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Ein besonderes Schneckenjahr: Spanische Wegschnecke lässt Gärtnernde verzweifeln
Nacktschnecken können ganze Gemüsebeete leer fressen, selbst hängende Gefäße sind nicht sicher. Derzeit gibt es besonders viele. Fachleute erklären, warum.
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In Hobbygärtner-Foren ist es seit Wochen ein viel diskutiertes Thema: Nacktschnecken fressen mühsam angezogene Pflänzchen über Nacht bis auf den Stumpf weg. Besonders viele seien es in diesem Jahr, heißt es, und Experten bestätigen den Eindruck.
„Nach den Dürrejahren 2018 bis 2022, in denen die Populationen entsprechend eingebrochen sind, haben wir nun das zweite sehr feuchte Jahr in Folge“, erklärte Markus Pfenninger vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt. Schon im letzten Jahr hätten sich die Populationen erholt und in diesem Jahr entsprechend von einem bereits hohen Niveau loslegen können. Auch der milde Winter habe sicher nicht geschadet – „aber nach unseren Beobachtungen haben nur extrem kalte Winter einen wirklich nachhaltigen negativen Einfluss“.
Arion vulgaris, die „Superschnecke“
Wenn der Salat verschwindet und sich glitzernde Schleimbänder über die Beete ziehen, war wahrscheinlich sie am Werk: die „Spanische“ oder „Große“ Wegschnecke, wissenschaftlich Arion vulgaris. Sie ist weitverbreitet, kommt aber ausgerechnet in Spanien nur vereinzelt vor, wie Forschende in den vergangenen Jahren herausfanden. Anders als angenommen wurde sie demnach nicht nach dem Zweiten Weltkrieg mit Obst- und Gemüseimporten von der Iberischen Halbinsel eingeschleppt. Vielmehr lebt die Art wahrscheinlich schon sehr lange zumindest in Südwestdeutschland.
Seit den 1960er-Jahren taucht sie vermehrt und immer weiter nördlich und östlich auf, oft in hohen Dichten. Zum Leidwesen von Gärtnern können die braunrot gefärbten Tiere hervorragend klettern. Hochbeete sind kein Problem für sie, erklärt Michael Schrödl von der Zoologischen Staatssammlung München (ZSM). Selbst Gefäße hoch aufzuhängen, hält sie nicht ab: Sie seilen sich am Schleimfaden darauf ab. Salat und Gemüse können sie aus Dutzenden Metern Entfernung riechen.
Trockener Rasen und gekieste Wege mögen für andere heimische Nacktschnecken ein Problem sein, nicht für Arion vulgaris. Sie vermehrt sich Experten zufolge schnell und frisst notfalls auch in praller Sonne, ohne Schaden zu nehmen. Zudem zeigen Erbgutanalysen, dass sie sich stark mit anderen Arten vermischt. Auf diese Weise könnten sich die Tiere für die jeweilige Umgebung günstige Eigenarten aneignen.
Es fehlt an Igeln und Kröten
Hobbygärtner berichten in Foren, dass sie derzeit täglich Dutzende bis Hunderte Nacktschnecken einsammeln. Ein Teil des Problems ist Pfenninger zufolge mit gewisser Wahrscheinlichkeit, dass es immer weniger Jungschnecken vertilgende Tiere wie Igel und Kröten gibt. Junge Wegschnecken oder deren Eier werden auch von manchen Laufkäfern gefressen. „Arion vulgaris ist ein Profiteur der Einöde in den Gärten“, wie Schrödl sagte. An ausgewachsenen Tieren haben von Indischen Laufenten abgesehen kaum Fressfeinde Interesse.
Eine Maßnahme gegen Nacktschnecken basiert auf deren Vorliebe für Bier. Die Tiere mögen den Geruch von Gärstoffen, der potenzielle Nahrung anzeigt. Eine verführerisch duftende Bierfalle lockt Experten zufolge allerdings Schnecken aus der gesamten Umgebung herbei. Nur ein kleiner Teil von ihnen ertrinke, der Rest mache sich zahlenmäßig verstärkt ans Fressen.
Zu empfehlen ist demnach vielmehr, nur morgens zu gießen, Beete mit Grenzstreifen aus Sand oder Schneckenzäunen zu umranden und potenzielle Eiablagestellen wie auf dem Boden liegende Bretter regelmäßig zum Trocknen in die Sonne zu drehen. Oder, für Menschen, die das können: „Ein schneller Schnitt im vorderen Drittel tötet die Schnecken sofort“, erklärt Schrödl.
„Angeblich hilft Kaffeesatz, weil Koffein ein Nervengift für Schnecken ist“, sagte Pfenninger. Auch das Absammeln gilt durchaus als Möglichkeit, die Population einzudämmen. Allerdings dürfen die Schnecken dann auf keinen Fall im Wald oder anderswo in der Natur landen, wo sie andere Arten verdrängen könnten. Städtische Hundewiesen hingegen sind Schrödl zufolge ein guter Ort: „Der Kot wird von den Nacktschnecken gefressen.“
Das ist generell ein Faktor, der oft vergessen wird: Arion vulgaris mag schwer nerven, ist im Garten aber auch sehr nützlich, weil Kot und Kadaver beseitigt und Kompostierungsprozesse angekurbelt werden.
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