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Medizin: Chance auf ein besseres Überleben

Noch immer führt eine schwere Lungenentzündung bei jedem Zehnten zum Tod. Neue Ansätze für eine Therapie sollen helfen.

Mehr als 70 Jahre ist es her, dass die britischen Mediziner Mary Evans und Wilfrid Gaisford einen Durchbruch erzielten. Sie belegten, dass das Antibiotikum Sulfapyridin gegen bestimmte Lungenentzündungen wirksam ist. Nur acht Prozent der Patienten, die das Mittel bekommen hatten, starben an dem Leiden, aber 27 Prozent der Kranken, denen ein Scheinpräparat verabreicht wurde.

Auch heute stirbt an einer schweren Lungenentzündung noch jeder Zehnte. Aber wer heute dem Leiden erliegt, ist deutlich älter und vor allem viel schwerer krank. Für einige von ihnen ist der oft relativ sanfte Tod durch eine Lungenentzündung, dem „Freund des alten Menschen“, zudem eine Erlösung. „Es gibt natürlich Verbesserungen in der Therapie, und mit der Beatmung steht uns eine Möglichkeit zur Verfügung, die es 1938 noch nicht gab“, urteilt Norbert Suttorp, Infektionsexperte an der Charité. Suttorp ist mit diesen Fortschritten allerdings nicht zufrieden. „Die Patienten, die wir nicht retten können, sterben, obwohl sie rechtzeitig das eigentlich passende Antibiotikum bekommen haben.“

Offensichtlich reicht es nicht, den Bakterien den Garaus zu machen. „Wir brauchen zusätzliche Therapien“, fordert der Mediziner. Auf einer Konferenz zum Immunsystem der Lunge und zu Lungenentzündungen trafen sich nun in Berlin Experten, um zu diskutieren, wie man das Immunsystem beim Kampf gegen die Infektion der Lunge stärken kann.

Ein Ansatzpunkt ist die Beobachtung, dass Menschen nach einem Schlaganfall besonders häufig der Infektion erliegen. Schon länger ist klar, dass bei ihnen das Immunsystem deutlich geschwächt ist. Da sie noch dazu häufig unter Schluckstörungen leiden, durch die Nahrungspartikel in die Atemwege gelangen, ziehen sie sich besonders leicht eine Lungenentzündung zu. „Wenn wir den Mechanismus verstehen, durch den bei Schlaganfall-Patienten die Abwehr gestört ist, können wir das Herunterfahren der Infektabwehr vielleicht verhindern“, hofft Suttorp.

Eine zweite Strategie könnte aus der Erkenntnis entstehen, dass die Abwehrzellen des Immunsystems in der Lage sind, bei Krankheitserregern zwischen tot und lebendig zu unterscheiden. „Wenn das Bakterium tot ist, etwa dank eines Antibiotikums, fahren sie die Immunabwehr zurück“, erläutert Suttorp. Nun wird nach Wegen gesucht, ihnen die Information darüber geschickt vorzuenthalten.

Am weitesten fortgeschritten ist die dritte Strategie im Kampf gegen das Leiden, an dem in Deutschland in jedem Jahr rund 740 000 Menschen erkranken – 240 000 so schwer, dass sie in einer Klinik behandelt werden. Sie basiert auf der Beobachtung, dass die Infektionen mit einer erhöhten Durchlässigkeit der Blutgefäße einhergehen. Das ist deshalb gefährlich, weil der lebenswichtige Gasaustausch in der Lunge erschwert wird. Körpereigene Eiweißstoffe wie Adrenomedullin, das vom Lungengewebe selbst gebildet wird, könnten hier korrigierend eingreifen. „Dieser Ansatz für eine zusätzliche Therapie ist schon am weitesten fortgeschritten“, berichtet Suttorp. Demnächst werde an der Charité mit einer ersten Studie begonnen.

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