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Knochen zum Laufen: Ein Millionen Jahre alter Sensationsfund.

© Image courtesy of John Gurche and Brian Richmond

Heute vor 23 Jahren: Älter als Lucy – der Mann des Millenniums

Seit wann gehen wir auf zwei Beinen? Ein Fossilienfund lieferte Antworten, eine Diskussion und vielleicht einen Vorfahren der Menschen.

Eine Kolumne von Lili Wolf

Brigitte Senut wusste sofort, dass ihr Fund bedeutungsvoll war. Und sie ahnte schon, dass er mit seinem Millionenjahre altem Staub Probleme und Diskussionen aufwühlen würde. Denn nach ihrer Interpretation stammte er von einem aufrecht gehenden Vorfahren des Menschen, der vor sechs Millionen Jahren gelebt hat. Damit wäre sie auf die bis dahin ältesten Hinweise von zweibeinigen Frühmenschen gestoßen.

Am 25. Oktober 2000, heute vor 23 Jahren, hatte die Paläoanthropologin Senut gemeinsam mit ihrem Ehemann Martin Pickford und einem Team in Kenia 13 Fossilien ausgegraben, die zu insgesamt fünf Individuen gehörten. Sie ordneten Zähne, Fingerknochen, Teile eines Unterkiefers und gebrochene Oberschenkelknochen einer neuen Gattung zu, die sie Orrorin tugenensis tauften. Orrorin bedeutet so viel wie „Urmensch“ in der Sprache der Tugen, dem ethnischen Volk, das am Ort der Grabungen lebt. Die Knochen wurden auch unter dem Namen „Millennium-Mann“ bekannt.

Seine kräftigen Oberschenkelknochen deuteten darauf hin, dass der Orrorin auf zwei Beinen gelaufen ist. Die Fingerknochen zeigen, dass er wahrscheinlich auch auf Bäume klettern konnte. Der „Millennium-Mann“ war mit 1,10 bis 1,37 Meter etwas größer als Lucy, dem berühmten, drei Millionen Jahre alten Skelett eines Frühmenschen, der auch auf zwei Beinen gelaufen ist.

Senut und Pickford erklärten die Gattung des Orrorin zu direkten Vorfahren des Menschen. Die These des Forscherehepaares war steil und löste, wie Senut schon geahnt hatte, Diskussionen unter ihren Kolleg:innen aus. Eine direkte Linie zwischen Orrorin und der Gattung Homo, zu der auch wir gehören, wurde infrage gestellt.

Acht Jahre später wurden Senut und Pickfords Funde deswegen noch einmal untersucht. Die Paläoanthropologen Brian Richmond und William Jungers analysierten die Knochen erneut und bestätigten: Der „Millennium-Mann“ konnte tatsächlich auf zwei Beinen laufen und datiert damit die Anfänge des aufrechten Gangs auf vor sechs Millionen Jahren, der sich im Laufe der Zeit bis zu unseren nahen Verwandten weiterentwickelt hat. Nach Richmonds Erkenntnissen ist der Orrorin aber kein direkter Ahne des Menschen, sondern ein sehr frühes Mitglied im menschlichen Stammbaum, aus dem sich unsere Vorfahren entwickelt haben.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der Tagesrückspiegel-Kolumne hier.

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