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„Eingeschränkt vertrauenswürdig“: Unabhängige Studien zu Abnehmspritzen fehlen
Sie können helfen, vor allem schwer Übergewichtigen. Forschende bemängeln jedoch, dass die Appetit-regulierenden Wirkstoffe bislang ausschließlich in Studien der Hersteller getestet wurden.
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Als „Abnehmspritzen“ sind sie echte Verkaufsschlager. Doch die Studien, die ihre Wirksamkeit und Sicherheit bestätigten, stammen fast alle von den Herstellern der Präparate. Das Forschungsnetzwerk Cochrane kritisiert, dass Interessenkonflikte die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse einschränken.
„Diese Medikamente können insbesondere im ersten Jahr zu einem deutlichen Gewichtsverlust führen“, sagt Juan Franco von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er leitet die Arbeitsgruppe, die prüft, wie belastbar Ergebnisse wissenschaftlicher Studien sind und dazu systematische Übersichtsarbeiten erstellt.
Wirkung und Nebenwirkungen
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte das Forschungsnetzwerk beauftragt, die Veröffentlichungen zu den Wirkstoffen Tirzepatid, Semaglutid und Liraglutid auszuwerten. Die Ergebnisse sollen in die geplante WHO-Leitlinie zur Behandlung von Adipositas (Fettleibigkeit) einfließen.
Die drei Wirkstoffe beeinflussen die Appetitregulation und wurden ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt. Inzwischen sind die Mittel auch zugelassen, um stark übergewichtige Menschen (Body-Mass-Index ab 30 kg/m²) in Kombination mit körperlicher Aktivität und kalorienreduzierter Ernährung beim Abnehmen zu unterstützen. In Deutschland werden die Kosten in der Regel nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Die drei neuen „Cochrane Reviews“ vergleichen den Effekt der Abnehmspritzen mit einem Placebo. Sie zeigen Folgendes:
- Tirzepatid, einmal wöchentlich unter die Haut gespritzt, kann das Ausgangsgewicht nach 12 bis 18 Monaten wahrscheinlich um durchschnittlich 16 Prozent senken. Die Cochrane-Autorinnen und -Autoren stufen die Vertrauenswürdigkeit dieser Ergebnisse aber nur als „moderat“ ein.
- Semaglutid, einmal wöchentlich unter die Haut gespritzt oder täglich als Tablette eingenommen, kann das Ausgangsgewicht nach sechs bis 17 Monaten im Mittel um knapp elf Prozent senken. Die Vertrauenswürdigkeit der zugrundeliegenden Studien wird hoch eingeschätzt.
- Für Liraglutid, täglich unter die Haut gespritzt, reicht die Datenbasis nicht aus, um verlässlich zu beurteilen, wie viel Prozent ihres Körpergewichts schwer Übergewichtige im Schnitt verlieren. Zwei von drei Studienteilnehmenden verringerten ihr Ausgangsgewicht um mindestens fünf Prozent. Ohne Liraglutid schaffte das nur einer von dreien.
Bei allen drei Mitteln treten vermehrt leichte bis moderate Verdauungsprobleme wie Übelkeit und Erbrechen auf. Wahrscheinlich sorgen diese bei einigen Semaglutid-Anwendenden für Therapieabbrüche. Für die beiden anderen Wirkstoffe reichten die Daten nicht aus, um diese Frage zu klären, teilte Cochrane mit.
Auch zu schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen kann das Autorenteam auf Basis verfügbarer Daten keine sicheren Aussagen treffen. Es gebe zudem weitere offene Fragen, aber derzeit würden zu allen drei Wirkstoffen auch noch zahlreiche Studien laufen.
Das Cochrane-Team fordert Langzeitwirksamkeit und -sicherheit der Präparate in weiteren Studien zu untersuchen. Sie sollten auch der Frage nachgehen, wie sich die Mittel langfristig auf die Herzkreislaufgesundheit auswirken. (Tsp)
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