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Reste des Tempels von Ain Dara, nahe Afrin. Ursache der Zerstörung hier waren Angriffe der türkischen Luftwaffe. Bild von 2018.

© AFP / DELIL SOULEIMAN

Die Hethiter: Antikes Großreich im Klimakollaps

Der Untergang der Hethiter vor 3200 Jahren ist rätselhaft. Nun zeigt eine Studie, was eine entscheidende Ursache gewesen sein könnte. Eine Lehre für die Gegenwart?

Von Walter Willems

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Interner Streit, Kriege, Missernten: Seit Jahren rätseln Historiker über die Ursache für den Untergang des Hethiter-Großreichs vor etwa 3200 Jahren. Nun zeigt eine Studie: Der Kollaps des Reichs, das einen Großteil der heutigen Türkei, Syriens und der Levante umfasste, fiel mit einer Trockenphase und einer dreijährigen Extremdürre zusammen.

Epochenwende

Diese Klimaveränderung sei zwar nicht der alleinige Grund für den Zusammenbruch des Reichs gewesen, aber wohl ein Schlüsselfaktor, schreibt das Team um Sturt Manning von der Cornell University in Ithaca (US-Bundesstaat New York) im Fachblatt «Nature». Damals – im frühen 12. Jahrhundert vor Christus – endete nicht nur die Zeit der Hethiter, sondern in Vorderasien mit der Bronzezeit eine ganze Epoche.

Fast ein halbes Jahrtausend lang – von etwa 1650 bis um 1200 vor Christus – waren die Hethiter eine der dominanten Großmächte im östlichen Mittelmeerraum und in Vorderasien, zusammen mit dem griechischen Mykene und dem Ägyptischen sowie dem Assyrischen Reich. Der Untergang der Hethiter ist auch deshalb rätselhaft, weil die Hauptstadt Hattusa – knapp 200 Kilometer östlich vom heutigen Ankara gelegen – zunächst lediglich verlassen wurde und wohl erst später niedergebrannt. Zwar ist die genaue Zeit des Untergangs unbekannt, aber in einem altägyptischen Text von etwa 1180 v. Chr. wird das Hethiter-Reich bereits als zerstört beschrieben.

Wasser als kritische Ressource

Über Jahrhunderte sei Hattusa das politische und religiöse Zentrum der Hethiter gewesen, schreibt das Team, «die Gründe für das Verlassen bleiben unklar». Abgesehen von Berichten zur Getreideknappheit gebe es kaum Hinweise auf eine Krise im 13. vorchristlichen Jahrhundert, heißt es.

Die Sphinx von Hattusa (Hattuscha) aus dem 14./13. Jh. v. Chr.

© bpk / Vorderasiatisches Museum

Allerdings habe sich die Hauptstadt im Laufe der Zeit zur Versorgung der Menschen zunehmend auf eine spezialisierte Viehhaltung und den Anbau von Getreide in der näheren und ferneren Umgebung gestützt - und dafür viel Land gerodet. «Zusammen haben diese miteinander verbundenen Strategien zwar möglicherweise die Produktion gesteigert, aber auch das Risiko verstärkt» - vor allem die Abhängigkeit von Wasser.

Um klimatische Einflüsse zu prüfen, analysierte das Team Jahresringe von Wacholderbäumen aus Zentralanatolien. Die Baumringe umfassen einen Zeitraum von gut 1000 Jahren – von 1775 bis 748 v. Chr. Insgesamt 18 Bäume bildeten die Zeit um das Jahr 1200 v. Chr ab. Gerade zwischen 1500 und 800 v.Chr. habe es regelmäßig trockene Jahre gegeben – erkennbar an besonders dünnen Baumringen. Und im Zeitraum von 1270 bis 1135 v. Chr. gab es eine auffällige dreijährige Dürrephase: den Autoren zufolge on 1198 bis 1196 v. Chr.

Dreijährige Dürre als Höhepunkt

Hinweise auf andere Gründe für das reduzierte Baumwachstum wie etwa Feuer, Insektenbefall oder hohes Alter fanden die Forscher nicht. «Dieses extrem trockene Intervall sticht als wahrscheinlich substanzielle klimatische Herausforderung für die Lebensmittelproduktion in Zentralanatolien hervor, die die normalen Strategien und die Vorratslagerung im Zentrum der Hethiter überforderte», schreibt die Gruppe.

Die dreijährige Dürre hat die existierenden Anpassungsstrategien vor eine ernste Herausforderung gestellt.

Zitat aus der Originalveröffentlichung

Das Zurückführen historischer Entwicklungen auf klimatische Bedingungen werde oft als zu simpler Ansatz kritisiert, räumt das Team ein. Zudem gebe es keinen Beweis für eine kausale Beziehung zwischen der Trockenheit und dem folgenden Zusammenbruch des Reiches. «Klima schafft oder verursacht Geschichte nicht alleine», aber es beeinflusse menschliche Entscheidungen.

Die dreijährige Dürre als Höhepunkt einer ohnehin niederschlagsarmen Zeit habe «die existierenden Anpassungsstrategien vor eine ernste Herausforderung gestellt». Missernten und ausbleibende Nahrungsmittel könnten bereits vorhandene politische, wirtschaftliche und soziale Bruchlinien im System der Hethiter verstärkt haben: «Somit trug diese Dürre zum Kollaps des Reiches bei, auch wenn sie ihn nicht alleine verursacht hat», betont das Team.

Ausgedehnte politische und wirtschaftliche Systeme sind im Falle extremer Klimaereignisse besonders anfällig.

Müge Durusu-Tanrıöver, Kulturhistorikerin von der Temple University, Philadelphia

In einem «Nature»-Kommentar schreibt Müge Durusu-Tanrıöver von der Temple University in Philadelphia, am Ende des 12. Jahrhunderts vor Christus sei nicht nur das Hethiter-Reich untergegangen, sondern auch das von Mykene, zudem seien das Assyrische und auch das Ägyptische Reich auf ihre Kernzonen zusammengeschrumpft. Damals endete demnach in Westasien die Bronzezeit, und die Eisenzeit begann.

Die Studie leiste einen entscheidenden Beitrag dazu, die klimatischen Bedingungen jener Zeit zu klären - gerade mit der präzisen Datierung. «Die von den Autoren identifizierte dreijährige Dürre könnte einer der Hauptgründe, wenn nicht sogar der wichtigste, gewesen sein, der zur Auflösung der politischen Herrschaft der Hethiter führte», schreibt die Archäologin.

Wichtig sei nun, was man heute aus den damaligen Ereignissen lernen könne, betont Durusu-Tanrıöver: «Der Fall der Hethiter macht einen Punkt glasklar: Ausgedehnte politische und wirtschaftliche Systeme sind im Falle extremer Klimaereignisse besonders anfällig.»

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