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Zweisprachigkeit erhöht die Bildungschancen und die kognitiven Fähigkeiten. Unabhänig davon, welche Sprachen gelernt werden.

© Christian Charisius / dpa

Neue Wege in der Bildung: Massive Vorteile durch zweisprachige Erziehung

Bilinguale Kitas können Bildungschancen und Konzentrationsfähigkeit dauerhaft verbessern, sagen Forschende. Und fordern ein gesellschaftliches Umdenken.

Kinder sollten bereits in der Kita zweisprachig aufwachsen können. Denn: Schon in der Grundschule ist es für das Hirn etwa 100-Mal so schwer, eine Fremdsprache zu lernen. Zu dieser Einschätzung kommen namhafte Bildungswissenschaftler und Neurobiologen, die auf Initiative des früheren VW-Vorstandsvorsitzenden Carl Hahn am Montag in Berlin ihre Forschung präsentierten.

„Menschen, die mehrere Sprachen lernen, können sich zwischen verschiedenen Kulturen souverän bewegen und beherrschen meist auch ihre eigene Sprache besser“, sagte der Heidelberger Bildungswissenschaftler und Koordinator internationalen der Pisa-Studien, Andreas Schleicher. Außerdem bewirke eine zweisprachige Erziehung, dass man sich langfristig besser konzentrieren könne, neue Aufgaben leichter bewältige und ein geringeres Risiko für Alzheimer habe, ergänzte Martin Korte, Lernforscher und Neurobiologe an der TU Braunschweig.

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In Deutschland jedoch werde die Chance, Kinder über frühe bilinguale Erziehung für den internationalen Bildungswettbewerb fit zu machen, leichtsinnig verspielt, so die Forscher. Demnach hätten es die späteren Erwachsenen deutlich schwerer, sich auf den globalen Arbeitsmärkten gegen selbstverständlich mehrsprachig aufwachsende Briten und Chinesen zu behaupten. Ein wirtschaftlicher Schaden in Milliarden-Höhe sei die Folge dieses ungenutzten Bildungspotentials. 

Mehr kognitive Flexibilität

Anders als in vielen anderen OECD-Ländern herrsche hierzulande mehrheitlich die Auffassung vor, dass Kinder in der Kita lieber spielen sollten, kritisiert Rüdiger School von der Saxony International School (SIS) Carl Hahn. Der Gegensatz von Lernen und Spielen aber sei künstlich. „Das Lernen von Fremdsprachen macht Kindern großen Spaß.“

Außerdem seien Kinder, die in bilingualen Kindergärten aufwüchsen, in der Grundschule nicht bloß in Englisch oder Deutsch den Kindern aus herkömmlichen Kitas voraus – sondern zum Beispiel auch in Mathematik.

Was aber bedingt deren Vorteile? „Zweisprachige Kinder verfügen über deutlich mehr kognitive Flexibilität“, erklärt der Neurologe Manfred Korte. Der Stirnlappen werde durch den Wechsel zwischen verschiedenen Sprachsystemen bestens trainiert, was die Selbstreflexion und die Fähigkeit stärke, aus eingespurten Denkwegen auszuscheren.

Wichtiger als der Betreuungsschlüssel ist die Qualität der Erzieher:innen-Ausbildung, sagen Forschende.
Wichtiger als der Betreuungsschlüssel ist die Qualität der Erzieher:innen-Ausbildung, sagen Forschende.

© Christian Charisius / dpa

So müssen sich zweisprachig aufwachsende Kinder besser konzentrieren lernen, weil sie die gehörten Laute zunächst dem jeweiligen Sprachcode zuordnen müssen.

„Nach dem zehnten Lebensjahr wird eine zweite Sprache nicht mehr von den biologisch dafür vorgesehenen linkshemisphärischen Hirnarealen verarbeitet, sondern über Gedächtnisareale in der rechten Hirnhälfte“, sagt Korte. Dies mache den Spracherwerb mühsamer, bewirke, dass man weniger „wendig“ sei und außerdem einen Akzent habe. „Nach dem zehnten Lebensjahr hört man eine Sprache nicht mehr so gut, es fällt uns dann schwerer etwas nachzusprechen“.

Gerechtere Bildung durch Zweisprachigkeit

Auch mit dem Mythos, dass frühkindliche bilinguale Erziehung die Bildungsschere weiter auseinandergehen lasse, räumen die Wissenschaftler auf. Keinesfalls würden durch die Mehrsprachigkeit nur leistungsstarke Kinder gewinnen. Außerdem komme es auch nicht darauf an, welche zwei Sprachen gelernt würden – ob nun Deutsch und Englisch, oder Spanisch und Arabisch.

„Der sozioökonomische Status aller Kinder verbessert sich, wenn sie zweisprachig aufwachsen“, sagt Korte. Um soziale Gerechtigkeit zu verbessern, müsse man auch frühkindliche Zweisprachigkeit fördern. So zeigen Studien, dass die spätere Leistungsfähigkeit von Menschen oft in der Kindergartenzeit festgelegt wird. Kitas können die Abhängigkeit des schulischen Erfolges vom Elternhaus verringern.

Wichtiger als den Betreuungsschlüssel zu erhöhen, sei es dabei, in die Ausbildung des Personals zu investieren, meint Andreas Schleicher. Ähnlich sieht es Rüdiger School: „Die Qualität der Bildung hängt von der Ausbildung der Erzieher ab.“ Die Ausbildungsinhalte müssten überarbeitet werden. Alles was man in den Kitabereich investiere, komme später hundertfach zurück.

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