
© Julia Walter/IGB
Leben regt sich in der Oder: Fischbestände erholen sich nach Umweltkatastrophe
Die Fischbestände in der Oder erweisen sich als widerstandsfähig. Bei der Erholung vom großen Sterben vor bald drei Jahren half auch eine Eigenheit dieses Flusses.
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Die Bilder vom Fischsterben in der Oder im Sommer 2022 sind vielen noch präsent. Schätzungsweise 1000 Tonnen Fische schwammen bauchoben an der Oberfläche des deutsch-polnischen Grenzflusses. Außerdem starben massenhaft Schnecken und Muscheln.
Noch im vergangenen Jahr waren die Fisch- und Muschelbestände um mehr als die Hälfte dezimiert. Doch nun melden Forschende vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, dass sich zumindest die Fischbestände erholen.
Alle Arten sind noch da
Ein Team um den Biologen Christian Wolter vom IGB untersucht die Resilienz der Fische, ihre Fähigkeit, sich von Bestandseinbrüchen zu erholen, im letzten durchlässigen Flusssystem Europas, das die Tiere von der Mündung noch weit hinauf wandern können. Seit 1998 befischen die Forschenden die Strommitte und Uferabschnitte zu Forschungszwecken – mindestens dreimal im Jahr. Die Langzeitdaten ermöglichten es, das Ausmaß des Fischsterbens einzuschätzen. Je nach Oderabschnitt ging die Fischdichte um bis zu 76 Prozent zurück. Jetzt liegen neue Ergebnisse vor.
„Die erste gute Nachricht lautet, dass alle Arten überlebt haben“, wird Wolter in einer Mitteilung des IGB zitiert. Doch größere Fischarten und Fische, die in der Flussmitte leben, waren stärker betroffen. Arten, die sich bevorzugt in Nähe des Ufers aufhalten, überstanden die starke Vermehrung der Goldalge besser. Diese hatte unter den herrschenden Bedingungen Giftstoffe freigesetzt, die das Fischsterben verursachten. Im Uferbereich trat sie aber in geringeren Mengen auf.
Eine weitere gute Nachricht: Die Bestände erholen sich. „2023 gab es ein langanhaltendes Frühjahrshochwasser und damit gute Aufwuchsbedingungen“, berichtet Wolter. Außerdem gab es vor der Laichzeit der Tiere eine Fangpause für die Berufsfischer. „Deswegen hatten wir eine super Startkohorte mit sehr vielen Jungfischen“, so der Biologe.
Die Forschenden gehen davon aus, dass alle Bestände sich bis 2026 beziehungsweise 2027 erholen können. Einzelne Fischarten sind bereits so weit: Gründlinge etwa hatten bereits nach einem Jahr ihre vorherige Bestandsgröße erreicht.
Mobil und vermehrungsfreudig
Zwei Eigenschaften helfen den Fischen: ihre Vermehrungsfähigkeit und ihre Mobilität. Ein Fisch kann bis zu eine Million Eier produzieren. Im Frühling 2023 waren große Flächen zum Laichen vorhanden. Dann schlüpfen auch viele Fische. „Das heißt, man braucht nur wenige Individuen und kann trotzdem einen starken Jahrgang haben, wenn die Bedingungen stimmen“, so Wolter.
Die Tiere können sich in ihrem Lebensraum auch schnell bewegen – zumindest, wenn die Wege wie in der Oder nicht mit Staustufen und Wehren verbaut sind. So konnten sich die Fische im Jahr 2022 auch aus Bereichen zurückziehen, in denen sich die Goldalge stark vermehrt hatte. Sie überlebten in sauberen Nebenarmen oder Uferbereichen.
„Befestigte Ufer und Wanderhindernisse im Wasserlauf, die bewirken, dass Fische nicht in Nebengewässer ausweichen können, schränken die Resilienz von Fischen aber deutlich ein“, sagt Wolter. Wie wehrhaft Individuen und Populationen sind, hänge wesentlich davon ab, wie naturbelassen die Umgebung ist, in der sie leben.
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