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Doppelt giftig für Berlin: Zigarettenkippen fördern Algenblüten
Das Gift aus Zigarettenkippen belastet Kanäle und Teiche nicht nur direkt, sondern leistet auch einem weiteren, berüchtigten Organismus Vorschub.
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Wie Kirschkernspucken für Erwachsene: Filter von Zigaretten lassen sich wunderbar in hohem Bogen in die Gegend schnippen. Vielleicht gehören die Stummel deshalb zu den häufigsten Sorten Abfall, etwa drei Viertel der öffentlich gerauchten Zigaretten landen auf dem Boden. Einmal in der Umwelt, werden aus ihnen Schadstoffe ausgewaschen – allen voran das gut wasserlösliche Nikotin, aber auch Schwermetalle.
Wie das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) meldet, hat die Giftmischung auf Wasserorganismen einen unerwarteten Nebeneffekt. Im Fachblatt „Ecotoxicology and Environmental Safety“ schildern Forschende des Instituts, dass das Kippengift auch bestimmte Einzeller hemmt, die ihrerseits schädliche Blaualgen befallen.
Bei diesen Parasiten handelt es sich um kleine Pilze, die sich frei durch das Wasser bewegen und dort das Phytoplankton infizieren. Auf diese Weise dämmen sie Algenblüten ein, für die häufig Blaualgen verantwortlich sind. Da Blaualgen wiederum selbst potente Giftstoffe produzieren, lassen die Behörden im Sommer regelmäßig Badeseen sperren. Auch für die Trinkwasserproduktion sind sie problematisch.

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Für ihr Experiment ließ das Team Freiwillige selbst gerollte Zigaretten rauchen. Die Stummel legten sie anschließend in Wasser ein und behandelten dann Kulturen von fädigen Blaualgen und Chytridpilzen mit verschiedenen Verdünnungen der Giftsuppe. Die nützlichen Parasiten wurden schon bei der geringsten Konzentration effektiv gehemmt. „Diese Hemmung wiederum fördert indirekt das Wachstum der Cyanobakterien“, heißt es von der Studienleiterin Erika Martinez-Ruiz.
Nikotin in Berliner Gewässern
Auch wenn es sich lediglich um einen Versuch im Labor mit vergleichsweise hohen Konzentration an Zigarettengift handelt, ist die Nikotinbelastung in Berliner Gewässern ist nicht zu vernachlässigen.
Das IGB hatte im Sommer 2019 die Nikotinkonzentration in Berliner Seen, Teichen und Kanälen gemessen, darunter die Krumme Lanke oder der Weiße See. Die Belastung bewegt sich zwar in der Regel weit unterhalb der Unbedenklichkeitsschwelle von 400 Nanogramm je Liter Wasser.
Bei Regen jedoch sei der Schadstoff verstärkt in die Gewässer eingeschwemmt worden. In innerstädtischen Kanälen mit Anschluss an die Kanalisation wurde der Wert teilweise überschritten, im Landwehrkanal etwa um mehr als das dreifache.
Besonders die Mischung aus Schadstoffen sehen die Forschenden mit Sorge: In den Filtern selbst bleiben neben Nikotin und Schwermetallen auch verschiedenste krebserregende Schadstoffe hängen – schon ein einziger Stummel könne bis zu 1000 Liter Wasser derart verpesten, sodass Wasserflöhe darin beeinträchtigt werden. Jeder Filter besteht zudem aus etwa 15.000 Celluloseacetat-Fasern, einem Kunststoff. In der Umwelt lösen sich diese aus der Kippe und tragen so zur Belastung mit Mikroplastik bei.
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