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Geschäftig. Die Goethe-Universität in Frankfurt am Main profitiert am meisten von ihrem Status als Stiftungsuniversität.

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Stiftungsuniversitäten: Der Preis der Freiheit

Seit zehn Jahren gibt es in Deutschland Stiftungsuniversitäten. Die ersten wurden in Niedersachsen gegründet, danach sind noch viele hinzu gekommen. Doch die Rechnung geht bislang nicht auf.

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Als die kleine Revolution in Niedersachsen begann, waren die Erwartungen hoch. Der Landtag hatte den Weg frei gemacht für autonome Hochschulen. Auf einmal gab es Stiftungsuniversitäten – die ersten in Deutschland. Unabhängig vom Staat durften sie nun über ihr Budget verfügen und mit privaten Spenden eigene Schwerpunkte setzen. Das ist jetzt ziemlich genau zehn Jahre her. Seither folgten dem niedersächsischen Beispiel weitere deutsche Universitäten. Doch die Frage, ob dies eine Erfolgsgeschichte ist, bleibt umstritten.

Denn große private Beträge konnte bislang keine der Hochschulen einwerben. Die Universität Hildesheim ist in zehn Jahren insgesamt auf fünf Millionen Euro durch private Förderer gekommen. Im Vergleich zu ihrem jährlichen Etat von 50 Millionen Euro ist das nicht viel. Wie alle anderen Stiftungshochschulen ist Hildesheim also immer noch weitestgehend von den staatlichen Zuschüssen abhängig. Auch künftig werde es so bleiben, „dass die Grundfinanzierung vom Land gewährleistet wird“, sagt Uni-Präsident Wolfgang-Uwe Friedrich.

Trotzdem würde er den Schritt zur Stiftungsuni jederzeit wieder gehen, erklärte Friedrich am Freitag in Hildesheim bei einem Symposium anlässlich des zehnjährigen Stiftungsjubiläums. „Für uns war die Umwandlung ein Segen, weil wir als kleine Universität seither einen größeren Spielraum besitzen“, sagt Friedrich auf Anfrage. Spielraum, Eigenverantwortung, Freiheit. Es sind Worte wie diese, die meistens fallen, wenn der Erfolg des Modells in Deutschland erklärt wird. „Die deutsche Hochschullandschaft wurde von ihren Kritikern zur Jahrtausendwende als zementiert und verkrustet wahrgenommen“, sagt Thomas Oppermann, der vor zehn Jahren als Wissenschaftsminister Niedersachsens daran etwas ändern wollte und heute Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion ist. „Es war deshalb notwendig, neue Spielräume für Autonomie und Eigenverantwortung zu schaffen.“

Autonomie bedeutet für die Unis, dass die Rechtsaufsicht zwar immer noch beim Land bleibt, für Liegenschaften, Mitarbeiterrekrutierung und das Baumanagement aber die Hochschule zuständig ist. So sehen sich die Stiftungsunis im Wettbewerb um gute Professoren vorne, weil sie diese ohne Mitwirkung des Wissenschaftsministers unbürokratischer und damit schneller berufen können. Die meisten Länder, auch Berlin, wollen am Entscheidungsrecht der Minister oder Senatoren festhalten, weil ansonsten eine Kontrollinstanz etwa in Gleichstellungsfragen fehle.

„Mehr Selbstbewusstsein“ erkennt Frank Ziegele, der Geschäftsführer des marktnahen Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), bei den Stiftungsunis. Das CHE hat den Aufbau von Stiftungsuniversitäten durch Beratung und Studien begleitet. Viele Ziele seien erreicht worden, sagt Ziegele. „Der einzige Bereich, in dem die Erwartungen nicht zu hundert Prozent erfüllt wurden, sind die privaten Zuwendungen.“

Gemessen wird der Erfolg der Stiftungshochschulen gerne an den Universitäten in den USA. Dort profitieren die renommierten Eliteunis in erheblichem Maße von großzügigen Spendern. Die Kapitalerträge in Harvard etwa machten im Jahr 2012 ein Drittel ihres Gesamtetats aus. Stiftungshochschulen in Deutschland geben ungern über die konkreten Finanzierungsanteile Auskunft. So auch in Hildesheim. Die bisher erwirtschafteten fünf Millionen Euro kämen zum Großteil von Unternehmen, heißt es.

Der Standortvorteil Frankfurt am Main

Präsident Friedrich sieht ein grundsätzliches Problem bei der Werbung um Spenden: Die Finanzierung der Hochschulen werde von der Gesellschaft immer noch als staatliche Aufgabe wahrgenommen. „Das Spendenverhalten in der Bevölkerung ist durchaus ausgeprägt, aber es bezieht sich vor allem auf Hilfe bei Naturkatastrophen und Ähnlichem.“

In Harvard beschäftigen sich 400 Mitarbeiter nur damit, Werbung zu betreiben und Gelder einzutreiben. Die Fundraising-Abteilung in Hildesheim besteht aus zwei Mitarbeitern. Einer von ihnen ist Markus Langer, er versucht unter anderem ehemalige Studierende als Sponsoren ihrer Alma Mater zu gewinnen. „Doch auch da brauchen wir noch einen Kulturwandel“, sagt Langer.

Kritiker des Stiftungsmodells wie der Politikwissenschaftler Ferdinand Müller-Rommel von der Universität Lüneburg glauben nicht, dass das in den USA erfolgreiche Alumni-Modell in Deutschland eine Zukunft hat. Dabei hatte sich Müller-Rommel lange Zeit für die Hochschulreform eingesetzt. Sechs Jahre lang gehörte er dem Präsidium der Leuphana-Universität im niedersächsischen Lüneburg an. Heute sagt er: „Das Modell der Stiftungsuniversität war gut gedacht, aber über die Jahre hat sich gezeigt, dass es in Deutschland nichts taugt und zumindest an den kleinen Universitäten wieder abgeschafft werden sollte.“

Als vergleichsweise erfolgreich gilt die Goethe-Universität in Frankfurt am Main, aber auch sie wird noch lange Zeit nicht von ihrem Stiftungskapital leben können. 87 Prozent ihres Haushalts kommen immer noch aus öffentlichen Kassen. Die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) kommt bei Weitem nicht auf diese Zahlen. Für die Universität im strukturschwachen Brandenburg ist es besonders schwierig, größere Spenden von Unternehmen oder Privatleuten zu generieren Genaue Angaben will Viadrina-Präsident Gunter Pleuger auf Anfrage nicht machen.

Pleuger betont lieber die Vorteile, die sich aus der Abnabelung von den Landesministerien ergeben: „Unser Stiftungsrat ist nur der Viadrina verpflichtet, seine Zusammensetzung kann auf die Bedürfnisse der Uni zugeschnitten werden.“ Allerdings höre er auch „Signale, dass die Stiftungsuniversitäten den Wissenschaftspolitikern zu unabhängig werden“. Gefragt werde etwa, wie unabhängig Professuren sein können, die von Stiftungsgeldern finanziert werden.

Die Unis weisen solche Kritik zurück. Doch die Grenzen zwischen Staat und privater Wirtschaft sind nicht leicht auszumachen. „Die Stiftungsunis sind immer noch staatlich finanziert, aber die unternehmerischen Verluste fängt der Staat auf“, sagt Kritiker Müller-Rommel. „Dieses System könnte bewusst ausgenutzt werden von Personen in der Hochschulleitung, die aus der Wirtschaft kommen.“

Trotzdem spricht einiges dafür, dass das Modell Stiftungsuni nicht aussterben wird. Kürzlich hat der Senat der Universität Lübeck beschlossen, die Hochschule umzuwandeln. 2010 stand sie fast vor dem Ruin, weil das Land aus Spargründen mit der Medizin den wichtigsten Studiengang schließen wollte. Die chronisch unterfinanzierte Uni hofft nun, dass sie selbstständig mehr Geld eintreiben kann, wenn sie ab 2015 Stiftungsuni wird.

Doch selbst das CHE beginnt zu zweifeln. Geschäftsführer Frank Ziegele glaubt nicht mehr, dass sich das Modell flächendeckend durchsetzt. Schließlich gebe es für die Unis mittlerweile auch andere Wege, sich von den Ländern unabhängiger zu machen, etwa durch Globalhaushalte, die sie mit den Ländern aushandeln. Für den Hildesheimer Präsidenten Wolfgang-Uwe Friedrich steht jedoch fest: „Der Staat allein wird die Unterfinanzierung der Universitäten nicht lösen können. Ohne ein stärkeres Engagement Privater wird es künftig nicht gehen.“

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