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Die Symptome der Wechseljahre, wie etwa Schlafstörungen können ganz unterschiedlich sein und heftig.

© dpa/Sebastian Gollnow

Mythen und Medizin der Menopause: Was Hormontherapie in den Wechseljahren bewirken kann

Hitzeflash, Wutanfall, Watte im Gehirn: Die Symptome der Wechseljahre können ganz unterschiedlich sein und heftig. Neun Fragen und Antworten zu typischen Beschwerden und Gegenmitteln

Von Annett Stein

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Mythen, Unsicherheiten, längst überholte Annahmen: In kaum einem Gesundheitsbereich gibt es so viele wie beim Thema Wechseljahre. Ganz besonders gilt das für die Menopausale Hormontherapie, oft noch Hormonersatztherapie genannt, die Frauen mit erheblichen Wechseljahresbeschwerden helfen soll.

1 Menopause: Was ist das genau?

Die menopausale Transition beschreibt den Übergang von der reproduktiven Lebensphase zur dauerhaften Unfruchtbarkeit der Frau. Sie ist mit deutlichen hormonellen Veränderungen verbunden. Wechseljahre oder Klimakterium sind Begriffe für die gesamte Übergangsphase, die meist zehn bis 15 Jahre dauert. Derzeit sind in Deutschland etwa neun Millionen Frauen in den Wechseljahren, wie es von der Deutschen Menopause Gesellschaft (DMG) heißt.

51
Jahre sind Frauen im Durchschnitt beim Eintritt der Menopause alt.

Oft wird der Begriff anders verwendet, tatsächlich bezeichnet „Menopause“ aber ausschließlich den Zeitpunkt der letzten Menstruationsblutung und wird rückblickend bestimmt, wenn zwölf Monate keine Periode mehr aufgetreten ist. Im Mittel tritt die Menopause im Alter von 51 Jahren ein. Der bereits vor der Geburt angelegte Eizellenvorrat ist dann erschöpft. Dieser Zeitpunkt blieb unverändert, auch wenn Frauen heute im Mittel deutlich länger leben und mit 50 meist noch deutlich fitter sind als Frauen vor 50 oder 100 Jahren.

„Springfluten und Tsunamis statt Ebbe und Flut“

„Die meisten Frauen denken, dass sie noch keine Wechseljahressymptome haben, solange ihre Periode halbwegs pünktlich kommt“, sagt DMG-Präsidentin Katrin Schaudig. Doch schon mit Ende 30 oder Anfang 40 können erste Zyklusveränderungen und Beschwerden wie Stimmungsschwankungen auftreten. Sie sind erste Anzeichen der beginnenden Wechseljahre.

In der Perimenopause, meist zwischen 45 und 50 Jahren, wird der Zyklus zunehmend unregelmäßig, es kommt zu Zwischenblutungen und längeren Blutungspausen. Schwankungen der Spiegel beider zyklusbestimmenden Hormone Progesteron und Östrogen, prägen diese Phase.

„Das sind dann Springfluten und Tsunamis beim Hormonlevel statt Ebbe und Flut wie zuvor im Zyklus“, sagt Schaudig. Es könne zu psychischen Problemen kommen. Gegen Ende der Perimenopause sinkt der Östrogenspiegel deutlich. Beschwerden wie Hitzewallungen und Schlafstörungen häufen sich.

Die Postmenopause nach der Menopause ist von zunehmend niedrigen, aber stabileren Spiegeln beider Sexualhormone geprägt. Das Risiko für Herz-Kreislauf- und Knochenerkrankungen erhöht sich, auch andere Langzeitfolgen wie Veränderungen der Haut, Schleimhaut und Körperzusammensetzung sind typisch.

In jeder Phase sind Symptome und Beschwerdeniveau individuell sehr verschieden, wie Experten betonen. Zudem halten die Probleme meist nicht stetig an, sondern flammen periodisch auf. Jeweils etwa ein Viertel der Frauen hat starke, nur leichte, zeitweise deutliche oder gar keine Beschwerden, wie Olaf Ortmann von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Regensburg sagt.

Die Lebensqualität vieler Frauen ist unnötig schlecht.

Katrin Schaudig, Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft

Zudem haben die Wechseljahre eine höchst unangenehme Eigenart: „Je früher die Symptome einsetzen, desto länger halten sie meist an“, erklärt Ortmann. „Es kann drei Jahre dauern, aber auch 15 Jahre.“ Manchmal gebe es bestimmte Symptome in abgeschwächter Form sogar lebenslang. „Hitzewallungen sind - extrem selten - auch noch mit 80 möglich.“

2 Wechseljahre oder Alterung: Lässt sich das für jedes Symptom unterscheiden?

Nein. Als klassisches mit Änderungen des Hormonspiegels zusammenhängendes Symptom gelten Hitzewallungen, verbunden mit heftiger Schweißbildung, vor allem nachts. Im Mittel haben Frauen in den Wechseljahren mehr als sieben Jahre lang häufig Hitzewallungen, das heißt an mehr als sechs Tagen innerhalb von zwei Wochen, wie es in der von Fachgesellschaften erarbeiteten Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen“ heißt. Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit, Stimmungsschwankungen, Ängste, sexuelle Probleme und Gelenkbeschwerden sind Symptome, die verschiedene Ursachen haben können, bei denen sich aber Schaudig zufolge eine Häufung und Verstärkung in den Wechseljahren zeigt.

Vielfach lasse sich nicht klar sagen, was auf die Wechseljahre zurückgehe, die selbst auch Teil des Alterungsprozesses seien, sagt der Leitlinienkoordinator Ortmann. Auch Stress und Belastung im Alltag bestimmen demnach mit über die Ausprägung von Symptomen, gerade bei Frauen um die 50.

Stark betroffen sind Experten zufolge oft sozial benachteiligte Frauen, die unter großem Druck stehen und wenig Chancen haben, sich selbst Wohlbefinden und Freiräume zu schaffen. Dazu passt, dass Wechseljahresbeschwerden Studien zufolge in Gesellschaften, in denen ältere Menschen hohes Ansehen genießen, also bei Frauen mit eher großem Wohlbefinden, kaum oder gar keine Rolle spielen.

3 Schafft es mehr Klarheit, wenn ich meinen Hormonstatus bestimmen lasse?

Nicht generell. In der Perimenopause schwankt der Hormonstatus stark, Experten zufolge teils um das 20-fache. Er gibt den Stand innerhalb der Wechseljahre darum nicht gut wieder. „Die verschiedenen Phasen des menopausalen Übergangs können überwiegend anhand klinischer Kriterien diagnostiziert werden“, heißt es in der derzeitigen Leitlinie. „Hormonbestimmungen sind in der Regel nicht erforderlich.“

Bei bestimmten Problemen wie Herzrasen, erhöhtem Blutdruck oder depressiven Verstimmungen könne es aber durchaus sinnvoll sein, den Hormonstatus mit in den Blick zu nehmen, sagt Ortmann. Immer wieder bekommen Frauen mit Schlafproblemen ein Schlafmittel und mit Stimmungstief ein Antidepressivum verschrieben oder landen mit Gelenkschmerzen beim Orthopäden oder Rheumatologen, ohne dass an die Wechseljahre gedacht wird.

4 Was kann ich gegen Beschwerden tun?

Experten betonen, dass sich Beschwerden gut über Ernährung, Sport, achtsames Verhalten und gezielte Entspannungsübungen vermindern lassen. „Es gibt viele Dinge, die man selbst tun kann“, sagt Ortmann. Bei Hitzewellen könne es zum Beispiel schon helfen, die Raumtemperatur im Schlafzimmer zu senken. Auch pflanzliche Mittel würden von vielen Nutzerinnen als hilfreich bewertet.

Hitzewallungen können von starkem Schwitzen begleitet sein.

© dpa/Arno Burgi

„Wenn erhebliche Symptome vorhanden sind, ist mit pflanzlichen Mitteln aber nicht viel zu bewirken“, betont Ortmann. Gerade Hitzewallungen alle paar Stunden oder wochenlang anhaltender Schlafmangel könnten derart quälend sein, dass Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit erheblich leiden. Manche Frauen gingen deswegen sogar früher als geplant in Rente, sagt Schaudig. Mit der richtigen Hormontherapie ließe sich das vielfach vermeiden. „Die Lebensqualität vieler Frauen ist unnötig schlecht.“

Die Wirksamkeit der Menopausalen Hormontherapie (MHT) ist demnach gerade bei Hitzewallungen und Schlafproblemen hoch. Der Begriff ist noch recht neu, über Jahrzehnte war die Behandlung als Hormonersatztherapie (HRT) bekannt. Die neue Bezeichnung soll den normalen Hormonabfall in den Wechseljahren stärker in den Fokus rücken und das Missverständnis vermeiden, es müssten Hormone ersetzt werden, die eigentlich da sein sollten, wie Ortmann erklärt. Das sei zum Beispiel bei einer Schilddrüsenunterfunktion der Fall, aber eben nicht bei den Wechseljahren.

Ärztlicher Rat hilft, die richtigen Mittel gegen Beschwerden zu finden.

© dpa/Uwe Anspach

Zum Einsatz kommt in Deutschland überwiegend über die Haut verabreichtes Östradiol, um Symptome abzumildern. Ergänzend wird oft Progesteron als Kapsel verschrieben, um die Schleimhaut der Gebärmutter vor übermäßiger Wucherung durch Östrogene zu schützen. Zudem können damit Schlafstörungen gemildert werden.

5 Kann ich von der Hormontherapie Brustkrebs bekommen?

Die verbreitete Sorge, dass die Hormontherapie das Brustkrebsrisiko deutlich vergrößert, geht unter anderem auf die 2002 veröffentlichte WHI-Studie (Women's Health Initiative) zurück. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, weil bei einer Teilgruppe ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko festgestellt wurde.

Bei den Teilnehmerinnen handelte es sich vor allem um ältere Frauen nach den Wechseljahren, die oral verabreichte Östrogene in Kombination mit einem bestimmten Gestagen bekamen. Nachfolgende Auswertungen zeigten, dass bei frühzeitigem Therapiebeginn, maximal zehn Jahre nach der Menopause beziehungsweise im Alter von maximal 60 Jahren, die günstigen Effekte die potenziellen negativen Folgen oft übertreffen.

„Bei einer adäquaten Therapie sind die Risiken vergleichsweise gering“, betont Ortmann. Eine Fehlinterpretation der WHI-Ergebnisse sorgte jedoch dafür, dass die davor sehr breitflächig genutzte Hormontherapie jahrzehntelang deutlich weniger verschrieben wurde. Noch immer gebe es Ärzte, die auch wegen des hohen Beratungsaufwands sehr zögerlich mit Verschreibungen seien, sagt Schaudig. „Allerdings auch solche, die das sehr leichtfertig geben.“

Seit der WHI-Studie gab es Experten zufolge weniger Forschung auf dem Gebiet. Das ist ein Grund dafür, dass viele Zusammenhänge nur vermutet werden, aber nicht als gesichert gelten. Zum Beispiel gebe es, von Brustkrebs abgesehen, kaum belastbare Informationen zu Wechselwirkungen der Hormontherapie mit bestehenden Erkrankungen.

Die voraussichtlich bis Ende des Jahres abgeschlossene Überarbeitung der Leitlinie unter Koordination von Vanadin Seifert-Klauss von der Technischen Universität München wird MHT bei vorbestehenden Erkrankungen als neues Kapitel aufnehmen.

6 Gibt es positive Langzeiteffekte der MHT?

Ja. Nachweislich sinke durch eine Menopausale Hormontherapie das Risiko für Osteoporose sowie für koronare Herzkrankheiten und Herzinfarkte, erklärt Ortmann. Auf einen Zusammenhang mit einem verminderten Diabetesrisiko gibt es Hinweise, aber bisher keinen klaren Nachweis.

Auch eine lebensverlängernde Wirkung ist nicht bestätigt. Studien zeigten keinen Anstieg der Lebenserwartung. Das könnte aber daran liegen, dass sich Nutzen und Risiken im Mittel langfristig ausgleichen. Auch Hinweise auf ein vermindertes Demenzrisiko lassen sich aus den bisherigen Daten nicht ableiten. Womöglich ermöglicht die Therapie aber ein Seniorinnenleben mit weniger Beschwerden und Alterserscheinungen, wie es von Experten heißt.

7 Sollten alle Frauen eine Hormontherapie machen?

Tatsächlich gibt es Bücher und Beiträge zum Thema, die das propagieren. Tendenziell vermitteln sie den Eindruck, dass es dumm wäre, diese Therapie für unzählige Leiden nicht zu nehmen.

Die Haare bleiben länger schön und die Haut wirft weniger Falten. So mancher Frau mag das sogar wichtiger sein als verminderte Krankheitsrisiken. Doch als Lifestyle-Produkt tauge die Hormontherapie nicht, warnen Fachleute wie Schaudig und Ortmann. Von einer generellen, rein prophylaktischen Hormontherapie sei absolut abzuraten. Die Risiken seien ernstzunehmen.

Schwerwiegendere Risiken sind Ortmann zufolge vor allem bei Bluthochdruck sowie bestimmten bestehenden Herzkreislauf- und Tumorerkrankungen bekannt. Betroffenen werde in den meisten Fällen von einer Hormontherapie abgeraten.

8 Sind bioidentische Hormone komplett harmlos?

Das ist in manchen Foren und Beiträgen zwar zu lesen, ist aber falsch. Beim Begriff „bioidentisch“ werde vielfach angenommen, dass es sich um eine natürliche Substanz handle, erklärt Ortmann. Gemeint sei aber nur, dass der Wirkstoff dem im menschlichen Körper produzierten Östrogen strukturell gleicht.

Strukturell etwas verschieden sind hingegen die equinen Östrogene, die aus Stutenurin hergestellt werden. „Sie sind nicht schlechter als die bioidentischen und haben bei gleichem Einnahmeweg auch keine höheren oder anderen Risiken“, betont Ortmann.

Einen Unterschied macht Experten zufolge vor allem, ob die Wirkstoffe als Tablette oder per Gel, Pflaster oder Spray über die Haut verabreicht werden. Mit der transdermalen Aufnahme werde eine erste Verarbeitung in der Leber vermieden, der First-Pass-Effekt: Östrogene einzunehmen fördert dort die Bildung von Gerinnungsfaktoren, was das Risiko von Thrombosen und Schlaganfällen erhöht, wie Ortmann erklärt.

Allerdings gilt auch für andere Prozesse, dass die über die Leber vermittelten Effekte stärker sind – womöglich auch für die erwünschten Wirkungen. In der Summe fallen zwar die Langzeit-Nebenwirkungen geringer aus als bei Tabletten, aber vermutlich auch die Wirkung etwa auf das Osteoporose-Risiko, wird befürchtet.

9 Wie lange nehme ich die Hormone?

Meist werde eine Menopausale Hormontherapie für einige Jahre gegeben, sagt Ortmann. Die Therapie solle so lange durchgeführt werden, wie sie mit Blick auf moderate oder schwere Wechseljahressymptome erforderlich sei.

Die Grenze sei Abwägungssache, meint Schaudig, die zusammen mit der Moderatorin Katrin Simonsen den MDR-Podcast „Hormongesteuert – Der Wechseljahre-Podcast“ gestaltet, aus dem das Buch „Hot Stuff – Wechseljahre-Wissen to go“ hervorging. Von manchen werde die Therapie lange weitergeführt, manchmal bis zur Rente. Dies auch, weil Symptome nach dem Absetzen wieder stärker werden können. (dpa)

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