Kinderbuch: Das atheistische Ferkel
„Antisemitische Tendenzen“: Das Familienministerium will ein Kinderbuch auf den Index setzen lassen.
Wer in diesen Tagen einen Blick auf die Bestseller-Liste des Online-Buchhändlers amazon.de wirft, reibt sich die Augen. Auf Platz Nummer 1 findet sich ein kleines, unscheinbares Kinderbuch mit einem niedlichen Schweinchen und Igel auf dem Umschlag. Das Werk zählt nicht einmal 40 Seiten. Erst der Hinweis in einer Kundenrezension lässt erahnen, was dieses Büchlein binnen Stunden zum Verkaufsrenner gemacht hat: „Ja leider: Kaufen Sie, bevor es zu spät ist.“
Der Tipp ist durchaus wörtlich zu nehmen. Das Bundesfamilienministerium hat nämlich den Antrag gestellt, das Kinderbuch mit dem Titel „Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ auf den Index zu setzen. Das Buch sei „geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden“. Am 6. März soll die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien über den Antrag entscheiden. Sollte ihm stattgegeben werden, darf das Büchlein ab dann nicht mehr über Amazon verkauft und beworben werden und auch nicht mehr in Buchläden sichtbar ausliegen.
„Das wäre das erste Kinderbuch, das erst ab 18 Jahren und nur unter dem Ladentisch verkauft werden darf“, sagt Michael Schmidt-Salomon, Autor des provozierenden Büchleins. Dessen Story ist schnell erzählt: Das kleine Ferkel und der Igel leben vergnügt vor sich hin, bis sie eines Tages ein Plakat entdecken, auf dem steht „Wer Gott nicht kennt, dem fehlt etwas!“ Und so machen sich die beiden Helden auf den Weg, Gott zu suchen.
Dabei treffen sie auf einen Rabbi, einen Bischof und einen muslimischen Gelehrten, die alle drei ausgesprochen unsympathisch rüberkommen. Ziel des Buches ist es, die Religion als lächerlichen Schwindel zu entlarven. Als „Dawkins für Kinder“ bewirbt der herausgebende Alibri-Verlag das Werk. Der britische Biologe Richard Dawkins hat mit einem religionskritischen Buch (deutsch: „Der Gotteswahn“) einen Weltbestseller geschrieben.
„Es hat einige Leute wohl gestört, dass das Buch vor Weihnachten auf der Amazon-Bestsellerliste in der Kategorie religiöse Kinder- und Jugendbücher stand“, erklärt sich Schmidt-Salomon den Vorgang. „Schließlich stellt das Buch die von der Familienministerin verordnete christliche Werteerziehung infrage.“
Es ist aber nicht unbedingt der Frontalangriff auf das Christentum, der das Ministerium aktiviert hat. In dem Buch treffen das Ferkel und der Igel auf einen Rabbi, der, wie die „Süddeutsche Zeitung“ urteilt, an die „Karikaturen aus den dreißiger Jahren“ erinnere. Gerade der jüdische Gottesmann erklärt, wie bei der Sintflut massenhaft „Babys, Omas, Ferkel, Igel und Meerschweinchen“ grausam ertranken. Das Familienministerium sieht darin „antisemitische Tendenzen“ – ein Vorwurf, den Schmidt-Salomon als „ungeheuerlich“ bezeichnet, „zumal ich als humanistischer Philosoph durch säkulare Juden wie Karl Marx, Sigmund Freud, Heinrich Heine, Erich Fromm und Albert Einstein maßgeblich geprägt bin“, wie er sagt.
Der Alibri-Verlag bewertet die Aktion des Ministeriums als „Anschlag auf die Meinungsfreiheit“ und hat nun eine Internetseite (www.ferkelbuch.de) ins Leben gerufen, auf der sie Unterschriften sammelt. Ziel: Die Rettung des kleinen Ferkels vor der Zensur. Bas Kast