsichert. Muss jetzt jedes Produkt mit dem Stoff in den Müll?

Richard Friebe
Ein Kommentar von Richard Friebe

Stand:

Vor ein paar Tagen mussten wir mal wieder eine Nachricht der Kategorie „Dämpfer“ vermelden. Es ging um den Süßstoff Erythrit. Der, beziehungsweise dessen Wirkstoff Erythritol, könnte laut einer aktuellen Studie die Blutgerinnung beeinflussen und so Thrombosen, Herzinfarkte und Schlaganfälle begünstigen. „Könnte“, Hinweise auf“, „Weitere Studien nötig“, wie das bei solchen Meldungen so ist. Und Kritiker, die die ganze Methodik der Studie nicht so toll finden, haben sich auch schon gemeldet.

Muss alles raus?

Was man jetzt aber doch gerne wüsste: Kann man das Zeug nun noch benutzen, oder muss alles, wo es drin ist, raus aus dem Küchenschrank und in den Müll? Wobei die Frage, ob man es guten Gewissens überhaupt in die Biotonne geben kann, sich dann auch noch anschließt.

Erithritol wird seit über 30 Jahren verwendet. Würde es die Menschen reihenweise umbringen, wäre das schon früher aufgefallen. Panik ist also nicht angebracht. Erythritol ist gut verträglich, und anders als die meisten anderen Stoffe, die süß schmecken, aber kaum verwertbare Kalorien enthalten, stammt es sogar aus der Natur. Letzteres hat vor allem dem Marketing gut getan. Aber auch Tollkirschen, Coronaviren und Arsen kommen ja in der Natur vor.

Süßstoffe sind wohl oft keine Alternative, die ohne Folgen für den Körper bleibt.

© Jens Kalaene/dpa

Auf die Frage, ob man jetzt in aller Konsequenz Inventur in der Küche machen muss, antwortet etwa der Gesundheitsreporter des „Time Magazine“ mit Nein. Denn es sei ja nur eine einzige Studie, und weitere Forschung… nun ja. Dazu muss man sagen: Die weitere Forschung, die dann vielleicht, aber nur vielleicht, einmal klarere Ergebnisse bringen wird, sie wird noch Jahre dauern. Bis dahin ist das Mindesthaltbarkeitsdatum all der Sachen im Regal ohnehin längst abgelaufen.

Das süße Versprechen

Und: So ziemlich jeder Zuckerersatzstoff hat seine nachgewiesenen oder wahrscheinlichen Probleme, von ungünstigen Einflüssen auf den Stoffwechsel oder die Darmbakterien bis hin zu Mechanismen, die Tumorwachstum fördern könnten. Eine der wenigen Ausnahmen sind die Wirkstoffe der Stevia-Pflanze, die zumindest in realistischen Dosen als unbedenklich gelten. Auch sie kommen in der Natur vor. Und sie werden schon seit Jahrhunderten von Menschen verwendet – allerdings nicht nur zum Süßen, sondern auch zum nicht eben lebensfreundlichen Zweck der Empfängnisverhütung.

Süßen wie in Paraguay: Stevia-Pflanze.

© dpa

Wir lieben Süßes, weil es energiereichen Zucker verspricht, der fast über die gesamte Zeit der menschlichen Evolution knapp war. Zucker durch Substanzen zu „ersetzen“, mit denen sich die menschliche Physiologie über jene gesamte Evolutionszeit nicht auseinandersetzen musste, ist immer potentiell riskant. Das gilt leider auch für Stoffe, die in den ersten Studien nicht negativ auffallen. Und weil das Leben so komplex ist, dauert es vielleicht wie bei Erythrit Jahrzehnte, bis überhaupt nur der erste konkrete Hinweis gefunden wird.

Viel Zucker ist bekannterweise ungesund. Süßstoffe sind auch nicht ohne. Was soll man tun? Dass viel und intensive Bewegung Zucker verbrennt, sofern der Stoffwechsel nicht schon massiv Schaden genommen hat, ist eine Antwort. Sich und die eigenen Geschmackszellen schrittweise an weniger Süße zu gewöhnen, eine weitere. Und wer auf Süßstoffe nicht verzichten kann oder will, sollte sich – Risikostreuung sozusagen – nicht auf einen einzigen verlassen, aber vor allem jene verwenden, bei denen die sicheren oder vermuteten Nachteile nicht allzu frappant sind. Und dann eben warten, was die nächsten Studien sagen.

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