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Forscherinnen im Labor.

© Getty Images/Westend61

Ein Gesetz wie Hohn für junge Forschende: So wird das nichts mit fairer Arbeit an den Unis

Warum sollten sich gut ausgebildete Menschen in der Wissenschaft engagieren? Die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes wird keinen Anreiz dafür geben: Ein Versagen der Bundesregierung.

Ein Gastbeitrag von Geraldine Rauch

Wie fair sind künftig die Arbeitsbedingungen für junge Forschende? Die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, das bei der Frage entscheidend ist, hat lange gedauert. Wer allerdings denkt, was lange währt, wird endlich gut, wird enttäuscht. Die Bedingungen für Postdoktoranden (Postdocs) verschlechtern sich trotz erstmaligen Mindestvertragslaufzeiten signifikant.

Schon nach vier Jahren Befristung müssen Postdocs zukünftig gehen, es sei denn, es wird ihnen ein Vertrag mit Anschlusszusage angeboten. Da wir bereits wissen, wie die Vergabe von potenziellen Dauerstellen an den Hochschulen aktuell funktioniert beziehungsweise nicht funktioniert, dürfte Letzteres aber eher ein frommer Wunsch sein.

Trotzdem wird jetzt von Seiten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung versucht, die Reform des oft als WissZeitVG abgekürzten Gesetzes als soziale Errungenschaft zu verkaufen.

Ein Hohn, wenn man sich erinnert, wie in der Debatte um das WissZeitVG gezielt Ängste geschürt wurden. Postdocs auf Dauerstellen würden das System „verstopfen“, würden keine Leistung mehr erbringen, sich auf der Stelle „ausruhen“ und wären nicht finanzierbar.

Es wird das Bild des faulen Postdocs geschürt

Komisch ist nur, dass all diese Argumente theoretisch auch für die Stellen von Professor*innen gelten. Aber gegen Professor*innen werden diese Argumente eben nicht vorgebracht. Stattdessen wird ein Bild des*der faulen Postdoc geschürt, der*die nur Leistung bringt, wenn genügend Druck aufgebaut wird und dessen Leistung die Mehrkosten einer Dauerstelle auf keinen Fall wett macht. Dieser Druck wird durch die angestrebte Reform noch verschärft.

Es scheint, als würde das Kabinett hier noch immer nicht wahrnehmen, dass wir uns im demographischen Wandel befinden und schon jetzt unter Fachkräftemangel leiden. Fachkräfte, die die Universitäten ausbilden. Mit diesem Gesetz wird der Fachkräftemangel an Universitäten zunehmen, und weniger gut ausgebildete Menschen werden für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Ein klarer Hinderungsgrund, in der Wissenschaft zu bleiben

Warum sollte man sich nach der Promotion noch in der Wissenschaft engagieren, wenn die Aussichten auf einen unbefristeten Job gering sind? Für Menschen mit Kindern, Menschen, die Angehörige pflegen, oder auch nur Menschen mit Kinderwunsch, ist ein befristeter Vertrag über maximal vier Jahre ein klarer Hinderungsgrund, in der Wissenschaft zu bleiben. Der neue Reformvorschlag verschärft daher zusätzlich das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern.

Nicht nur die Wissenschaft selbst, auch die Industrie und der öffentliche Dienst sind auf gut ausgebildete Wissenschaftler*innen angewiesen. Der neue Gesetzesvorschlag ist nicht nur wenig sozial, er ist auch im Sinne eines zunehmenden Arbeitnehmer*innenmarktes völlig kontraproduktiv.

Um das Gesetz wurde teils hart gestritten, es ist jedoch erschreckend, dass eine soziale Verantwortung für unsere Postdocs kaum eine Rolle gespielt hat. Mit Ausnahme einiger weniger Regierungsvertreter*innen wurde die Stimme von Betroffenen und Arbeitnehmervertreter*innen weitgehend ignoriert.    

Es ist daher gut, dass sowohl die Fraktionen der SPD, als auch der Grünen noch großen Verhandlungsbedarf anmelden. Es ist jedoch fraglich, wie groß der Spielraum für Verhandlungen noch ist. Das Zuleitungsschreiben des Gesetzesvorschlages erwähnt lediglich die Prüfung der Öffnung der Tarifsperre für wenige Bereiche.    

Ein letzter Kampf ist daher noch offen – der Kampf um eine wirksame Öffnung der Tarifsperre, die es den Gewerkschaften erlauben würde, in den Tarifverträgen bessere Rahmenbedingungen auszuhandeln, zum Beispiel um Stellen mit Anschlusszusage schon deutlich früher festzuschreiben. Es könnte also noch ein Trostpflaster kommen. Mehr aber auch nicht.

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