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Arbeiterinnen der Zweifarbigen Wegameise zerstückeln in einem Park in Manhattan eine Ameise einer anderen Art.

© dpa/Samantha Kennett

Die „ManhattANT“: Europäische Ameisenart erobert New York

Die europäische Zweifarbige Wegameise wurde im Jahr 2011 erstmals in den USA gesichtet. Inzwischen ist die Art sogar am Times Square anzutreffen. Forscher stellt die „ManhattANT“ vor Rätsel.

Von Christina Horsten, dpa

Als Samantha Kennett sich im Frühjahr in New York auf die Suche nach Exemplaren der Zweifarbigen Wegameise Lasius emarginatus macht, dauert es nicht lange, bis sie fündig wird. „Sie waren überall“, sagt die 30-Jährige aus dem Bundesstaat Georgia, die gerade ihren Master an der Kennesaw State University macht. „Wir haben eine Kolonie am Times Square gefunden. Wir haben sie in Parks gefunden, entlang des Broadway und in den Nachbarstraßen. Auf fast jedem Baum am Bürgersteig waren Kolonien von diesen Ameisen auf Nahrungssuche.“

In Europa gehört die Zweifarbige Wegameise zu den am weitesten verbreiteten Ameisenarten. In den USA aber galten die Tiere, die wenige Millimeter groß und braun oder rotbraun sind, nicht als heimisch, bis sie 2011 erstmals nachgewiesen wurden – ausgerechnet in der Metropole New York. Ein Team von Wissenschaftlern um Rob Dunn von der North Carolina State University entdeckte damals die ersten Exemplare. Schnell wurde der Art von US-Medien ein Spitzname verpasst: „ManhattANT“. Ant ist das englische Wort für Ameise.

Seitdem versuchen zahlreiche Forscher, darunter auch das Team rund um Kennetts Betreuer Clint Penick von der Kennesaw State University in Georgia, die Frage zu beantworten: Warum scheint sich Lasius emarginatus ausgerechnet in Manhattan so wohl zu fühlen? „Die meisten Ameisen, die in Städten leben, ernähren sich eher von menschlichem Essen, aber es sieht so aus, als würden diese das nicht tun, und das ist sehr außergewöhnlich“, sagt Kennett. „Aber wenn diese Ameise sich nicht von menschlichem Essen ernährt, von was ernährt sie sich dann und wie ist sie so erfolgreich? Das versuche ich herauszufinden.“

Ameisensuchende wie Samantha Kennett saugen die Tiere in ein Sammelgefäß, hier am Times Square in New York.
Ameisensuchende wie Samantha Kennett saugen die Tiere in ein Sammelgefäß, hier am Times Square in New York.

© dpa/Rebecca Senft

Kennett hat zuvor Schlangen und andere Ameisen erforscht. „Ich habe irgendwie schon immer gerne mit Tieren gearbeitet, die andere Menschen nicht so sehr zu mögen scheinen.“ An Ameisen fasziniere sie, dass sie zwar überall auf der Welt vorkommen, aber dass Forscher trotzdem längst nicht alles über sie wissen. Und dass ein Großteil der Kolonie aus Weibchen bestehe. „Eine Gruppe von Frauen, die die Welt am Laufen halten, das ist cool.“ 

Bei Lasius emarginatus scheint es sich allerdings um ganz besondere Ameisen zu handeln. Irgendwann zwischen 2006, als eine entsprechende Studie sie nicht entdecken konnte, und 2011, als sie plötzlich in New York auftauchten, müssen Exemplare dieser Art in die USA gelangt sein, möglicherweise zufällig per Schiff, sagt Kennett. „Das wissen wir aber nicht genau. Und es ist wahrscheinlich, dass wir das nie ganz sicher beantworten werden können.“

Seitdem berichten immer mehr Menschen in und um New York herum, dass sie die Ameisen gesehen haben, mehr als 40 auch auf dem von Kennett gestarteten Online-Sammelportal „Project ManhattANT“. New York mit seinen vielen Hochhäusern scheine gut zur Lebensart der Ameisen zu passen. „Sie sind großartige Kletterer“, sagt Kennett, die ihre Masterarbeit 2023 abschließen will. Es seien schon Tiere in Wohnungen im fünften Stock und teilweise sogar noch höher gesichtet worden. „Jetzt, wo sie es sich in der Stadt heimisch gemacht haben, expandieren sie mehr.“

Lasius emarginatus könne nicht stechen und es sei auch sonst in keiner Weise bekannt, dass sie für Menschen schädlich sein könnten, sagt Kennett. Anscheinend seien sie noch nicht einmal hinter den Essensabfällen der Menschen her, wie andere Ameisenarten. In Europa ernähre sich Lasius emarginatus hauptsächlich von anderen Insekten oder von deren Ausscheidungen, beispielsweise dem Honigtau von Blattläusen. „Und wir denken, dass sie das wahrscheinlich auch in New York machen.“

Sie könne verstehen, dass die Menschen in New York nicht gerne Ameisen in ihren Wohnungen sähen, sagt Kennett. Aber die „ManhattANT“ sei völlig ungefährlich und außerdem wahrscheinlich schlicht nicht mehr wegzubekommen. „Sie sind schon so weit verbreitet und es ist sehr schwer, Insekten wieder komplett loszuwerden, sobald sie einmal hier sind.“

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