zum Hauptinhalt
Eine Labormitarbeiterin füllt eine Flüssigkeit mit einer Pipette in Kunststoffröhrchen.

© picture alliance / dpa

Geschlechter-Lücke in der Wissenschaft: Frauen publizieren weniger als Männer

Bei wissenschaftlichen Publikationen gibt es eine Geschlechter-Lücke: Vor allem junge Forscherinnen veröffentlichen weniger Studien als männliche Kollegen.

Reine Frauenteams, die gemeinsam publizieren, sind internationaler aufgestellt als reine Männerteams. Sind die Autorenteams gemischt, wird das Thema zudem interdisziplinärer und inhaltlich breiter bearbeitet. Das geht aus einer Studie zum deutschen Forschungssystem hervor, die der Wissenschaftsverlag Elsevier am Donnerstag veröffentlicht hat. Internationalität, Interdisziplinarität und inhaltliche Vielfalt gehören zu den vorrangigen Zielen, die sich wissenschaftliche Institutionen hierzulande auf die Fahnen geschrieben haben.

Deshalb täten sie gut daran, mehr Geschlechterdiversität in der Forschung zu fördern, lautet eine Schlussfolgerung aus der Studie. Dies ist aber auch geboten, weil der Anteil von Frauen an der Zahl der Publikationen nicht der gestiegenen Zahl von Frauen in der Forschung entspricht.

Junge Frauen publizieren fast zehn Prozent weniger

Für einen „Gender-Report zur deutschen Forschungslandschaft“ (Mapping Gender in the German Research Arena) hat Elsevier Daten aus den sozialen Medien sowie die hauseigene Abstract- und Zitations-Datenbank Scopus ausgewertet, die bibliographische Angaben zu 57 Millionen Artikeln aus weltweit 21000 Fachzeitschriften aus allen Gebieten enthält. Zu den gravierendsten Befunden der Studie gehört, dass Frauen hinsichtlich der Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse etwas weniger produktiv sind als Männer. Im Schnitt publizieren sie jährlich 2,07 Aufsätze, bei den Männern sind es durchschnittlich 2,34 Publikationen.

Mit zunehmender Erfahrung in der Forschung nimmt die Produktivität der Wissenschaftlerinnen jedoch deutlich zu: Liegt die erste Publikation weniger als fünf Jahre zurück, beträgt der Abstand 9,9 Prozent, ab zehn Jahren, wenn forschende Frauen und Männer in der Regel leitende Positionen erreicht haben, verringert er sich auf 3,4 Prozent.

Am größten ist die Lücke indes "in der Mitte der wissenschaftlichen Laufbahn" - mit 17,6 Prozent. Für junge Frauen geht mit der geringeren Produktivität auch eine geringere Häufigkeit der Zitationen einher: Ihre Aufsätze werden zu 2,5 Prozent seltener zitiert als die ihrer männlichen Kollegen auf derselben Erfahrungsstufe, auf dem Senior-Level sind es nur noch 0,3 Prozent.

In Männerdomänen sind Frauen wesentlich produktiver

Bei der von Elsevier ermittelten Produktivität gibt es indes große Unterschiede zwischen den Fächergruppen. So seien Frauen in männlich dominierten Fächern überdurchschnittlich produktiv. So veröffentlichen Frauen in Physik und Astronomie jährlich 4,03 Publikationen, bei den Männern sind es 3,27.

Mit Erklärungen für die Geschlechterunterschiede ist der Report zurückhaltend. Allgemein ist die Rede von „Old Boys-Networks“, die Frauen womöglich ausschließen, von „familiären Verpflichtungen und anderen Hindernissen für ihre Karrieren“. Ein anderer Erklärungsversuch lautet: Weil der Frauenanteil in der Forschung erst in letzter Zeit stark gestiegen ist – von 28,2 Prozent in 2010 auf 30,9 Prozent in 2014 – seien die publizierenden Frauen insgesamt jünger als die Männer. Wenn die junge Frauenkohorte hochwachse, würden die Unterschiede geringer.

Mehr Programme zur Unterstützung junger Frauen gefordert

Elsevier empfiehlt der deutschen Forschungsförderung, mehr Programme zur Unterstützung junger Frauen aufzulegen. Dass gemischte Teams interdisziplinärer arbeiten, wird mit Verweis auf soziologische Studien darauf zurückgeführt, dass Frauen offener für Gruppenarbeit seien und sich leichter für neue Disziplinen begeistern ließen – und damit offenbar die Männer im Team anstecken. Ansätze der Forschungspolitik, die einerseits Interdisziplinarität und andererseits eine höhere Beteiligung von Frauen an Forschungsprojekten fördern wollten, könnten also beide Ziele gleichzeitig erreichen.

Weitere, qualitative Studien seien aber notwendig, etwa um zu klären, warum Frauen in Männerdomänen mehr publizieren. Öffentlich vorgestellt wird der Bericht am morgigen Freitag beim „Gender Summit 7 Europe 2015“ im dbb Forum in Berlin.

Zur Startseite