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Ein Mathematiklehrer vor Schüler in einer Berliner Sekundarschule.

© Kitty Kleist-Heinrich

Update

15 Millionen Euro für Lehrer-Ausbildung: Mehr Geld und Personal für Berliner Unis

Berlin braucht Lehrer: Ab 2022 sollen die Unis jährlich 2000 angehende Lehrkräfte hervorbringen. Deshalb schießt der Senat jetzt 15,4 Millionen Euro nach.

Als der Senat den Berliner Unis mit den neuen Hochschulverträgen für die Jahre 2018 bis 2022 verordnete, ihre Kapazitäten in der Lehramtsausbildung stark auszubauen, akzeptierten sie dies nur zähneknirschend. Vier Mal so viele Studierende im Grundschullehramt, doppelt so viele wie bisher im Lehramt für die Integrierten Sekundarschulen (ISS) und die Gymnasien? Kaum zu schaffen, hieß es.

Aber dringend notwendig, um den steigenden Bedarf an ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern zu stillen, den die wachsende Stadt bekanntlich hat. Deshalb legt das Land Berlin jetzt nach – mit dem Sonderprogramm „Beste (Lehrkräfte-)Bildung für Berlin“, mit dem zusätzlich 15,4 Millionen Euro an die Unis fließen.

Dabei erhalten die vier lehrerbildenden Universitäten der Stadt für diese Herausforderung aus den Hochschulverträgen bereits zusätzlich 86 Millionen Euro, unter anderem, um 28 Professuren und 147 Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter neu zu schaffen. Doch das reicht offenbar nicht aus, um das ehrgeizige Ziel von 2000 Absolventen pro Jahr zu erreichen.

Müller: Fordern nichts, was Unis nicht leisten können

„Es ist nicht so, dass wir den Unis etwas überhelfen, das sie nicht leisten können“, sagte Michael Müller (SPD), der Regierende Bürgermeister und Wissenschaftssenator, am Donnerstag bei der Vorstellung des Programms im Roten Rathaus.

Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD), der das Sonderprogramm über Monate mit den Unis vorbereitet hat, gab auf Nachfrage aber zu, dass der „Kapazitätsausbau jetzt mit zusätzlichen Professuren unterstützt wird“. Sie bräuchten diese neuen Stellen, um die hohe Anzahl der Studierenden zu betreuen.

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Konkret werden mit den 15,4 Millionen Euro an erster Stelle sieben weitere Professuren „für Fächer bereitgestellt, die im Rahmen des aktuellen Kapazitätsausbaus nachweislich Schwierigkeiten haben, das zur Zielerreichung notwendige Studienangebot bereitzustellen“. Das geht aus einem neunseitigen Papier zum Sonderprogramm hervor.

Neue Professuren für digitale Bildung

Gleichzeitig will das Land mit den Stellen neue Schwerpunkte zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen schaffen. Mit je einer Professur an der Freien Universität (FU), der Humboldt-Universität (HU) und der Technischen Universität (TU) für „Bildung in der digitalen Welt / Medienbildung“ wird auf die Digitalisierung des Unterrichts während und nach der Coronakrise reagiert – und wohl auch auf den schwierigen Umgang mit Fake News und Verschwörungstheorien nicht nur in Zeiten der Pandemie.

In ähnlich gesellschaftspolitische Richtungen gehen die neuen Professuren für „Transformative Bildung / Nachhaltige Entwicklung“ und für „Demokratiebildung“. Alle Professuren sollen Michael Müller zufolge großzügig mit unbefristeten wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen ausgestattet werden. Für sie stehen 1,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Gemeinsam mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will Müller aber auch das gesamte Lehramtsstudium inklusive des Quereinstiegs renovieren – alles mit dem Ziel, mehr Kandidatinnen und Kandidaten zum Studienerfolg und in Berliner Schulen zu bringen. Das beginnt mit Maßnahmen, die dem Studienabbruch entgegenwirken sollen.

Damit von den derzeit jährlich 3000 Studienanfängern in den Lehrämtern tatsächlich 2000 im Jahr in den Vorbereitungsdienst der Schulen kommen, muss offenbar noch viel passieren. Jetzt sollen zusätzliche Mittel in Tutorien und Mentoring-Programme fließen, um die Studierenden besser durch Bachelor und Master zu bringen.

Mangelfach Mathematik als Zusatzfach studieren

Das 2014 eingeführte Praxissemester im Master soll erleichtert werden. Zum einen soll es von mehr Schulen als bisher angeboten werden - unter anderem durch ein Praktikumsplatz-Portal. Zum anderen sollen die Unis auch schulische Nebenjobs von Studierenden, etwa im Programm "Unterrichten statt Kellnern", leichter anerkennen. Verbessert werden soll auch die Verzahnung von Uni und Schule im Praxissemester.

Der Quereinstiegs-Master wird erstmals für Bachelorabsolventen in den MINT-Fächern aus den Fachhochschulen geöffnet. Bereits an Schulen arbeitende Lehrkräfte und Quereinsteiger sollen im Studienzentrum Steps berufsbegleitend ein zusätzliches Fach studieren können. Als erstes wollen die Unis hier das Mangelfach Mathematik an der Grundschule anbieten. Öffnen will der Senat den Quereinstieg auch für Lehrkräfte aus dem Ausland.

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Und noch eine empfindliche Stelle, an der Berlin potenzielle Lehrkräfte verloren gehen, haben Müller und Scheeres identifiziert: Sie wollen einen "nahtlosen Übergang zum Vorbereitungsdienst und in den Schuldienst" ermöglichen. Schon im Referendariat sollen "insbesondere in den Mangelfächern" Einstellungsgarantien ausgesprochen werden. Also doch keine Garantie für alle.

Was in Zukunft Mangelfach werden kann und in welchen Schularten besonders viele Lehrkräfte gebraucht werden - das soll künftig ein neues Institut ermitteln. So wolle man "stets über verlässliche Angaben zu Lehrkräftebedarfen verfügen", heißt es.

Sandra Scheeres betonte aber, dies sei nur für das "Feintuning" notwendig. Ansonsten habe die Bildungsverwaltung beim Lehrkräftebedarf immer sehr gut geplant.

Der mit dem Sonderprogramm auf über 100 Millionen Euro gewachsene Zuschuss für eine effektivere Berliner Lehrkräfteausbildung soll offenbar kontrolliert ausgeben werden. Jedenfalls plant die Senatskanzlei Wissenschaft eine externe Evaluation der universitären Studiengänge. Die Unis selber werden eingespannt, um den Erfolg der Berliner Schulreformen zu bewerten. "Künftig wird es keine Schulreform ohne wissenschaftliche Begleitung geben", heißt es [den Link zum kompletten Maßnahmenpapier zum Sonderprogramm finden Sie hier].

GEW: Grundschul-Referendariat für alle öffnen

Die GEW Berlin vermisst ein "durchdachtes Konzept" zur Reform der Lehrerbildung. Kritisiert wird etwa die Veränderung im Praxissemester. „Wenn künftig reine Unterrichtstätigkeit, zum Beispiel als Vertretungslehrkraft, auf das Praxissemester angerechnet werden soll, konterkariert das dessen Ziel innerhalb der universitären Ausbildung. Es geht um forschendes Lernen und die begleitete Reflexion des eigenen Unterrichts, und zwar in Verantwortung der Universitäten“, erklärte der GEW-Vorsitzende Tom Erdmann.

Zudem müssten die Ausbildungskapazitäten für Quereinsteiger und Quereinsteigerinnen, die bislang oft ein Jahr lang unterrichteten, bevor sie weitergebildet werden, deutlich erweitert werden.

Was außerdem fehle, sei die Möglichkeit für Absolventen im Lehramt ISS/Gymnasium, das Referendariat an einer Grundschule zu absolvieren. „Aufgrund des sehr hohen Einstellungsbedarfs in den Grundschulen werden immer mehr fertig ausgebildete Lehrer*innen mit ISS-Gymnasialausbildung in den Grundschulen eingestellt", erklärt Erdmann. Ihnen müsse auf Wunsch auch das Referendariat für die Grundschule ermöglicht werden.

Obwohl andere Bundesländer wie Hessen dies schon erfolgreich praktizierten, blocke die Bildungsverwaltung diesen Vorschlag ab.

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