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Knifflig. Wie sich Eisbären fühlen, ist an ihrer Mimik kaum abzulesen.

© Arno Burgi/dpa-Zentralbild/dpa

Gefühle der Wirbeltiere: In Großbritannien dürfen Eisbären weinen

Die britische Königin will gesetzlich anerkennen, dass Wirbeltiere fühlen. Passen die inneren Regungen von Tieren in die Kategorie „Gefühl“?

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„Ich möchte ein Eisbär sein, im kalten Polar“ sang Martin Eicher 1980. Die frostige Umgebung, die der Sänger der Band „Grauzone“ auswählte, darf als Hinweis darauf gelten, dass Eisbären nach seiner Einschätzung keine Gefühle haben. Am Ende des Liedes heißt es dementsprechend: „Eisbären müssen nie weinen.“

Dass ein Film aus Tränenflüssigkeit die Augen von Eisbären bedeckt, ist bekannt. Eine Mimik, die bei Menschen auch Tränen austreten und über das Gesicht fließen lassen kann, zeigen die Tiere dagegen kaum. Aber wie ist es mit den Gefühlen, die Menschen weinen lassen: Können Eisbären Trauer, Wut oder auch Freude verspüren, gerührt sein?

„Ja“, sagt die britische Regierung. Wirbeltiere seien sich ihrer Gefühle bewusst. Dass sie Freud und Leid empfinden und sich daraus Tierrechte ergeben, soll in dem Land gesetzlich verankert werden. Am Dienstag kündigte das Queen Elizabeth II. in ihrer traditionellen Regierungserklärung an.

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Begründete Verdachtsmomente bei Krebsen und Tintenfischen

„Die Wissenschaft ist der Gesetzgebung noch um einiges voraus“, sagt Norbert Sachser, Verhaltensbiologe an der Universität Münster. Die Gefühlswelt der Tiere sei ein hochaktuelles Forschungsfeld mit ständig neuen Erkenntnissen, auch zu Vertretern weiterer Tiergruppen wie Tintenfischen oder Krebsen.

In Großbritannien soll die gesetzliche Grenze zwischen fühlend und nicht-fühlend nun nicht mehr zwischen Mensch und Tier verlaufen und auch nicht zwischen Mensch und Eisbär, Zauneidechse oder Kabeljau. All diese Tiere sind Wirbeltiere. „Wir wissen, dass die körperlichen Voraussetzungen für Emotionen bei Tieren bis hin zu Fischen gegeben sind“, sagt Sachser.

Ein berühmtes Beispiel für die mögliche Gefühlswelt der Tiere sind Elefanten, die um verstorbene Artgenossen zu trauern scheinen. Ein Forschungsteam vom Zoo in San Diego hat Berichte davon ausgewertet. Einige Fälle dürften nach ihren im Fachjournal „Primates“ veröffentlichten Schlussfolgerungen auf eher gefühlskaltem Interesse lebender Elefanten an den Körpern gestorbener Artgenossen beruhen. Einige Tiere besuchten bestimmte Überreste aber immer wieder. „Es ist möglich, dass die Sekretionen der Schläfendrüsen eines jungen Weibchens am Kadaver ihrer Mutter mit einem Gefühlszustand zusammenhängen“, sagte die leitende Forscherin Shifra Goldenberg.

Die zurückhaltende Ausdrucksweise spiegelt ein grundsätzliches Problem wider: Zwar können Drüsensekretionen, Ohrstellungen, Herzschlag oder Hirnaktivitäten von Tieren gemessen werden. Ein Gefühl, als Teil des subjektiven Erlebens, ist objektiv aber nicht zu erfassen. Die Forscherin kann nicht schlussfolgern, wie sich das junge Weibchen bei seiner toten Mutter fühlt. Es ist schon bei zwei Menschen nicht möglich objektiv zu vergleichen, wie traurig sie nach dem Verlust einer geliebten Person sind.

Ein Gesetz, das die Grenze zwischen fühlend und nicht-fühlend weit ins Tierreich verschiebt, ist daher ein Ansatz der eine gewisse Sicherheit bietet, die Gefühle und die Rechte von Tieren nicht zu verletzen. „Vieles deutet aber darauf hin, dass noch weitere Tiere fühlen können“, sagt Sachser.

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