zum Hauptinhalt
Wo Mensch Nr. 8.000.000.000 geboren wird ist unbekannt, auch das Datum 15. November ist nur ein Schätzwert.

© Reuters/Remo Casilli

Acht Milliarden Menschen auf der Welt: Das Problem heißt nicht Überbevölkerung, sondern Überkonsum

Wer zahlt für die Kollateralschäden der großen Kohle-, Öl- und Gas-Sause? Für den achtmilliardsten Menschen könnten solche Ausgleichsleistungen überlebenswichtig sein.

Ein Kommentar von Patrick Eickemeier

Die Vereinten Nationen haben in dieser Woche bekanntgegeben, dass die Weltbevölkerung auf acht Milliarden angewachsen ist – ein Meilenstein für Medizin und Entwicklung. Doch die Veröffentlichung zur Zeit der Weltklimakonferenz in Ägypten löst auch Sorge aus. Wie sollen wir das Klima retten, wenn immer mehr Menschen die Erde bevölkern?

Die Sorge ist berechtigt. Die Weltgemeinschaft ist in Verzug mit dem Klimaschutz, die Emissionen steigen. Doch die Ursachen dafür liegen nicht in der Zahl der vielen, sondern in den Konsum- und Investitionsentscheidungen vergleichsweise weniger Menschen. Das Problem heißt nicht Überbevölkerung, sondern Überkonsum.

Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung sind nach einer Schätzung für fast die Hälfte der Emissionen verantwortlich. Die Auswirkungen des Klimawandels betreffen sie kaum. Die ärmere Hälfte der Menschheit produziert dagegen nur etwa zwölf Prozent der Emissionen. Aber sie bekommt die Klimafolgen stärker zu spüren, teilweise als existenzielle Bedrohung.

24 Länder machen es vor

Diese schreiende Ungerechtigkeit ist lange bekannt. Auf der Klimakonferenz in Scharm el Scheich stehen Verluste und Schäden und die Frage, wie sie finanziell ausgeglichen werden könnten, aber erstmals auf der Tagesordnung. Wer zahlt für die Kollateralschäden der großen Kohle-, Öl- und Gas-Sause?

Drei Gruppen kommen infrage: Verursacher, Nutznießer und Leistungsfähige. Es ist anhand der historischen Emissionen von Treibhausgasen berechenbar, für welchen Teil der Verluste und Schäden ein Land als Verursacher aufkommen sollte. Eine weitere Bemessungsgrundlage ist das Ausmaß, in dem Länder von fossiler Energie profitieren. Nutznießer könnten in die Pflicht genommen werden.

Die dritte Gruppe könnten nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip die Länder sein, die überhaupt in der Lage sind, finanzielle Ausgleiche zu übernehmen. Es zeichnet sich ab: Nach allen Kriterien kommen zuerst Länder wie die USA, China und Deutschland und Gruppen wie die Europäische Union oder die G-Staaten infrage.

Für den achtmilliardsten Menschen könnten solche Ausgleichsleistungen überlebenswichtig sein. Die Bevölkerungsstatistik der Vereinten Nationen zeigt, wie sich das Menschheitswachstum von Asien nach Afrika verlagert. In vielen der am wenigsten entwickelten Länder der Welt wird sich die Bevölkerungszahl zwischen 2022 und 2050 voraussichtlich verdoppeln.

Der achtmilliardste Mensch könnte aus so einem Land stammen, das kaum zum Klimawandel beigetragen hat, das nicht von fossilen Brennstoffen profitiert und das zu arm ist, um in die Gesundheitsversorgung oder Bildung seiner wachsenden Bevölkerung investieren oder humanitären Notlagen begegnen zu können.

Wenn er im Jahr 2037 15 Jahre alt wird, wird die Weltbevölkerung voraussichtlich neun Milliarden Menschen erreichen. Wo wir dann auf dem Weg zur Entkopplung von Wirtschaftsleistung und Treibhausgasausstoß stehen, hängt von Klimaschutzmaßnahmen wie dem Kohleausstieg ab, die heute umgesetzt oder die weiter hinausgezögert werden.

Der Kohleausstieg ist die dringlichste Aufgabe des Klimaschutzes, in Deutschland und weltweit.
Der Kohleausstieg ist die dringlichste Aufgabe des Klimaschutzes, in Deutschland und weltweit.

© dpa/David Young

Bislang wachsen Emissionen von Treibhausgasen und die Weltbevölkerung. Das muss nicht so bleiben. Die jährliche Wachstumsrate der Weltbevölkerung ist 2020 unter ein Prozent gefallen und auch der Anstieg der Kohlendioxid-Emissionen ist von drei Prozent pro Jahr in den 2000er Jahren auf etwa 0,5 Prozent im letzten Jahrzehnt gesunken. Es zeigt sich, dass die Entkopplung möglich ist: 24 Länder haben ihre Emissionen zwischen 2012 und 2021 bei gleichbleibendem Wirtschaftswachstum gesenkt – in einer Zeit, in der die Weltbevölkerung von gut sieben auf fast acht Milliarden angewachsen ist.

Es ist nur ein Anfang, aber auch ein Beleg für die Machbarkeit von Klimaschutz. Die Gleichung mit Konsum- und Investitionsentscheidungen weniger Menschen auf der einen Seite und den Leben vieler Menschen auf der anderen kann aufgehen.

Nach der positiven Entwicklung der mittleren Lebenserwartung weltweit kann der achtmilliardste Mensch erwarten, im Jahr 2100 seinen 78. Geburtstag zu erleben, als einer von dann voraussichtlich 10,4 Milliarden auf der Erde. Ob diese Rechnung aufgeht, hängt auch davon ab, was wir wenigen heute tun.

Zur Startseite