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Leonhard Möckl hat vier Jahre mit Bertozzi zusammen gearbeitet.

© privat

Eine wundervolle Nobelpreisträgerin: „Bertozzis Arbeit ist ein mächtiges Werkzeug“

Leonhard Möckl ist Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen. Im Interview spricht er über seine Zeit in Stanford mit Nobelpreisträgerin Carolyn Bertozzi.

Stand:

Herr Möckl, haben Sie mit dem Thema des diesjährigen Nobelpreises gerechnet?
Ja. Man kann natürlich nie sicher sein, wer ihn bekommt und welche Personen ausgezeichnet werden, aber ich habe die Verleihung live verfolgt und der Preis für die Klick-Chemie kam für mich nicht überraschend. Er ist wirklich verdient.

Und außerhalb der Labors?
Insbesondere in der pharmazeutischen Forschung, zum Beispiel beim Drug Screening. Dabei wird ein mögliches Arzneimittel identifiziert und optimiert, bevor es für die klinische Prüfung ausgewählt wird. Wir können Wirkstoffkandidaten in situ, also direkt im Organismus, markieren und die Andockprozesse beobachten und untersuchen. Diese Methode verwenden vermutlich bereits alle großen Pharmakonzerne.

Was ist das Besondere an der ausgezeichneten Forschung?
Es ist eine Mischung aus Pionierarbeit in synthetischer Chemie und der Anwendung in der Biologie. Die Klick-Chemie ist sehr elegant und einfach: zwei Moleküle klicken wie zwei Bausteine zusammen – Zack! Carolyn Bertozzi hat diesen Mechanismus in die Biologie geholt. Der Reaktionsraum biologischer Systeme ist sehr klein und weit weg von dem, was wir in der Chemie häufig haben. Für lebende Systeme braucht man einen milden pH-Wert, eine wässrige Umgebung, keine zu hohen Temperaturen. Das ist eine besondere Herausforderung. Bertozzi hat hier unglaubliche Pionierarbeit geleistet.

Wo wird diese Methode bereits genutzt?
Vor Allem im Labor und in der Grundlagenforschung, zum Beispiel um Zucker auf Zellen zu untersuchen. Dank Bertozzis Arbeit können wir diese Zucker spezifisch markieren und ihre Organisation und Dynamik verfolgen – dies ist ein mächtiges Werkzeug.

Die Preisträger haben uns hier einen neuen Werkzeugkasten an die Hand gegeben, um biologische Systeme zu untersuchen. Ein Beispiel sind die erwähnten Zuckerstrukturen auf Zellen. Wir haben erst vor kurzem herausgefunden, dass Zellen von einer Zuckerschicht umhüllt sind. Unsere üblichen Untersuchungsmethoden greifen hier nicht gut, genetische Modifikationen zum Beispiel. Mit der Klick-Chemie können wir diese Struktur mithilfe von Fluoreszenz untersuchen.

Sie waren 2016 bis 2020 selbst in Stanford und haben mit Bertozzi gearbeitet. Wie ist sie als Person und Chefin?
Wundervoll (lacht). Sie ist eine sehr erfolgreiche Wissenschaftlerin und manchen steigt das zu Kopf, aber Carolyn ist sehr menschlich, umgänglich und bescheiden. Sie ist „easy going“, ganz nach der kalifornischen Mentalität. Gleichzeitig ist sie sehr neugierig und fürsorglich. Ich habe sehr viel von ihr gelernt und bin sehr dankbar für die Zeit, die ich mit ihr hatte. Sie hat mir gezeigt, dass man als Wissenschaftlerin ganz groß werden und trotzdem ein Mensch mit einem wunderbaren Charakter bleiben kann.

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