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In China war Heinrich Schliemann vor allem der Schmutz auf den Straßen und der Verfall der Monumente aufgefallen. Hier eine Straßenszene aus Peking.

© SMB, Kupferstichkabinett, Foto: Dietmar Katz

200 Jahre Heinrich Schliemann: Die Neugier trieb ihn um die Welt

Heinrich Schliemann reiste 1864 nach China und Japan und erwies sich in seinem ersten Reisebericht als präziser Beobachter der fremden Kulturen.

Etwas tun, was andere noch nicht getan haben, etwas wagen, das war ganz nach Heinrich Schliemanns Geschmack. So hatte sich der erfolgreiche und wohlhabende Kaufmann 1864 auf den Weg gemacht, um 20 Monate lang einmal um die Welt zu reisen. Ergebnis: fünf dicke Tagebücher in acht Sprachen. Während seiner 50tägigen Schiffspassage von Japan nach den Vereinigten Staaten verfasste er in seiner winzigen Kabine sein Debüt „Reise durch China und Japan im Jahre 1865“.

Erst 1861/62 hatte die sogenannte Eulenburg-Mission einen Freundschaftsvertrag zwischen Preußen und Japan ausgehandelt – dennoch waren westliche Ausländer hier nach wie vor eine Rarität. Die schwärmerische China-Mode des 18. Jahrhunderts war bereits verblasst, zu rückständig schien Europäern diese Weltgegend. Da gerade erst die Opiumkriege der Westmächte die Öffnung Chinas erzwungen hatten, war das Reisen nicht ungefährlich. Auch Japan war trotz der Kanonenbootpolitik der Amerikaner für westliche Besucher noch weitgehend verschlossen. So sah Schliemann mit einem Reisebericht über China und Japan eine Chance für sich, eine Marktlücke zu füllen. Umso größer die Enttäuschung, als dieses auf eigene Kosten in Paris 1867 auf Französisch erschienene Buch ein Flopp wurde.

Dennoch ist sein Bericht nicht uninteressant im Hinblick auf den späteren Do-it-yourself-Archäologen Schliemann, der davon besessen war, das Objekt seiner Forschungen möglichst genau zu beschreiben und in allen Details festzuhalten. In China reizte Schliemann vor allem die „Große Mauer“, ein Kindheitstraum. Schliemann beobachtete genau, oft auch überheblich und ätzend – ein Kind seiner Zeit. Vor allem der Schmutz fiel ihm auf. In Tientsin „werden alle Sinne des Reisenden“ beleidigt, schrieb er. Er staunte aber über die Größe der Städte, den intensiven Gartenbau und die Landwirtschaft, um die damals 400 Millionen Menschen zu ernähren. Er wunderte sich über die Verherrlichung der gewaltsam verkleinerten Füße der Frauen und die Spielleidenschaft der Chinesen.

Kritik an Europäern, die Piratendschunken befehligen

Angesichts verfallener Paläste in der Hauptstadt kritisiert er die derzeitige Generation als „degeneriert und heruntergekommen“. Im Norden an der Chinesischen Mauer, deren Steine er exakt vermaß, registrierte er, dass hier die Menschen glücklicher waren. Es gab keine Bettler, sie waren freundlich zu ihm. Schliemann führt das auf die Abwesenheit von Opiumkonsum zurück, mit dem die Briten den Süden des Landes überschwemmt und zerstört hatten. In Schanghai notierte er: „Ich bedauere sagen zu müssen, dass die am meisten gefürchteten Piratendschunken von Europäern befehligt werden.“

„Jede japanische Wohnung ist ein Muster an Reinlichkeit“, bemerkte er schnell in Yokohama. Umso mehr staunte er, dass Prostitution im großen Stil kein Problem darstellte. Schliemann wurde Zeuge des Besuchs des Shoguns in der Stadt, den zu sehen Fremden eigentlich verboten war. Edo, dem heutigen Tokio, stattete er einen Besuch ab und registrierte, dass die Oberschicht der Öffnung des Landes im Gegensatz zum Shogun kritisch gegenüberstand. Es ist erstaunlich, dass Schliemanns detaillierter, von Neugier getriebener Bericht damals kaum Interesse fand. Er war schon damals seiner Zeit voraus.

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