
© Wibke Neugebauer, Munich
Hautfarben und Eigelb: Ein Trick der alten Meister
Einst hielt man Eireste auf Gemälden für Verunreinigungen. Heute weiß man, dass Maler wie Botticelli bewusst Eigelb unter Ölfarben mischten. Experimente zeigen, warum.
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Schon das Anrühren von Ölfarben für Gemälde ist eine Kunst und viel altes Wissen dazu ist über die Jahrhunderte verloren gegangen. Etwa ab dem 15. Jahrhundert mischten Maler wie Leonardo da Vinci, Sandro Botticelli, Albrecht Dürer oder Rembrandt Proteine – etwa Eigelb – unter ihre Ölfarben.
In einer experimentellen Studie hat ein deutsch-italienisches Forschungsteam nun die Vorteile dieser Beimengung ermittelt. Dazu zählen unter anderem bessere Streichbarkeit, weniger Runzeln und Risse beim Trocknen und eine größere chemische Beständigkeit der Farben.
Es sei bekannt, dass Öl als Bindemittel für die Farbpigmente in Ölfarben ausreiche, schreibt die Gruppe um Ophélie Ranquet und Norbert Willenbacher vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Fachblatt „Nature Communications“. Allerdings wurden in Gemäldeproben auffällig oft auch Spuren von Proteinen etwa aus Ei nachgewiesen. „Lange Zeit dachte man, das seien Verunreinigungen“, sagt Willenbacher. Doch das regelmäßige Auftauchen solcher Bestandteile habe darauf hingedeutet, dass dahinter Absicht stand.
„Die Herstellung einer Farbe beinhaltet eindeutig mehr als nur die Vermischung des Pigments mit einem Bindemittel“, schreibt das Team. Noch im Mittelalter verwendeten italienische Maler vorwiegend Eitempera, also Pigmente vermischt mit Wasser und Eigelb als Bindemittel. Doch im Laufe des 15. Jahrhunderts kamen zunehmend Ölfarben in Gebrauch, und das führte vermutlich zumindest anfangs zu Problemen.
Als Beispiel nennt das Team das Bild „Madonna mit der Nelke“. Der noch junge da Vinci malte es um 1475. Das Gesicht der Madonna weist Runzeln auf, die vermutlich beim Trocknen der Farbe entstanden sind. „Das ist da Vinci sonst nicht passiert“, erläutert Willenbacher. „Wir vermuten, dass er den Ölfarben später Eigelb zugegeben hat.“
Das um 1490 entstandene Bild „Die Beweinung Christi“ von Botticelli enthält nachweislich in mehreren beprobten Arealen Eigelb. Schon in winzigen Mengen beeinflusst der Dotter etwa die Steifheit der Farben, gerade wenn sie nur geringe Pigment-Konzentrationen aufweisen.

© IMAGO/Heritage Images/IMAGO/? Fine Art Images/Heritage Images
In der Studie prüfte das Team auch verschiedene Vorgehensweisen beim Anmischen von Pigmenten mit Leinöl und Eigelb. So kann Eigelb entweder unter die bereits angerührte Ölfarbe gemischt werden, oder aber die gemahlenen Farbpigmente werden zuerst mit Eigelb vermengt, dann getrocknet und anschließend mit Leinöl verrieben, so dass sie im Öl von einer Proteinschicht umhüllt werden.
Das schützt Farben vor der Aufnahme von Feuchtigkeit aus der Umgebung und erlaubt zudem einen höheren Pigmentgehalt der Malfarbe bei gleichzeitig guter Verstreichbarkeit. Ein höherer Pigmentgehalt wiederum führt zu höherer Stabilität gegen Rissbildung und reduziert Gilbung und andere Farbveränderungen.
Gerade bei der nachträglichen Zugabe von Eigelb entstehen sehr steife Malfarben, die sich dick und gleichzeitig sehr leicht mit dem Pinsel auftragen lassen. Zudem verhindert die Festigkeit der unteren Schichten beim Trocknen das Aufplatzen der Farboberfläche und verhindert so Runzeln und Risse. Eigelb enthalte zudem Antioxidantien, die den ursprünglichen Farbton lange bewahren, schreibt das Team.
„Diese Analyse zwingt uns zu einer neuen Denkweise“, sagt Ko-Autor Patrick Dietemann von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München. „Es ergibt Sinn, Eizusätze in Ölfarben zu verwenden.“
Alte Meister wie Botticelli, da Vinci oder Rembrandt hätten proteinhaltige Bindemittel auf unterschiedliche Arten für ihre Kunstwerke genutzt, schreibt die Gruppe. Mit diesen Techniken hätten sie Probleme vermieden und sie „gaben uns damit die Möglichkeit, ihre Meisterwerke auch heute noch zu bewundern“.
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