
© Patrick Pleul/dpa
Mit Sex und Appetit: Die schleimige Übernahme in Deutschlands Gärten
Die Spanische Wegschnecke breitet sich immer weiter aus. Ihre Kernkompetenzen: Fressen und Fortpflanzung. Darunter leiden nicht nur Hobbygärtner.
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Nach langer Trockenheit war es in den vergangen Tagen – und vor allem Nächten – wieder soweit: Der Regen lockte die Nacktschnecken aus ihren feuchtkühlen Unterschlupfen hervor. In Gärten machen sie sich, wenn ihnen die Wetterverhältnisse derart passen, dann sofort über mühsam Herangezogenes her. Erdbeeren, Sonnenblumen, Salat und Leibspeise Tagetes – die schleimigen Tiere fressen im Akkord.
Ob Bauernhof oder Hinterhof
Oft dabei ist die Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris), eine invasive Art. Anders als der Name suggeriert, ist nicht sicher, woher sie ursprünglich stammt. Südwestfrankreich nahe der Pyrenäen gilt als wahrscheinlich. „Sie kommt mittlerweile überall in Deutschland vor, zumindest in der Nähe des Menschen, also Gärten und Hinterhöfen“, sagt Heike Reise vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz.
Die Biologin erforscht die Tiere seit Jahren und ist sicher: „Wir werden sie nicht mehr los und müssen uns mit ihr arrangieren.“
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Dass Arion vulgaris so erfolgreich ist, habe mehrere Gründe. Lebensraum und Futterangebot sind günstig. Fressfeinde wie Vögel, Igel oder der Tigerschnegel (Limax maximus) – eine gestreifte Nacktschnecke – können sie nicht nachhaltig dezimieren. Und Arion vulgaris vermehrt sich sehr effektiv.
Friss und paare dich
Sie paart sich auch mit schon lange hier vorkommenden Wegschnecken. Das bringt Hybride hervor. Diese sehen dann aus und werden von den einheimischen Spezies wahrgenommen wie Artgenossen. Das verringert die Chance, dass ein heimisches Tier bei der Paarung auf eine echte Artgenossin trifft. Die Nachkommenzahl sinkt, während die Spanische immer mehr hervorbringt.
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Das hat nicht nur Fraßschäden zur Folge. In einzelnen Regionen bedroht sie die äußerlich ähnliche einheimische Rote Wegschnecke (Arion rufus) bereits massiv. „Der Verdacht bestand schon länger“, sagt Reise. „Für Görlitz und Umgebung haben wir das in einer Untersuchung klar belegen können.“ Binnen 20 Jahren hätten die Tiere im Stadtgebiet die ursprünglichen Vertreter verdrängt.
Tiere verdrängen, Pflanzenarten bedrohen
Auch die Flora kommt nicht unbeschadet davon. In der Nähe von Görlitz wurde 2013 bis 2015 an verschiedenen Standorten versucht, zehn gefährdete Pflanzenarten wieder anzusiedeln. Die meisten Spezies, beispielsweise Echte Arnika, schafften es nicht. Sie wurden laut der „Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz“ von der Spanischen Wegschnecke gefressen. Ähnliche Untersuchungen gibt es aus Schweden, wo sie einzelne Waldpflanzenarten massiv dezimierten.
„Vor allem junge Pflanzen sind gefährdet“, sagt Reise. Im Garten, rät sie, sollte man Setzlinge entweder dort auspflanzen, wo es kaum Schnecken gibt, oder in den ersten Nächten einen Eimer überstülpen. Größere Pflanzen seien widerstandsfähiger. Nimmt es überhand mit den Schnecken, helfe nur Absammeln – und sie mit sprudelnd kochendem Wasser zu übergießen.
„Dann ist es schnell vorbei“, sagt Reise. Die Tiere in größerer Entfernung wieder freizulassen oder gar in den Wald zu werfen, sein keine gute Idee. „Gerade bei invasiven Arten wie der Spanischen Wegschnecke wird so die Ausbreitung befördert, was die heimische Tier- und Pflanzenwelt schädigt.“
Mit Chemie, Bio - und kochendem Wasser
Kleingärtner verwenden auch Schneckenkorn. „Grundsätzlich sind zwei Wirkstoffe zugelassen, die auch in der gewerblichen Landwirtschaft verwendet werden“, sagt Bianka Zimmer vom Pflanzenschutzdienst im Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung in Frankfurt (Oder). Eisen-III-Phosphat führt zu Veränderungen an Kropf und Mitteldarm und bewirkt einen Fraßstopp. Metaldehyd schädigt die schleimbildenden Zellen. Die Schnecke vertrocknet.
Zusätzlich gibt es biologische Präparate, die Würmer der Gattung Phasmarhabditis hermaphrodita enthalten. „Sie dringen in die Atemöffnung der Schnecken ein und sondern ein Bakterium ab, das die Tiere schließlich tötet.“
Eine prophylaktische Anwendung dieser Präparate sei nicht sinnvoll, sagt Zimmer. „Es muss schon eine gewisse Schadschwelle überschritten sein, bevor die Mittel eingesetzt werden.“ Schließlich koste es auch Zeit und Arbeitskraft, in manchen Fällen ist auch nur eine bestimmte Anzahl an Behandlungen pro Jahr erlaubt. Eisen-III-Phosphat ist grundsätzlich auch im Öko-Landbau zugelassen, wobei die Anbauverbände teils abweichende Regeln haben. Bei „Naturland“ beispielsweise ist das Mittel erlaubt, wie Sprecher Markus Fadl sagt.
Ein Haus für den Tigerschnegel
Professionelle Gärtner hätten es grundsätzlich leichter als Kleingärtner. Die Schnecken wanderten von außen ein und kämen selten bis in die Mitte einer größeren Anbaufläche. Fadl rät zu vorbeugenden Maßnahmen. „Man kann einen 1,5 Meter breiten Streifen um das Beet abfräsen oder wenigstens den Rasen extrem kurz halten – das mögen Schnecken nicht.“
Nützlinge zu fördern – etwa Steinhaufen anzulegen, die der Tigerschnegel gerne annimmt –, sei eine weitere Möglichkeit. „Manche setzen auch Enten ein, die die Nacktschnecken fressen.“ Am besten sei es, so Fadl, auf „eine friedliche Koexistenz“ hinzuarbeiten.
Klimawandel und Schneckenwandel
Bei allem Ärger mit ihnen aber seien die Tiere auch schlicht faszinierend, sagt Malakologin Reise und erzählt enthusiastisch: „Nacktschnecken sind in der Evolution mehrfach entstanden.“ Denn wer ein Haus baut, braucht Kalk und Energie. „Ohne ist man leichter, schneller, gelangt auch durch schmale Ritzen.“ Man solle sich die Begeisterung nicht von den Spanischen Wegschnecken kaputtmachen lassen. „Viele Arten tun keinem was.“
Und wie in anderen Bereichen gebe es auch bei Schnecken derzeit viel Veränderung. Durch den Klimawandel wandern neue Arten ein. Die Kantige Laubschnecke (Hygromia cinctella) oder die Gefleckte Weinbergschnecke (Cornu aspersum) etwa haben inzwischen große Teile Mittel- und Westeuropas erreicht. Die Zusammensetzung der Schneckenarten in unseren Gärten werde „sich auf jeden Fall weiter verändern.“
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