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Die Marker leuchten, wenn man sie bestrahlt..

© Polysecure

Kunststoff-Wiederverwertung: „Feenstaub“ hilft, mehr Plastik zu recyceln

Viel Kunststoff wird verbrannt statt recycelt, weil er sich schlecht sortieren lässt. Mit einer neuen Technik aus Deutschland könnte sich das jetzt ändern.

In vielen Teilen der Welt werden große Mengen an Plastikverpackungen einfach in der Natur entsorgt. Früher oder später landet er in Form kleinster Partikel als Mikroplastik in den Meeren und in der Luft. Doch selbst wenn Plastikmüll wie hierzulande in gelben Säcken entsorgt wird, wird etwa die Hälfte davon verbrannt – auch das belastet die Umwelt. Ein deutscher Physiker hat nun ein System entwickelt, mit dem sich mehr Kunststoff recyceln lässt.

Beim Recycling von Plastik gibt es ein Grundproblem: Kunststoffe wie Polyethylenterephthalat (PET) , Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) müssen sortenrein sein, um wieder zu Verpackungen werden zu können. Doch die meisten Folien und Verschlüsse setzen sich aus mehreren Kunststoffen zusammen. Außerdem enthalten sie Weichmacher oder Stabilisatoren, um ihre spezifischen Funktionen erfüllen zu können: zum Beispiel Käse und Wurst frisch zu halten oder bei Getränken zu verhindern, dass Kohlensäure entweicht.

Mit gängigen Sortiersystemen lassen sich die verschiedenen Stoffe kaum trennen. So ist es zwar möglich, den Plastik-Mischmasch chemisch in seine Grundbestandteile zu zerlegen, aber das ist energieaufwendig und teuer. Die Folge: Ein Großteil des recycelten Plastiks wird bestenfalls als Mülltonne oder Bauzaun verwendet oder zur verbrannt, um Energie zu gewinnen.

Der Feenstaub kommt auf den Barcode

Jochen Moesslein ist das zu wenig. Seine Idee: In Abstimmung mit den Händlern definiert er Verpackungen, je nachdem, welches Stoffgemisch sie enthalten. Dann markiert er sie so, dass die Sortieranlage später die einzelnen Verpackungen je nach Typus trennen kann. Dazu gründete der Physiker und Betriebswirt, der zuvor an der Stanford University geforscht und für ein Startup im Silicon Valley gearbeitet hat, in Freiburg die Firma "Polysecure".

Jochen Moesslein.
Jochen Moesslein.

© Polysecure

Seit Monaten führen der 55-Jährige und sein Team Verpackungsherstellern, Entsorgern und Politikern das gleiche Experiment vor: Sie markieren Kunststoffmaterial mit fluoreszierenden Markern, mischen die so markierten Verpackungen unter andere Plastikabfälle und schicken sie durch die Sortieranlage. In dieser fällt der gesamte Müll durch einen Vorhang aus unsichtbaren Laserstrahlen, in dem die Marker auf den Verpackungen hell aufleuchten und über die Farbe der Fluoreszenz in wenigen Millisekunden verlässlich erkannt werden. Ein Ablagesystem, vergleichbar mit einer Briefsortieranlage, verteilt die erkannten Verpackungsteilchen zielsicher in Container.

"Die Marker sind Kristalle, die wir neu synthetisiert haben", sagt Moesslein. Da es das Material für die Marker nirgendwo sonst gibt, können sie den Müll verwechslungssicher markieren. Um für unterschiedliche Stoffgemische Codes zu kombinieren, werden die Kristalle mit seltenen Erden versehen und auf das Etikett mit dem Barcode aufgebracht. "Die Mengen sind so gering, dass wir von Feenstaub sprechen", sagt Moesslein.

Der Haken: "Heute sind 1000 verschiedene Plastikspezifikationen auf dem Markt", sagt Moesslein. "Doch in so viele verschiedene Fraktionen zu sortieren, ist nicht realistisch." Die Branche müsste sich beschränken: 50 bis 100 verschiedene Kunststoffmixturen zu unterscheiden, wäre machbar.

Anreiz für mehr Recycling

Henning Wilts vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hält die Methode für ein gutes Verfahren. Der Druck auf die Branche nehme zu, in Deutschland fordert das Verpackungsgesetz der Bundesregierung bis 2022 eine Erhöhung der Kunststoff-Recyclingquote von 36 auf 63 Prozent. "Die Unternehmen wissen, dass sie in neue Anlagen investieren müssen und sind offen für Veränderung", sagt Wilts.

Die Millionen, die für die Entwicklung des Systems nötig waren, stammen von einer deutschen Unternehmerfamilie und dem Bundesforschungsministerium. Zwar verursacht das Sortierverfahren noch Kosten von 200 Euro pro Tonne Plastikmüll – doppelt so viel wie heutige Anlagen. Dennoch rechne sich die neue Technik, weil die exakte Trennung hochwertige Sekundärrohstoffe im Wert von 1000 Euro pro Tonne liefere, sagt Moesslein. So könnte Plastikmüll zu einem wertvollen Rohstoff werden. Besonders für weniger entwickelte Länder, in denen noch bis zu 40 Prozent des Kunststoffabfalls in der Umwelt landen, wäre das ein Anreiz für mehr Recycling.

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