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Geschlecht und Beruf: Frauen wollen Macht, Geld und Zeit

... Männer auch. Das hat Jutta Allmendinger, Präsidentin des WZB Berlin, festgestellt. Doch Zeit wird immer knapper - zum Schaden der ganzen Gesellschaft, findet die Soziologin.

Jutta Allmendinger weiß nicht nur, was Frauen wünschen. Die Soziologin, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, hat mit ihrem Team auch die Wünsche junger Männer sechs Jahre lang immer wieder neu unter die Lupe genommen. Und fand heraus, dass die Gleichheit in den Köpfen schon weit ist: Den tausend jungen Frauen und ebenso vielen jungen Männer zwischen 17 und 30 Jahren, die sie für ihre Studie befragte, ist der Beruf praktisch gleichermaßen wichtig, ihre Vorstellungen von der idealen Arbeitszeit und der Zeit, die sie mit der Familie verbringen wollen, nähern sich an, ebenso wie die Erwartungen, die die Geschlechter aneinander und die Bilder, die sie voneinander haben. Auch die Unterschiede, was Karrierewünsche angeht, seien „erstaunlich gering“: Man wie frau will lieber im Chefsessel als im Vorzimmer landen.

Über „Frauen und Macht“ sprach Allmendinger am Montag auf Einladung des Adolf-Martens-Fonds der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung. Stimmt es, wie die frühere „Taz“-Chefin Bascha Mika behauptete, dass Frauen sich lieber in der „Komfortzone“ unterhalb der Spitze einrichteten? Oder, wie im Publikum gemutmaßt wird, Fächer wählten, die für Macht nicht taugten? Warum entschieden sie sich weiter für Grundschulpädagogik oder eine Banklehre statt für Maschinenbau? Das sei weniger Wahl als Notwendigkeit, wenn sie Berufstätigkeit und Familie vereinbaren wollten, antwortet Allmendinger. Frauen wollten beruflichen Erfolg, aber nicht zu den Bedingungen von Männern. Und so entstünde die größte Kluft zwischen den Geschlechtern „nicht durch Potenzial und Qualifikation, sondern durch die Arbeitszeit“. In zulassungsbeschränkten Fächern wie Medizin steige der Anteil der – abiturnotenstärkeren – Frauen ja auch. Allmendingers Vorschlag zur Probe aufs Exempel: „Führen Sie so einen hohen Numerus clausus mal für Maschinenbau ein.“

Jutta Allmendinger.
Jutta Allmendinger.

© dpa

Der Machtbegriff wandelt sich zugleich, sagt die Forscherin: Die jungen Männer hätten bei Nachfragen über die Jahre mehr und mehr Zweifel geäußert, ob Macht noch nach dem alten Chefmodell, von oben nach unten, funktioniere. Die vielen Frauen mit dem Karrierewunsch Führung verstünden unter Macht sowieso vor allem Verantwortung.

Auch die Gretchenfrage nach der Frauenquote wird im Publikum wieder gestellt. Ob die nicht doch herabsetzend für gute Frauen sei? Allmendinger verweist auf die aktivsten Quotenbefürworter: „Das sind inzwischen ältere Männer und ältere Frauen.“ Die älteren Männer, weil sie Töchter haben, die viel wollen, viel können, denen sie beste Ausbildungen finanziert haben und die dann erkennen müssen, dass es Decken gibt, die die brillanten Töchter nicht durchstoßen können. Die älteren Frauen dagegen müssen im Rückblick erkennen, dass ihnen alles Können nichts genützt hätte, hätte es keine Quoten gegeben. „Es ist klar“, sagt Allmendinger (56), „dass ich die letzten 30 Jahre immer quotiert wurde.“

Sollte es die „Komfortzone“ jemals gegeben haben, so wird sie gerade evakuiert. Die ohnehin große Bedeutung von Beruf und eigenem Geld, hat Allmendinger festgestellt, wächst weiter. Bei den Männern, die sie befragte, sei der Wert von hohem Niveau jetzt auf 90 Prozent gestiegen, bei den Frauen aber geradezu „hochgeschnellt“. Viel Geld zu verdienen, sei ihnen inzwischen um 40 Prozentpunkte wichtiger. Frauen tendierten nun  „viel stärker zur Erwerbstätigkeit als zur Familie“ und auch der Wunsch junger Männer nach Familie noch einmal von 30 auf 25 Prozent abgerutscht.

Allmendinger nennt das „hochgradig problematisch“. Und macht umgehend klar, dass sie damit nicht die alte konservative Sorge teilt, ökonomisch unabhängige Frauen seien die Totengräberinnen der Familie. Ohnehin sei jene „umfassende Individualisierung“ der Frauen, die der Münchner Soziologe Ulrich Beck durch deren Erwerbstätigkeit erwarte, „von den Daten nicht zu halten“. Frauen wollten selbstständig sein und gleichzeitig von ihren Männern „um-, wohlgemerkt nicht ver-sorgt werden“. Das sei kein Gegensatz.

Allmendinger sieht in der wachsenden Erwerbsorientierung von Männern wie Frauen vielmehr eine Gesellschaft heraufziehen, die eigentlich keine Wahlmöglichkeiten mehr zulässt. „Wir arbeiten uns kaputt“, nicht nur als Einzelne, sondern auch als Gesellschaft, meint die Soziologin. Solange die Standardarbeitswoche noch immer näher an 40 Stunden liege als an den von Frauen wie Männern bevorzugten 33 bis 35 Stunden, bleibe kein Platz mehr für Nichterwerbstätigkeit: Die brauchten aber alle, nicht nur Eltern. In einer dramatisch alternden Gesellschaft sei Raum für Weiterbildung nötig: für die Pflege der alten Großelterngeneration – „da kommen Sie nicht herum“ –, aber natürlich auch für Freizeit. „Wir brauchen auch nichtbezahlte Zeit“, erst recht jetzt, da die Versicherungszeit bis zur Rente 45, demnächst wohl 50 Jahre betrage. In Sachen Zeitpolitik sei Deutschland noch weit zurück. „Systematische Auszeiten dürfen wir nicht mehr als anomal ansehen, sondern als normal.“

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