
© Marin Kneib/ISTA
„Ende einer anomalen Phase“: Asiatische Gletscher geraten aus dem Gleichgewicht
Gebirge in Asien gelten mit ihren Gletschern als dritter Pol der Erde. Im Gegensatz zu anderen Regionen der Welt blieben die gefrorenen Süßwasserreserven lange stabil. Nun hat ein Forschungsteam nachgemessen.
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Der Klimawandel lässt weltweit Gebirgsgletscher schwinden. Doch einige der Gletscher im zentralasiatischen Pamir- und Karakorum-Gebirge zeigen sich überraschend stabil und scheinen sogar zu wachsen. In der Fachwelt spricht man von der „Pamir-Karakorum-Anomalie“.
Doch nun deuten Messungen und Berechnungen eines Forschungsteams darauf hin, dass die anomale Phase der Stabilität eines der Gletscher zu Ende ist. Im Jahr 2018 wurde ein Wendepunkt überschritten, berichtet das Team im Fachjournal „Communications Earth & Environment“. Der Gletscher hat wahrscheinlich seinen Rückzug angetreten.
Aralsee schwindet weiter
„Zentralasien ist eine halbtrockene Region, die in hohem Maße von Schnee und Eisschmelze für die Wasserversorgung flussabwärts abhängig ist“, erklärt Francesca Pellicciotti vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA). Die Landwirtschaft in der Region ist auf Bewässerung mit Schmelzwasser angewiesen. Wenn das Wasser künftig nicht mehr vom Berg kommt, kommt zu wenig.

© Achille Jouberton/ISTA
Pellicciottis Team hat gemeinsam mit Forschenden aus Tadschikistan eine Klimastation auf dem Kyzylsu-Gletscher eingerichtet. Sie liegt auf einer Höhe von knapp 3400 Metern über dem Meeresspiegel. Hier wollten die Forschenden das anomale Verhalten der Gletscher in der Region untersuchen.
Mit den Messwerten ließ sich das Verhalten eines größeren Gebiets von 1999 bis 2023 modellieren. Die Ergebnisse lassen die Forschenden annehmen, dass die Gletscher auch im Pamir-Gebirge schwinden. „Wir haben das Klima des Einzugsgebiets, die Schneedecke, die Massenbilanzen der Gletscher und die Wasserbewegungen modelliert“, wird Autor Achille Jouberton in einer Mitteilung zitiert. „Aber egal, wie wir das Modell analysierten, wir sahen spätestens 2018 einen signifikanten Wendepunkt.“
Seitdem verändert der Rückgang der Schneefälle das Verhalten des Gletschers und seinen Zustand. Dagegen hat die Gletscherschmelze zugenommen und etwa ein Drittel der durch den Rückgang der Niederschläge verlorenen Wasserressourcen kompensiert.
Kein Zufluss für den Aralsee
Der Kyzylsu liegt im Einzugsgebiet des Amu Darya, einem der größten Flüsse Zentralasiens. Sein Wasser stammt fast ausschließlich von Gletschern und floss einst in den Aralsee, der inzwischen weitgehend ausgetrocknet ist. Dessen Hauptzuflüsse, der Amu Darya im Süden und der Syr Darya im Nordosten, wurden umgeleitet – um Baumwollfelder zu bewässern, die während der Sowjetzeit in der Wüste angelegt wurden.
„Die Auswirkungen der Gletscher sind jedoch in ihren unmittelbaren Ökosystemen am stärksten“, sagt Jouberton. Auch wenn der Kyzylsu-Gletscher und wahrscheinlich weitere derzeit mehr Wasser in das System einbringen, sei es unwahrscheinlich, dass sie den Aralsee wieder auffüllen.
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