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Blutzuckermessung bei Diabetes.

© picture alliance / dpa

Möglicher Einfluss auf Spermienreifung: Hinweise auf Geburtsdefekte nach Einnahme von Diabetes-Medikament Metformin

Metformin ist das wichtigste orale Mittel bei Diabetes Typ 2. Eine Studie könnte jetzt als Warnung interpretiert werden. Doch noch ist vieles unklar.

Es ist billig und ziemlich effektiv darin, den Blutzucker zu senken. Und von manchen wird es auch jenseits der Diabetes-Behandlung als eine Art Wundermittel angesehen, etwa als Lebensverlängerer, Erbgutbeschützer und Verhüter von Krebs. Das Medikament heißt Metformin.

Entdeckt wurde es vor genau 100 Jahren. Es ist das meistgenutzte oral eingenommene Diabetesmittel weltweit. 2019 stand es bei der Zahl der Verschreibungen in den USA an Platz vier insgesamt.

Auch für Metformin gilt aber die alte Regel, dass es keine Wirkung ohne Nebenwirkung gibt. Insgesamt und im Vergleich zu vielen anderen Wirkstoffen gilt das Mittel zwar als sehr gut verträglich.

Gestörte Spermienreifung?

Doch dass es etwa zu Magen-Darm-Irritationen und auch Problemen mit dem Leberstoffwechsel führen kann, ist bekannt. Dass die Einnahme des Mittels sich auch problematisch auf Keimzellen auswirken und so die Möglichkeit von Geburtsdefekten erhöhen könnte, wird seit einiger Zeit vermutet. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2018 etwa zeigte, dass es Veränderungen in den Stammzellen von Rattenhoden auslöste. Ein Einfluss auf das Sexualhormon Testosteron könnte die Ursache sein.

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Der Verdacht erhärtet sich jetzt durch eine auf Menschen bezogene Studie. Bei Jungen, deren Väter in der Zeit der Spermienreifung – also in den drei Monaten vor Empfängnis durch die Partnerin – Metformin einnahmen, fanden sich in einer Datenauswertung in Dänemark erhöhte Raten an Missbildungen im Genitalbereich.

Prozentual wenig, aber absolut vielleicht viel

Dabei blieb das Risiko für solche Defekte insgesamt aber gering. Es lag, so der Hauptautor der Studie, Maarten Wensink, gegenüber dem Tagesspiegel, bei 0,9 Prozent. Das allerdings - also etwa einer von hundert Jungen - ist dreimal so hoch wie sonst im Mittel (0,24 Prozent). Laut Wensink sind die Fehlbildungen teilweise per Operation behandelbar. Die Jungen hätten aber oft auch ein erhöhtes Risiko für Hodenkrebs. Aufgrund der Tatsache, dass eben sehr viele Menschen Metformin einnehmen, könnte trotz des noch immer geringen Prozentsatzes die absolute Zahl der weltweit betroffenen Familien hoch sein.

(Lesen Sie hier über den Zusammenhang von Coronainfektionen und Diabetes.)

Allerdings sind nach Ansicht von Fachleuten weitere Studien vonnöten, um abzuklären, ob der statistisch klare Zusammenhang zwischen Metformin-Einnahme und Geburtsdefekten auch ein ursächlicher Zusammenhang ist. Denn es ist ebenfalls möglich, dass andere Faktoren eine Rolle spielen. So ist es etwa nicht auszuschließen, dass sowohl die Grunderkrankung Diabetes als auch Folgeleiden wie Übergewicht oder Verschiebungen bei den Blutfettwerten hier einen Einfluss haben.

Bei der Therapie bleiben

Oder die Gruppe Männer, der am ehesten Metformin verschrieben wird - im Gegensatz etwa zu Insulin, bei dem sich kein Zusammenhang mit der Häufigkeit von Geburtsfehlern  zeigte – hat aus anderen Gründen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Söhne mit solchen Defekten zu zeugen. Und da Insulin in der Blutzuckerkontrolle effektiver ist als Metformin, könnten die Befunde schlicht darauf zurückzuführen sein, dass hier die Diabetestherapie im Mittel weniger gut funktioniert, so Channa Jayasena, Andrologin am Imperial College in London. Denn die negativen Effekte von nicht optimal eingestelltem Diabetes auf die männliche Fortpflanzungsorgane seien längst klar belegt.

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Allerdings hat Wensinks Team die Daten so gut es ging auf den möglichen Einfluss solcher Faktoren überprüft: „Der Zusammenhang zwischen Metformin und Geburtsfehlern blieb konsistent nach statistischer Adjustierung potenzieller Störfaktoren“ sagte Wolfgang Rathmann, Leiter der Arbeitsgruppe Epidemiologie am Deutschen Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf dem Science Media Center Deutschland.

Einzigartige Datenbasis

Es sei aber „eindeutig zu früh“, anhand dieser einen Studie „eine Änderung der Therapieempfehlungen auszusprechen“. Seiner Meinung nach sollten also Metformin einnehmende Männer, die sich so verhalten, dass das Zeugen eines Kindes möglich ist, das Medikament auch weiterhin nutzen. Doch „sollten sich die Ergebnisse in mehreren Studien bestätigen, wäre eine Insulinbehandlung eine Alternative.“

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Der Studie liegen Daten aus Dänemark von Kindern, die zwischen 1997 und 2016 geboren wurden, sowie deren Eltern zugrunde. In Deutschland und den meisten anderen Staaten wäre sie nicht möglich gewesen, weil entsprechende Informationen nicht gezielt gesammelt werden. Sie ist jetzt in den Annals of Internal Medicine erschienen. Es wurde nur bei Männern der potentielle Einfluss von Metformin, Insulin und auch Sulfonylharnstoff (für den die Daten keine klare Aussage zulassen, für den aber auch Hinweise auf ein mögliches erhöhtes Risiko gefunden wurden) auf die Wahrscheinlichkeit von Missbildungen untersucht. Denn bei an Diabetes leidenden Frauen wäre es noch deutlich schwieriger, Defekte auf die Medikamente zurückzuführen. Sie sind schließlich über die gesamte Schwangerschaft mit dem Fötus verbunden und die möglichen Effekte der Erkrankung selbst ließen sich deshalb kaum von denen des Medikaments abgrenzen.

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