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Lachse im Fraser River nordwestlich von Clinton im kanadischen British Columbia

© Reuters/ Incident Command Post /Handout

In Flüsse gespülter Gummiabrieb: Gift aus Autoreifen tötet Lachse

Der Zusatzstoff „6PPD“ macht Autogummi haltbarer. Doch in Flüssen tötet das Gift Lachse binnen Stunden. Das haben jetzt Analysen in Seattle gezeigt.

Jeden Herbst ziehen Silberlachse aus dem Pazifik in die Flüsse Nordamerikas und Asiens, legen ihre Eier im Kiesbett der Flüsse ab oder besamen sie – und sterben dann. Doch der uralte Zyklus ist in Regionen mit starkem Straßenverkehr gestört. Dort verenden bis zu 90 Prozent der Silberlachse, bevor sie Nachwuchs zeugen.

Ursache dieses Fischsterbens könnte der Abrieb von Autoreifen sein, der bei Regen in die Gewässer geschwemmt wird, vermuten Forscher schon lange. Diesen Verdacht erhärten Zhenyu Tian und Edward Kolodziej von der University of Washington im US-amerikanischen Tacoma gemeinsam mit 25 Kollegen jetzt im Fachblatt „Science“: Eine „6PPD“ genannte Substanz, die weltweit dem Reifengummi beigemischt wird, um das Altern durch Versprödung zu verzögern, wandelt sich in der Umwelt offenbar zu einer für Silberlachse sehr giftigen Substanz um, dem 6PPD-Chinon.

Bereits weniger als ein Milligramm dieser Substanz in tausend Litern Wasser tötet die Hälfte aller jungen Lachse, die in solchem Wasser unterwegs sind, berichten die Forscher.

Der Nachweis gelang, als Tians Team aus 6PPD hergestelltes 6PPD-Chinon auf die Fische wirken ließen. Bereits nach 90 Minuten veränderten die Lachse ihr Verhalten, nach nicht einmal fünf Stunden waren die Fische verendet. Mischten die Forscher echten Abrieb von Autoreifen ins Wasser, beobachteten sie praktisch die gleiche Wirkung.

"Schlüssiger Nachweis"

„Die Studie liefert einen schlüssigen Nachweis, dass 6PPD für die Wirkung auf Silberlachse verantwortlich ist“, bestätigt Jörg Oehlmann von der Goethe-Universität in Frankfurt, der die Wirkung von Umweltchemikalien in Bächen, Flüssen und Seen untersucht.

Um den Reifenabrieb als Quelle des Gifts dingfest machen zu können, analysierte Tians Team sowohl das Regenwasser, das von den Straßen Seattles US-Bundesstaat Washington in die Flüsse und Seen geschwemmt wird. Das darin in erheblichen Mengen enthaltene 6PPD-Chinon fand sich nach heftigen Regenfällen in hohen Konzentrationen in den Gewässern der Regionen, in denen zeitgleich ein Massensterben der Silberlachse beobachtet wurden. Zu anderen Zeiten konnten sie die Substanz dagegen in den Gewässern nicht nachweisen.

Zusatzstoffe aus Autoreifen töten Lachse: Forscher Zhenyu Tian
Zusatzstoffe aus Autoreifen töten Lachse: Forscher Zhenyu Tian

© Mark Stone/University of Washington

Auch im Großraum Los Angeles und San Francisco fand sich 6PPD-Chinon in dem Wasser, das von den Straßen in die Gewässer gelangt. Offenbar entsteht 6PPD-Chinon, wenn das 6PPD im Reifengummi mit Ozon aus der Luft reagiert. Ozon entsteht unter anderem durch Stickoxide, die vor allem aus den Auspuffrohren von Autos in die Luft gelangen.

Da Ozon rasch mit dem Gummi der Autoreifen reagieren würde und diese daher schnell spröde würden, mischen die Hersteller überall in der Welt in den Reifengummi 0,4 bis zwei Prozent 6PPD. Es fängt das Ozon ab, bevor das Reifengummi angegriffen wird. Dabei entsteht das für Lachse aber vermutlich auch andere Süßwasserorganismen giftige 6PPD-Chinon.

Außerdem wird 6PPD zu Phenylendiamin und Benzotriazol abgebaut. Letzteres blockiert bei Wirbeltieren die Rezeptoren für das Sexualhormon Östrogen. Gelangt es in Gewässer, kann es Fischweibchen unfruchtbar machen, sagt Ökotoxikologe Jörg Oehlmann. „Benzotriazole werden etwa in den Tabs für Geschirrspülmaschinen eingesetzt, um das Anlaufen von Silber-Besteck zu verhindern“, und zum Enteisen von Flugzeugen.

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