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Blaues Licht... Dieser Gigantic Jet entlud sich im November.

© NASA

Der Giga-Blitz, der nicht einschlug: Ein „gestrandeter“ Astronaut fotografiert ein extrem seltenes Atmosphären-Phänomen

Knapp neun Millionen Blitze schlagen täglich auf der Erde ein. Aber Gewitterwolken können auch anders. Zum Beispiel mit sehr viel mehr Energie in Richtung Weltraum ausschlagen.

Stand:

In Zukunft wird es wohl nur noch Künstliche Intelligenz sein, die in Bildarchiven Entdeckungen macht. Die vielleicht letzten Menschen, denen solches noch mit menschlicher Intelligenz und vor allem menschlicher Geduld und Hingabe gelingt, sind derzeit aber noch sehr aktiv.

Zum Beispiel Frankie Lucena aus Puerto Rico. Er hat – angesichts seines Familiennamens, der „Licht“ oder „Erleuchtung“ bedeutet – ein vielleicht gar nicht so ausgefallenes Hobby: Er fotografiert ungewöhnliche Blitze oder sucht nach Fotos von solchen Lichterscheinungen. Einen sehr, sehr ungewöhnlichen Blitz hat er jetzt in einer Nasa-Datenbank entdeckt: einen sogenannten „Gigantic Jet“.

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Mal pro Sekunde entladen sich schätzungsweise weltweit Blitze.

Der hatte nicht nur wirklich außergewöhnliche, also gigantische, Ausmaße, sondern war auch einer der seltenen Blitze, die weder zwischen Wolken hin und her flickern, noch in die Erde einschlagen.

„Gigantic Jets“ schlagen nach oben aus. Beobachten kann man sie fast nur von „über den Wolken“, also zum Beispiel von der Internationalen Raumstation aus. Von dort stammt das Bild. Es zeigt eine riesige Säule bläulichen Lichtes, irgendwo über dem Golf von Mexiko.

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Wer jetzt korrigiert, dass der ja jetzt „Golf von Amerika“ heißt, dem oder der kann man antworten, dass er zu dem Zeitpunkt, als das Foto gemacht wurde, auf jeden Fall noch seinen alten Namen trug. Es stammt vom 19. November.

Und aufgenommen hat es offenbar Butch Wilmore. Der ist einer der beiden seit neun Monaten auf der ISS „gestrandeten“ Astronauten. Der Fund ist also auch ein schönes Beispiel dafür, wie man sich, egal wo, als ungeplant etwas länger bleibender Besucher nützlich machen kann.

Wie hoch dieser Blitz, ein Verwandter der sogenannten „Kobolde“ (engl.: Sprite), nach oben ausschlug, lässt sich laut der Website „Spaceweather.com“ nicht genau sagen. Gigantic Jets erreichen aber normalerweise die Ionosphäre, also den Bereich in über 80 Kilometern Höhe.

„Kobolde“ waren lange als Fantasiegebilde von Piloten verlacht. Seit den Sechzigerjahren berichteten immer wieder Flugzeugführer über solche Beobachtungen. Aber sie machten natürlich nie ein Foto von diesen Sekundenbruchteil kurzen Ereignissen. Erst nach 1989 gelangen erste Aufnahmen.

Anfang 2003 war es die Crew des Spaceshuttles Columbia, welche die bis dahin besten und verlässlichsten Bilder dieses Atmosphärenphänomens machte. Tage später kam die Crew beim Wiedereintritt in eben jene Atmosphäre ums Leben.

Aus allen Wolken: Vergrößerter Ausschnitt der Originalaufnahme.

© NASA

„Jets“, von denen es neben den „gigantischen“ noch mindestens zwei weitere Formen gibt, gelten als eigene, von den Kobolden getrennte Kategorie der sogenannten „Vorübergehenden Lichterscheinungen“ (Transient Luminous Events, TLE). Denn anders als Kobolde, die hoch über einer Gewitterwolke entstehen, bilden sich Jets, ähnlich wie „normale“ Blitze, im Innern solcher Gewitterwolken.

Wie sie zustande kommen, ist nicht endgültig erforscht. Offenbar gehen sie aufgrund kurzfristiger Umpolungen innerhalb der elektrisch geladenen Wolkenschichten nach oben und nicht nach unten.

Die höchsten Blitze der Erde

werden Gigantic Jets auch genannt, weil sie bis etwa 100 Kilometer über dem Meeresspiegel ausschlagen können.

„Gigantic Jets“ kommen jedenfalls deutlich seltener vor als die rot erscheinenden „Kobolde“. Ihre blaue Farbe beruht auf der Ionisierung von Stickstoffmolekülen der Atmosphäre, bei der blaue und ultraviolette Strahlung entsteht. Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurden sie 2003 nach Aufnahmen in Taiwan im Fachmagazin Nature. Bis heute existieren nur wenige verlässliche Fotos.

Der bisher stärkste „Gigantic Jet“, für den eine Abschätzung seiner Energiemenge möglich ist, schlug 2018 über dem US-Bundesstaat Oklahoma aus und war mehr als 60 Mal so stark wie ein mittlerer normaler Wolken-Erde-Blitz. Er gilt zudem als der ungewöhnlichste je beobachtete seiner Art, denn anders als alle anderen bisher dokumentierten Giga-Jets trat er außerhalb der Tropen und auch statt in einem Zyklon in einem normalen Gewitter auf.

Vielleicht werden mithilfe von Künstlicher Intelligenz, die Datenbanken und Über-den Wolken-Videos durchforstet, bald mehr gigantische Jets gefunden. Das kann dann auch dazu beitragen, sie und ihre Kobold-Cousins besser zu erforschen. Was es dann aber wohl nicht mehr geben wird, sind pochende Entdeckerherzen wie das von Frankie Lucena.

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