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Lager mit Parmesankäse

© IMAGO

Ernährung und Herzgesundheit: Gute Fette, böse Fette

Ein Team von Wissenschaftlern fand keine Hinweise darauf, dass gesättigte Fettsäuren das Risiko für Herzkrankheiten erhöhen. Doch es gibt Kritik.

Öl ist gesünder als Butter. Iss lieber fetten Fisch als fettes Fleisch, nimm lieber ein paar Nüsse mehr als zu viel Käse! Auch wenn Ernährungsexperten erbittert darüber streiten, welchen Anteil am kalorischen Budget Fett haben darf: Aus welchen Quellen es stammen soll, scheint klar zu sein. Besser ist es, Mahlzeiten „mediterran“ mit Olivenöl statt nordeuropäisch mit Butter und Sahne zuzubereiten. Und ab und zu Lachs, Makrele oder Hering auf den Tisch zu bringen.

Seit dänische Forscher in den 70er Jahren feststellten, dass selbst übergewichtige Inuits selten Herzinfarkte bekamen, ist Fischöl mit seinen Omega-3-Fettsäuren hoch im Kurs. So empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in ihrer Leitlinie zum Fettkonsum unter anderem, ein- bis zweimal in der Woche fetten Seefisch zu essen. Die American Heart Association rät, höchstens sieben Prozent der Gesamtenergie in Form gesättigter Fettsäuren zu sich zu nehmen. Es scheint also ausgemacht: Ungesättigte Fettsäuren sind gut für Herz und Gefäße. Sie verringern das Risiko, zu viel „böses“ LDL-Cholesterin im Blut zu haben und Arteriosklerose, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu bekommen.

Eine Auswertung von Studien mit 600 000 Teilnehmern aus 18 Ländern, die Rajiv Chowdhury von der Universität Cambridge und seine Kollegen heute in den „Annals of Internal Medicine“ vorlegen, könnte diese Empfehlungen ins Wanken bringen. „Was wir fanden, stützt die Herz-Kreislauf-Leitlinien nicht, die viel Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sowie mehrfach ungesättigter Fettsäuren und wenig gesättigte Fettsäuren empfehlen“, resümieren die Autoren.

Eine gesättigte Fettsäure aus Milchprodukten könnte dem Herzen sogar nützen

Für ihre Metaanalyse haben sie zunächst 32 Studien mit über 530 000 Teilnehmern unter die Lupe genommen, die über ihre Ernährung Buch führten und deren Gesundheit jahrelang verfolgt wurde. Dazu kamen 17 Beobachtungsstudien, in denen Bluttests gemacht wurden und 27 Arbeiten, in denen über 100 000 Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip entweder ein Scheinpräparat oder ungesättigte Fettsäuren als Nahrungsergänzung nahmen – vor allem Kapseln mit Omega-3- oder Omega-6-Fettsäuren. In einigen Studien wurden anfangs Gesunde, in anderen Menschen mit erhöhtem Risiko oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Vorgeschichte aufgenommen.

Zwar gebe es schwache Hinweise dafür, dass ein hoher Spiegel der zwei Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure und Eicosapentaensäure im Blut mit einem etwas geringeren Risiko für die Herzkranzgefäße einhergehen, berichten die Epidemiologen. Die Einnahme dieser Fettsäuren in Kapselform senke das Risiko jedoch nicht messbar. In die ausgewerteten Studien zur Nahrungsergänzung waren allerdings vorwiegend Teilnehmer mit einem hohen Risiko aufgenommen worden, räumen die Autoren ein. Man warte deshalb gespannt auf die Ergebnisse von zwei Untersuchungen zur Vorbeugung.

Spannend ist auch: Weder die Studien, die sich auf Ernährungsprotokolle und Fragebögen stützten, noch die mit Bluttests verbundenen Untersuchungen bestätigen die Empfehlung, zur Vorbeugung von Herzinfarkten tierisches Fett zu meiden und viel einfach ungesättigte pflanzliche Fette zu konsumieren. Die einen scheinen nicht mit erhöhtem Schutz, die anderen nicht mit erhöhtem Schaden verbunden zu sein. Eine gesättigte Fettsäure aus Milch und Milchprodukten, die Margarinsäure, könnte sogar in Maßen Herz und Gefäßen nützen. Die britischen Forscher mahnen allerdings zur Vorsicht bei der Deutung dieser Daten. Selbstauskünfte über die Ernährung sind notorisch unzuverlässig, und in die Blutwerte gehen auch der Kohlenhydrat- und Alkoholkonsum sowie Stoffwechselvorgänge ein.

Kein grünes Licht für allzu viel Steak und Burger

Aus der Fachwelt gab es bereits erste Kritik. So fürchtet der Epidemiologe Frank Hu von der Harvard School of Public Health, die Studie könne als „grünes Licht“ für bedenkenloses Steak- und Burger-Essen aufgefasst werden. Der „New York Times“ sagte er, der isolierte Blick auf einzelne Elemente der Ernährung sei überholt, Empfehlungen müssten sich eher auf das Gesamtpaket beziehen. Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke findet es ebenfalls problematisch, weitgehende Schlüsse aus Metaanalysen zu ziehen, in denen sehr unterschiedliche Studien zusammengewürfelt wurden. „Wichtig ist zum Beispiel, ob im Einzelfall gesättigte Fettsäuren gegen ungesättigte oder gegen Kohlenhydrate ausgetauscht werden“, sagt er.

Ein Punkt zeichnet sich in dieser Analyse und in früheren Studien deutlich ab: Zu viele Trans-Fettsäuren sollte man nicht zu sich nehmen, sie schaden Herz und Kreislauf. Diese Fettsäuren entstehen bei der industriellen Härtung pflanzlicher Öle, sie stecken oft in Fertigprodukten wie Keksen oder Tiefkühl-Pommes.

Die Debatte um die rund 20 Fettsäuren in der menschlichen Ernährung wird weitergehen. „Leitlinien müssen immer wieder überarbeitet werden“, sagt Schulze, der an der Neufassung der DGE-Empfehlungen zum Fettverzehr beteiligt ist. Sicher ist auch, dass man über Fettsäuren nicht alltagstauglich sprechen kann, ohne andere Bestandteile der Nahrung einzubeziehen – vor allem Gemüse und Getreideprodukte, deren Geschmack durch das Fett oft erst richtig zur Geltung kommt.

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