
© EPFL/Alain Herzog
Ein Roboter hebt ab: „Raven“ kann wie ein Vogel in den Flug springen
Laufen, hüpfen oder fliegen? Ein neuer Roboter kann alles – und das spart beim Abheben überraschend Energie. Die Vogel-Maschine könnte künftig einmal Waren in entlegene Gebiete liefern.
Stand:
Die meisten Vögel können laufen, hüpfen, springen und fliegen. Für Roboter hingegen sind mehrere verschiedene Fortbewegungsarten eine Herausforderung, weil sie zu komplex oder zu schwer werden. Forschenden aus der Schweiz ist es nun allerdings gelungen, einen Flugroboter mit multifunktionalen Beinen zu konstruieren.
Wie das Team im Fachblatt „Nature“ schreibt, kann das Gerät mit dem Namen Raven seine vogelartigen Beine nutzen, um auf dem Boden zu laufen, über ein Loch zu hüpfen, nach oben zu springen und um sich vor dem Losfliegen abzustoßen. Die Gliedmaßen verfügen über Strukturen, die denen von Hüfte, Knöchel und Fuß ähneln. Die Flügel sind fest verankert, ein Propeller treibt den Flug an.
„Tiere sind bewährte Funktionsmodelle“, erklärte Erstautor Won Dong Shin vom Laboratory of Intelligent Systems an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne. „Sie haben in ihren Lebensräumen überlebt, indem sie sich effektive Strategien angeeignet haben.“ Deswegen ergebe es Sinn, dass sich Menschen von Tieren inspirieren lassen.
Für Orte ohne Startbahn oder Startplatz
Raven könne als Modell für Flugzeuge dienen, die in komplexem Gelände ohne Startbahn oder gar Startplatz zurechtkommen müssen, schreiben die Wissenschaftler. Auch könne der biomimetische Roboter hilfreich sein, um Tiere zu verstehen, ergänzte Shin. „So wäre es beispielsweise schwierig, Vögeln beizubringen, beim Abheben ihre Beine nicht zu benutzen.“ Durch den Einsatz von Robotern könnten solche Tests durchgeführt werden.
Eine überraschende Erkenntnis erlangte das Team, als es verschiedene Start-Mechanismen verglich. Zum einen ließ es Raven aus dem Stand nur mit dem Propeller abheben, zum anderen ließ es den Roboter zum Starten von einer Höhe fallen, vergleichbar mit einem Vogel, der von einem Ast herunterfliegt. Die dritte Art zu starten, war ein Absprung in den Flug hinein.

© EPFL/Alain Herzog
Die Forschenden verglichen die durchschnittliche Beschleunigung, den Energieausstoß und die Energieeffizienz der drei Startstrategien. „Bemerkenswerterweise erreichte der Sprungstart eine 9,7- bzw. 4,9-fach höhere Energieeffizienz als der Stand- beziehungsweise Fallstart“, schreiben sie. Zwar erfordere der Sprungstart zunächst etwas mehr Energieaufwand, aber Raven sei nach dem Start schon so schnell unterwegs, dass diese Strategie insgesamt am effizientesten sei.
Nicht für Passagierflugzeuge, sondern für Warenlieferungen
Werden also bald Passagierflugzeuge gebaut, die sich mit Beinen in den Flug abdrücken? Raven ist nur etwa so groß und schwer wie eine Rabenkrähe, mit einer Flügelspannweite von 100 Zentimetern und 600 Gramm Gewicht. Das Konzept des Sprungstarts sei auch für größere Geräte skalierbar, erklärte Shin. „Allerdings wäre es für einen Passagier keine angenehme Erfahrung, in so kurzer Zeit vom Stillstand auf mehr als 200 Kilometer die Stunde zu beschleunigen.“
Allerdings wäre es für einen Passagier keine angenehme Erfahrung, in so kurzer Zeit vom Stillstand auf mehr als 200 Kilometer die Stunde zu beschleunigen.
Won Dong Shin, École Polytechnique Fédérale de Lausanne
Stattdessen hofft der Roboter-Forscher, dass Raven oder ähnliche Geräte dazu verwendet werden, Dinge auszuliefern. Herkömmliche Drohnen seien zwar ausdauernd und flögen mit einer hohen Geschwindigkeit, aber sie benötigten geeignete Landeflächen. Eine Starrflüglerdrohne mit Sprungfunktion wie Raven könnte Waren in entlegene oder schwer zugängliche Gebiete liefern, ohne dass dort eine Landebahn oder ein freier Platz wie für einen Helikopter benötigt werde.
Echte Vögel noch besser
Vorstellbar seien auch Such- und Rettungsmissionen, erläuterte Shin weiter. Vor Ort könne Raven über verschiedene Hindernisse klettern, um Personen aufzuspüren oder Situationen einzuschätzen. Allerdings könne der Roboter derzeit noch nicht auf verschieden geformten Strukturen landen – aber die Beine könnten potenziell dafür genutzt werden. „Ich würde Raven gerne weiter verbessern, um das möglich zu machen.“
Überhaupt sei der Roboter einem echten Rabenvogel noch unterlegen. Zwar zeigten die Daten, dass die Abfluggeschwindigkeit von Raven mit der von anderen Vögeln vergleichbar sei. „Aber Vögel haben noch andere Fähigkeiten“, meinte Shin. Sie könnten sich viel freier bewegen und so besser anpassen. Es sei eine immense Herausforderung, da mit einem Roboter heranzukommen. (dpa)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: