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Roger Perea Sie zeigen den Panama-Kanal, Pedro-Miguel-Schleuse (Pazifikseite) mit Lok, die die Schiffe in der Mitte der Schleusenbecken hält. Es werden keine Honorare fällig

© Roger Perea

Erweiterung des Panamakanals: Die Invasion hat längst begonnen

In den Panama-Kanal dringen viele Fische aus dem Pazifik und der Karibik ein. Was passiert, wenn sich die Arten der Weltmeere vermischen?

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Ein großer Teil des Welthandels läuft über die Weltmeere und profitiert dort von Abkürzungen wie dem Panamakanal. Diese wichtige Wasserstraße verbindet die Regionen an den Küsten von Atlantik und Karibik mit den Pazifik-Anrainern und verkürzt so den Seeweg zwischen New York und San Francisco um rund 15.000 Kilometer. Zwischen beiden Metropolen verringern sich die Fahrzeiten daher um etwa drei Wochen, und die Kosten sinken enorm.

Allerdings nutzen den Panamakanal nicht nur Schiffe, sondern auch Fische. Wie erfolgreich die Tiere dabei sind, hat jetzt ein internationales Team, darunter auch Forschende des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der FU Berlin untersucht: Seit der Panamakanal 2016 erweitert wurde, dringen demnach auch viel mehr Salzwasserfische in den künstlichen Gatúnsee in der Mitte dieser Wasserstraße ein. Die Invasion der Meeresbewohner ist bereits im vollen Gange.

Schleusen für Ozeanriesen

Stellten Meeresfische vor dieser Erweiterung nur 26 Prozent des Gesamtgewichtes der dortigen Fische, waren es in den Jahren danach 76 Prozent, so berichten die Forschenden in der Zeitschrift Current Biology Diesen sprunghaften Anstieg führt die Studie auf das neue Schleusen-System zurück, das 2016 in Betrieb genommen wurde. Während vorher nur 294 Meter lange und 32 Meter breite Schiffe den Kanal passieren konnten, passen jetzt auch Ozeanriesen mit 366 Meter Länge, 49 Meter Breite und 15,2 Meter Tiefgang durch diese Schleusen.

Da die Transportkosten mit der Größe eines Schiffes sinken, können Waren erheblich billiger als bisher vom Atlantik zum Pazifik und auch umgekehrt transportiert werden. Und auch die immer größer gebauten Kreuzfahrtschiffe profitieren von der Erweiterung der Wasserstraße.

Der Snook ist eine marine Raubfischart, die nun auch im Gatúnsee vorkommt.

© dpa/Gustavo A. Castellanos-Galindo

Der mehr als 80 Kilometer lange Panamakanal ist keine reine Salzwasserstraße, sondern führt über den mit einem riesigen Damm aufgestauten Gatúnsee, dessen Wasseroberfläche 26 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Die an das Salzwasser gewöhnten Fische bekommen im Süßwasser Schwierigkeiten: „Meeresfische müssen Salz ausscheiden, um ausreichend Körperflüssigkeit zu behalten“, erklärt Timo Moritz vom Deutschen Meeresmuseum in Stralsund, der an der Studie zum Panamakanal nicht beteiligt war. „Süßwasserfische wiederum müssen Wasser abgeben, um Schäden an Körperzellen zu verhindern.“

Abgesehen von wenigen Arten wie Lachsen und Aalen, die an Salz- und Süßwasser gleichermaßen angepasst sind, können Fische daher nicht einfach zwischen diesen beiden Welten umgesetzt werden. Aus diesem Grund wirkt der Gatúnsee wie eine weiche Barriere im Panamakanal.

Allerdings ist dieses Hindernis alles andere als unüberwindlich: „Schon vor der Erweiterung der Wasserstraße hatten einige Arten den Weg vom Atlantik in den Pazifik oder umgekehrt geschafft“, erklärt IGB-Forscher Gustavo Castellanos-Galindo. Schließlich gibt es Fische, die zwar im Süßwasser leben, aber auch etwas Salzwasser vertragen. „Dazu gehört zum Beispiel der heimische Hecht, der häufig im Brackwasser der Ostsee vorkommt“, nennt Timo Moritz ein Beispiel.

Der Madden-Damm des Panamakanals steht im Alajuela-See in Colon.

© dpa/MATIAS DELACROIX

Flundern wiederum leben normalerweise im Meer und im Brackwasser entlang der europäischen Küsten, kommen aber auch mit Süßwasser klar. „Früher sind Flundern daher im Rhein bis in die Gegend von Karlsruhe am Oberrhein geschwommen“, sagt Timo Moritz. „Auch wenn die meisten Fische dazu nicht fähig sind, gibt es unter den über 37.000 Arten weltweit einige, die zumindest zeitweise vom Meer in Flüsse oder umgekehrt wechseln können“, ergänzt der Forscher vom Deutschen Meeresmuseum. Genau deshalb ist der Gatúnsee keine unüberwindliche, sondern nur eine weiche Barriere.

Es Hinweise, dass einige Arten bereits weitergewandert sind und aus der Karibik den Pazifik erreicht haben könnten.

Gustavo Castellanos-Galindo, Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei

Nach der Erweiterung der Schleusen im Panamakanal scheinen Fische dieses Hindernis noch leichter überwinden zu können. Jedes Mal wenn ein Schiff über dieses Schleusensystem fährt, schwappt entweder Süßwasser Richtung Meer oder Salzwasser in den See. Da in die größeren Schleusen nicht nur größere Schiffe, sondern auch mehr Wasser passt, werden heute viel größere Mengen transportiert, in denen auch mehr Fische schwimmen können.

Aus der Karibik in den Pazifik

Die Zahl der Salzwasser-Arten im Gatúnsee hat sich daher erheblich vergrößert. „Obendrein gibt es Hinweise, dass einige Arten bereits weitergewandert sind und zum Beispiel aus der Karibik den Pazifik erreicht haben könnten“, erklärt Gustavo Castellanos-Galindo. „Leider fehlen uns bisher noch die Beweise.“

Auf der anderen Seite können solche Wanderer zwischen den Ozeanen einfach wieder verschwinden, wenn sie der Konkurrenz der Alteingesessenen nicht gewachsen sind. Einige Neuankömmlinge aber können sich auch behaupten.

Suez-Kanal überwunden

Das ist zum Beispiel am Suez-Kanal passiert, der den Indischen Ozean mit dem Mittelmeer verbindet. Dort gibt es ebenfalls eine Barriere in Form extrem salzreicher Seen, in denen nur an diese Verhältnisse angepasste Arten leben. „Trotzdem haben zahlreiche Fischarten dieses Hindernis überwunden“, erklärt Timo Moritz. „Heute leben im östlichen Mittelmeer daher viele Arten, die aus dem Roten Meer oder dem Indischen Ozean stammen und vorher im Mittelmeer nicht vorkamen.“

Solche Eindringlinge können unter Umständen riesige Schäden anrichten. Als der Rotfeuerfisch aus dem Indischen Ozean und dem westlichen Teil des Pazifiks über den Handel mit Fischen für Aquarien in die Karibik gelangte, vermehrte sich dieser Eindringling stark und fraß bald riesige Korallenriffe kahl.

Dieses Risiko gibt es natürlich auch bei den Fischen, die über den Panamakanal vom Pazifik in die Karibik oder umgekehrt gelangen können. Dort ist die Gefahr möglicherweise sogar relativ groß: „Bei den im Gatúnsee aufgetauchten Arten handelt es sich oft um große Raubfische, die an der Spitze der Nahrungskette stehen“, erklärt Timo Moritz. Bei diesen Top-Räubern aber ist das Risiko besonders groß, dass sie sich als invasive Arten entpuppen und auch ihr neues Ökosystem umkrempeln.

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