
© Susen Döbel, Jochem Kahl, The Asyut Project
Neuentdeckung in Ägypten: Berliner Archäologen legen 4000 Jahre altes Grab frei
Im militärischen Sperrgebiet von Assiut wurde ein ungewöhnliches Grab einer hoch angesehenen altägyptischen Priesterin freigelegt. Ihr wurde eine Ehre zuteil, die sonst nur Männern zustand.
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Über und über mit ägyptischen Texten und Malereien ist der prächtige Holzsarg verziert. Auch der zusätzliche Innensarg ist bemalt. Beide gehören zum Grab der altägyptischen Dame Idy, der Tochter des Regionalgouverneurs Djefai-Hapi I., der vor knapp 4000 Jahren in Assiut residierte.
Damit hatte das internationale Team um Jochem Kahl, Ägyptologe an der Freien Universität Berlin (FU), nicht gerechnet. In über 14 Meter Tiefe stießen die Forscher aus Ägypten, Japan und Polen am 2. September dieses Jahres in einem Schacht auf die Grabkammer. Sie war mit Bruchsteinen verschlossen und wies zahlreiche Grabbeigaben auf.
Seit 20 Jahren graben die Berliner im militärischen Sperrgebiet von Assiut, Jahr für Jahr muss die Erlaubnis beim ägyptischen Militär beantragt werden. Diesen Schacht, den zweiten im reich geschmückten Grab des Djefai-Hapi, hatten sie bereits 2022 entdeckt. „Wir wussten nicht, was uns erwartet“, erzählt Kahl dem Tagesspiegel. Bei der aktuellen Kampagne stellte sich die Freilegung dieses Schachtes als äußerst mühsam heraus.
Auf die Spur brachte den Forscher erst ein Bericht eines US-Journalisten aus dem 19. Jahrhundert. Als einziger hatte dieser von drei Schächten in dem großen Grab des Gouverneurs berichtet. „Alles war bei Djefai-Hapi I. groß, folglich auch das Grab seiner Tochter, die mit etwa 40 Jahren vor ihm gestorben ist“, sagt Kahl.
Von ihr sind einige Details bekannt: Idy war Priesterin der Hathor, eine Muttergottheit, die oft mit Kuhgehörn und Sonnenscheibe dargestellt wird. Damit bekleidete sie das einzige Priesteramt, das Frauen zugänglich war. Ihr Titel „Herrin des Hauses“ müsse als Hinweis auf die Zugehörigkeit zur Elite der Stadt gedeutet werden, sagt Kahl.
Vieles ist erhalten geblieben
Die Ausstattung ist laut der Archäologen für das Grab einer Frau trotzdem außergewöhnlich. In Idys Grabkammer sind die meisten Grabbeigaben erhalten geblieben: etwa eine beschriftete Kiste mit Kanopen, also Vasen, in denen Organe wie Leber, Milz, Lunge und Darm bewahrt wurden.

© Fritz Barthel, Jochem Kahl, The Asyut Project
Die Überreste der Toten selbst sind wahrscheinlich schon von antiken Grabräubern zerfleddert worden, aber der Schädel und ein paar Knochen waren noch im Sarg. Mit im Grab lagen auch verzierte Gefäße aus Fayence-Keramik, zwei Statuen aus Holz sowie ein Dolch – alle anderen Metall- und Schmuckgegenstände wurden entwendet.
Besonders bemerkenswert sind aber die vielen Bilder und Texte des Fundes. Sie liefern einerseits neue Erkenntnisse über Bestattungsrituale und Jenseitsglauben und andererseits könnte ihre Untersuchung Aufschluss darüber geben, welchen Zugang Frauen zu den theologischen Texten hatten, die die Särge schmückten. Diese wurden in Bibliotheken verwahrt und standen ursprünglich nur Königen zu. Vermutlich habe der Vater diese Texte ausgewählt, sagt Kahl.
Indizien für eine hoch angesehene Stellung
Die Frage sei, ob es Texte seien, die man bisher nur von den Särgen von Männern kenne oder ob es gar welche für Frauen gegeben habe. Ohnehin hätten nur ein Prozent der Sarginhaber solche Texte gehabt, daher sei es etwas ganz Besonderes, hier Texte auf den Särgen einer Frau vorzufinden. „Der Fund wird weitere Aufschlüsse über die Rolle der Frau im Alten Ägypten liefern”, sagte Kahl, bisher sei diese Fragestellung vernachlässigt worden.
Die gesamte Qualität der Ausstattung des Grabes und seiner Umgebung unterstreiche, um was für eine hochstehende Familie es gehandelt haben muss, erklärt der Wissenschaftler. So zeigt ein Wandbild in dem Korridor, der zu der Eingangskammer des Schachtes führt, wie Diener den Vater versorgen. Auf der gegenüberliegenden Wand, an der der Grabschacht beginnt, ist die ganze Familie im Papyrusdickicht auf einem Boot bei der Jagd dargestellt. Hier ist auch Idy abgebildet.

© Mohamed Abdelrahiem, Jochem Kahl, The Asyut Project.
Das Holz der Särge ist importiert und stammt wahrscheinlich aus dem Libanon. Das soll nach Kahls Aussage im nächsten Jahr genauer untersucht werden, um Aufschluss über die Handelswege von Assiut zu gewinnen. Sarg und Innensarg wiegen jeweils zwischen 200 und 300 Kilogramm – die Bergung aus dem engen, tiefen Schacht von gerade einmal zwei mal drei Meter war eine riesige Herausforderung für das Team.
Der Schacht geht noch tiefer, doch es fehlte während der vierwöchigen Kampagne die Zeit, hier weiterzugraben. Ein dritter Schacht – vermutlich von Idys Mutter – ist vollkommen geplündert und noch nicht weiter erforscht. Möglicherweise warten hier noch weitere Überraschungen.
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