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Ein junger Wissenschaftler hantiert im Labor mit Pipette und Petrischale.

© Getty Images/iStockphoto

Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag: Lasst uns endlich für faire Promotionsbedingungen sorgen!

Doktoranden generieren Fortschritt – und brauchen dafür einen klaren Rahmen und eine angemessene Bezahlung. Ein Gastkommentar.

Wissenschaftlicher Fortschritt ist elementar. Ohne ihn wird unsere Gesellschaft Krisen wie die Corona-Pandemie oder den drohenden Klimakollaps nicht überwinden. Doch ohne neue Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern können wir das nicht erreichen. Die Promovierenden dafür lassen sich nur gewinnen und halten, wenn es in der Wissenschaft von Beginn an gute Arbeitsbedingungen gibt.

Darum findet sich im Ampel-Koalitionsvertrag der Satz: „Wir tragen für eine verbesserte Qualitätssicherung der Promotion Sorge“. Denn die Zukunft des Wissenschaftsstandorts wird auch davon abhängen, ob wir überkommene Abhängigkeitsstrukturen in eine neue Promotionskultur überführen. Folgendes ist darum aus unserer Sicht zu tun:

Erstens, Promotionsprojekte müssen so ausgerichtet sein, dass man sie innerhalb von drei bis fünf Jahren abschließen kann. Zudem brauchen wir für Promotionen eine gesetzliche Mindestvertragslaufzeit. Diese sollte der üblichen Promotionsdauer entsprechen oder mindestens drei Jahre betragen. Daran anschließende Verlängerungen auf maximal sechs Jahre müssen angemessen sein.

Gestückelte Verlängerungen, um Druck auszuüben

Denn wir wollen kurzfristige, gestückelte Verlängerungen verhindern, die gerade zum Ende der Arbeit genutzt werden, um Druck auszuüben. Daneben müssen Zeiten von Kinderbetreuung, der Pflege von Angehörigen sowie Behinderung und Krankheit mit angerechnet werden. Das schließt auch flexible Arbeitszeiten ein, die gerade für Eltern zentral sind. Drittmittelprojekte müssen mindestens drei Jahre laufen, wenn der Bund sie fördert und darin Promotionen vorgesehen sind.

Zweitens wollen wir eine Promotionsbegleitung auf Augenhöhe. Dafür soll es verpflichtende Vereinbarungen zwischen Doktorandin oder Doktorand und Promotionsbegleitung geben. So lassen sich gegenseitige Rechte und Pflichten vor Beginn einer Promotion verbindlich festlegen. Denn wer gut forscht und lehrt, ist nicht automatisch gut darin, Menschen zu begleiten. Darum wollen wir eine Bundesförderung zur Qualifizierung als Promotionsbegleiterinnen und -begleiter.

Dreierkombo aus den Porträts der Autor:innen.
Die Gastautor:innen dieses Beitrags.

© phototek.net; privat; SPD-Fraktion Bremen

[Die drei Autor:innen gehören der SPD an. Wiebke Esdar (links) ist Bundestagsabgeordnete und war Mitglied der SPD-Verhandlungsgruppe für den Wissenschaftsteil des Koalitionsvertrags. Martin Grund (Mitte) ist Experimentalpsychologe und Vorsitzender des Wissenschaftsforums Mitteldeutschland. Eva Quante-Brandt (rechts) ist Mitglied der Bremischen Bürgerschaft und war dort Senatorin für Wissenschaft und Gesundheit (2012-2015).]

Zusätzlich ist es nötig, dass Promotionen künftig rein von externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bewertet werden. Denn Doktorandinnen und Doktoranden sind derzeit dreifach von ihren Doktorvätern und -müttern abhängig. So ist oft dieselbe Person Vorgesetzte*r, Betreuer*in und Prüfer*in. In vielen Fällen läuft das sehr gut. Doch bleibt immer ein Machtungleichgewicht, das oft auch zu Interessenkonflikten und Abhängigkeiten führt.

Drittens wollen wir, dass die Mitbestimmungsrechte an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gestärkt werden. Die bestehenden Interessenvertretungen sollen besser unterstützt werden. Dazu gehört zum Beispiel, dass Gewerkschaften und Wissenschaftsbetriebe tariflich Befristungsregeln vereinbaren können, also die Tarifsperre abschafft wird: Weil es wichtig ist, dass Promovierende aktiv für ihre Interessen eintreten können.

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Dafür sollten Konvente der Doktorand*innen oder Promovierenden-Vertretungen die Regel sein. Auch müssen ihnen Plätze in Gremien wie dem Akademischen Senat und den Berufungskommissionen zustehen, wie das etwa in Bremen bereits der Fall ist.

100 Prozent Arbeit verdient auch 100 Prozent Bezahlung

Viertens müssen Promotionsstellen endlich entsprechend der geleisteten Arbeit entlohnt werden. Das heißt, 100 Prozent Arbeit verdient auch 100 Prozent Bezahlung. Zudem soll die Hälfte der entlohnten Arbeitszeit zur Verfügung stehen, um sich der eigenen Promotion widmen zu können – denn dafür sollte nicht nur nach Feierabend oder an Wochenenden Zeit sein.

Dabei ist es wichtig, dass der Bund beispielgebend ist und diese Ziele zur Voraussetzung macht, um öffentliche Fördergelder zu erhalten. Das gilt gerade für Drittmittel. Genauso wichtig ist aber, dass für öffentlich finanzierte Promotionsstellen Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes gelten.

Und fünftens muss von Anfang an klar sein, welche Voraussetzungen zu erfüllen sind, um nach Promotionsabschluss entweder langfristig im Wissenschaftsbetrieb oder in der freien Wirtschaft tätig sein zu können. Wer auch später in der Wissenschaft arbeiten möchte, soll nach einem Orientierungsjahr als Postdoc damit rechnen können: entweder durch eine Dauerstelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder den Tenure-Track in Richtung Professur. Wer hingegen sich Richtung freier Arbeitsmarkt orientiert, muss sich bereits während der Promotion darauf vorbereiten können. Dazu sind umfassende Supervision und Mentoring zentral.

Am Ende gilt: Wer für seine Promotion forscht, schafft neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Davon profitiert die ganze Gesellschaft. Wie zentral das ist, zeigt uns die Corona-Pandemie. Deshalb sollte uns allen wichtig sein, für beste Promotionsbedingungen in Deutschland zu sorgen. Nur so können wir aus vielfältigen Perspektiven belastbares und nachhaltiges Wissen für unsere Gesellschaft gewinnen.

Martin Gr, ; Wiebke Esdar; Eva Quante-Brandt

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