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Der ausgebrannte Lehrer: Wer sich Illusionen macht, gibt schneller auf

Erst hoch motiviert und darum später tief frustriert: So erklären viele Lehrer, warum sie im Klassenzimmer nicht einmal mehr Dienst nach Vorschrift schieben. Eine neue Langzeitstudie des Frankfurter Schulforschers Udo Rauin widerlegt nun aber die Annahme, gerade die Besten würden im Schulalltag ausbrennen.

Erst hoch motiviert und darum später tief frustriert: So erklären viele Lehrer, warum sie im Klassenzimmer nicht einmal mehr Dienst nach Vorschrift schieben. Eine neue Langzeitstudie des Frankfurter Schulforschers Udo Rauin widerlegt nun aber die Annahme, gerade die Besten würden im Schulalltag ausbrennen. „Die über besondere Belastungen Klagenden haben vermutlich nie ,gebrannt’“, interpretiert Rauin seine Ergebnisse. Vielmehr seien etwa 60 Prozent derer, die sich dem Beruf nicht gewachsen fühlten, schon im Studium überfordert und wenig engagiert gewesen.

Der Forscher hatte zwölf Jahre den Berufsweg von 1100 Studenten Pädagogischer Hochschulen in Baden-Württemberg verfolgt. Das Ergebnis: Längst nicht nur geborene Erzieher, sondern auch viele Pragmatiker oder auf ein bequemes Leben hoffende junge Leute drängten in den Beruf. Zu Studienbeginn erklärten 25 Prozent der Anfänger, sie wollten eigentlich nicht Lehrer werden. Ihre Studienwahl sei eine Notlösung. Nach sechs Semestern gaben sich 27 Prozent der Befragten schlechte Noten in beruflicher Motivation oder Fachwissen. Sie hielten dennoch an ihrem Berufsziel fest. Ein Lehramtsstudium lasse den Wechsel in andere Berufsfelder nicht zu, erklärt Rauin das Verhalten. „Fehlentscheidungen lassen sich nur mit großen finanziellen und zeitlichen Verlusten korrigieren.“

Drei Typen von Lehrern hat Rauin herausgearbeitet: Die Engagierten, die bewusst mit Kindern und Jugendlichen arbeiten wollen. Die Pragmatiker, die sich aus rationalen Gründen für das Lehrerstudium entschieden. Sowie der „riskante Typ“, der den Beruf mangels Alternativen gewählt habe und die eigenen Fähigkeiten skeptisch sehe. Im ersten Berufsjahr zählte Rauin 44,8 Prozent der Lehrer zum engagierten Typ, 37,6 Prozent zu den Pragmatikern, aber immerhin 17,6 Prozent zum riskanten Typ. Der Forscher zeigte sich überrascht, wie viele der weniger zielstrebigen und weniger geeigneten Studenten sich im Beruf etablierten.

Als Konsequenz aus den Ergebnissen rät Rauin, Studienanfänger besser zu beraten. Später sollten sich Schulen von Lehrern trennen können. „Das würde aber voraussetzen, den Beamtenstatus der Lehrkräfte aufzuheben und Studium und Beruf stärker zu entkoppeln“, sagt Rauin. Er klagt, viele junge Leute starteten aus Bequemlichkeit oder mit falschen Vorstellungen in Studium und Beruf. Eine Feststellung, zu der auch der Potsdamer Psychologe Uwe Schaarschmidt gekommen war, nachdem er über 20 000 Lehrer aus 14 Bundesländern befragt hatte. Es gebe unter den Lehramtsstudenten zu viele eher ängstliche Charaktere ohne großen Ehrgeiz. Jeder vierte Lehramtsstudent oder Referendar sei ein „resignativer Typ“, bilanzierte Schaarschmidt. Sie hingen der Illusion an, Lehrer sei ein leichter Beruf, obwohl dieser in Wahrheit belastender sei als die Arbeit von Polizisten oder Ärzten. Die Folge: Laut der Rauin-Studie ist nach vier Berufsjahren jeder zehnte Lehrer stark überfordert – und dabei überkommt der Frust vor allem jene, für die ein Leben als Lehrer stets nur Notlösung war.

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