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Die Mückenfledermaus gehört zu den kleinsten in Deutschland vorkommenden Fledermausarten.

© Daniel Karmann/dpa

Fledermäuse in Deutschland: „Es kommt auf jedes einzelne Tier an.“

Den Fledermäusen in Deutschland geht es nicht gut. Ihr Problem ist der Mensch. Dabei lässt sich leicht etwas für ihren Erhalt tun.

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Als sich der dunkle Vorhang öffnet, protestieren die Fledermäuse mit hellem Piepsen. Ralf Hufnagel greift eine Mückenfledermaus. Erst einmal bleibt sie regungslos auf seinem Handschuh sitzen, dann krabbelt sie los. Schließlich fliegt sie davon und krallt sich am Gitter der Voliere fest. „Sie ist noch nicht so weit“, sagt Hufnagel, der das nur wenige Zentimeter große Tier bei seinen Flugversuchen genau beobachtet.

Bis die Fledermaus wieder fit genug ist, um in die Freiheit zurückzukehren, wird es wohl noch dauern. Mit Mehlwürmern und allerlei Insekten soll sie wieder zu Kräften kommen.

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16 Fledermausarten in Berlin

Auf einem idyllisch gelegenen Gelände kümmert sich Hufnagel gemeinsam mit anderen Freiwilligen in Fürth bei Nürnberg um verletzte und kranke Fledermäuse, die Anwohner zu ihnen bringen. In der Auffangstation päppeln sie die nachtaktiven Tiere auf und wildern sie wieder aus. Zehn ausgewachsene Fledermäuse leben zurzeit in der Voliere. Dazu kommen 16 Jungtiere im Nachbargebäude. Eng aneinander gekuschelt schlafen sie kopfüber hängend an einer Wärmematte. Alle paar Stunden füttern Hufnagel und sein Team die winzigen Tiere mit Milch aus einer Spritze. Die viele Arbeit sei es wert, meint Hufnagel. „Es kommt auf jedes einzelne Tier an.“

Etwa 25 verschiedene Fledermausarten sind in Deutschland heimisch. Viele seien gefährdet, einige hierzulande sogar schon ausgestorben, sagt Sebastian Kolberg vom Naturschutzbund Deutschland in Berlin.

„Man kann bei keiner Art sagen, dass man sich keine Sorgen machen muss.“ Wie vielen anderen Tieren macht auch den Fledermäusen der Verlust von Lebensraum zu schaffen. „Sie brauchen Strukturvielfalt, um vom Tagesquartier ins Jagdgebiet zu finden“, so Kolberg. Doch nicht nur für die Orientierung ist das wichtig: In Wäldern mit vielen alten Bäumen und auf naturnahen Wiesen finden sie ausreichend Unterschlüpfe und Insekten als Nahrung.

Auch die moderne Bauweise hat Folgen für die Fledermäuse. Denn nur etwa die Hälfte der heimischen Arten bewohnt Höhlen, die andere zieht sich in Spalten zurück – in Felsen und Bäumen, aber vor allem in Gebäuden. In der Stadt finden Fledermäuse jede Menge versteckte Quartiere in alten Stadtmauern, auf ungenutzten Dachböden, in den Luftschlitzen von Außenfassaden oder hinter Fallrohren.

Allein in der Hauptstadt Berlin kommen nach Angaben von Kolberg 16 Fledermausarten vor. Das wüssten viele Menschen gar nicht. „Sie fallen nicht auf, weil sie nachts unterwegs sind, weil sie leise sind und ein sehr heimliches Leben führen.“ Die energetische Sanierung von Gebäuden aber werde für die Fledermäuse zum Problem, weil die ortstreuen Tiere dadurch ihre Quartiere verlören und so schnell keine neuen fänden. Dabei gebe es vielfach Möglichkeiten, die Schlafstätten zu erhalten, sagt Kolberg.

„Hufis“ im Live-Stream

Wissen über die Fledermäuse und deren Schutz sollte bei der Internationalen Fledermausnacht vermittelt werden, an der sich nach Angaben des Abkommens zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulationen (Eurobats) jedes Jahr am letzten Augustwochenende mehr als 30 europäische Länder beteiligen.

Rund um die Uhr, ganz bequem vom Sofa aus, kann man Deutschlands seltenste Fledermaus – die Große Hufeisennase – beobachten. Eine Webcam überträgt ins Internet, was sich in der Wochenstube der „Hufis“ im Fledermaushaus im bayerischen Hohenburg tut: Manche hängen still an der Decke, andere putzen sich zappelnd. Wer in den vergangenen Wochen Glück hatte, konnte sogar bei der Geburt eines Fledermausbabys zuschauen.

Lange galt die Fledermausart in Deutschland als ausgestorben, bis in der damals einsturzgefährdeten Scheune in den 1990er Jahren einige verbliebene Tiere entdeckt wurden. „Zum Tiefststand bestand die Population aus etwa 30 Individuen“, sagt Experte Rudi Leitl. Als eine Ursache gilt der mit dem massiven Einsatz von Pestiziden einhergehende Verlust an Beuteinsekten. Zudem verlor die Große Hufeisennase zunehmend ihre Sommerquartiere, in denen die Jungtiere zur Welt kommen.

„Die Bauweise des Menschen hat sich so sehr verändert“, erläutert Leitl. In der Region nutzten die „Hufis“ für ihre Wochenstuben bevorzugt hohe Scheunen mit offenem Einflug, wie sie einst zum Trocknen des Hopfens genutzt wurden. Doch diese sind heute nahezu verschwunden. Für die letzte bekannte Kolonie wurde deshalb die alte Scheune nach ihren Bedürfnissen hergerichtet – mit Erfolg.

Heute zählt Experte Rudi Leitl dort 340 erwachsene Fledermäuse und 135 Jungtiere. Zufriedengeben will er sich damit nicht: „Solange es nur eine Kolonie gibt, ist die Art hochgradig gefährdet“, sagt Leitl. Deshalb überlegen die Fachleute jetzt, in der Umgebung ein zweites Quartier zu schaffen.

Irena Güttel, dpa

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