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Nahaufnahme eines Laptop-Bildschirms, auf dem das Facebook-Logo zu sehen ist.

© dpa/Anna Ross

Nur die Überschrift zählt: Viele Social-Media-Nutzer teilen Nachrichten, ohne sie selbst gelesen zu haben

In mehr als 75 Prozent der untersuchten Fälle wurden News-Artikel auf Facebook geteilt, ohne dass zuvor der Text gelesen wurde. So steht es in einer neuen Studie aus den USA.

Stand:

Der jüngste Wahlkampf in den USA mündete in der bevorstehenden Rückkehr des Rechtspopulisten und verurteilten Betrügers Donald Trump ins Weiße Haus. Vielfach wurde dabei über das Niveau der Debatte geklagt, die Politiker und die Wählerschaft der unterschiedlichen Lager führten – mitunter fernab jeder Faktenbasis.

Es ist anzunehmen, dass die Diskussionsqualität in einer Gesellschaft auch mit der Mediennutzung zusammenhängt. Viele Menschen informieren sich im Internet – und dort offenbar nur auf der Grundlage von Überschriften, die sie in ihren Social-Media-Feeds sehen. Auf letzteres deutet eine neue wissenschaftliche Untersuchung hin.

Die Pennsylvania State University hat eine Studie über Beiträge auf der großen Social-Media-Plattform Facebook veröffentlicht.

  • Es wurden mehr als 35 Millionen öffentliche Facebook-Posts mit Links zu Newsartikeln analysiert.
  • Es waren Beiträge, die jeweils mehr als 100-mal von Usern in den Vereinigten Staaten geteilt worden waren.
  • In etwa 75 Prozent der Fälle wurde der Link geteilt, ohne dass die User zuvor darauf geklickt haben.
  • Politische Inhalte von beiden Seiten des Spektrums wurden dabei wesentlich häufiger ohne vorherigen Klick geteilt als „politisch neutrale“ Inhalte.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Social-Media-Nutzer dazu neigen, lediglich Schlagzeilen zu lesen, anstatt ganze Texte“, sagen die Forschenden. Außerdem könnten die Erkenntnisse über Facebook wahrscheinlich auch auf andere Social-Media-Plattformen übertragen werden. So könne man auch erklären, warum sich Falschinformationen online so schnell verbreiten. 

Es war eine große Überraschung

Studienautor S. Shyam Sundar

Was sich viele Beobachter des Internets auch ohne wissenschaftliche Untersuchung bereits gedacht haben, wird von Studienautor S. Shyam Sundar als „große Überraschung“ und „beängstigende Erkenntnis“ beschrieben. „Ich war davon ausgegangen, dass jemand, der etwas geteilt hat, es zuvor gelesen und darüber nachgedacht hat, dass er den Inhalt unterstützt oder sogar befürwortet.“

Eine politische Einstellung verleitet zum schnellen Teilen

In der Studie wurde auch ein Zusammenhang zwischen dem Klick-Verhalten und der politischen Einstellung von Usern festgestellt, unterteilt in „sehr liberal, liberal, neutral, konservativ und sehr konservativ“.

Je deckungsgleicher die politische Ausrichtung der User mit dem Inhalt des geteilten Beitrags war, desto mehr wurde ein Beitrag ohne vorherigen Klick geteilt. Das habe liberale wie auch konservative Inhalte betroffen. „Sie leiten einfach Dinge weiter, die oberflächlich betrachtet mit ihrer politischen Ideologie übereinzustimmen scheinen, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass sie manchmal auch falsche Informationen weitergeben“, sagt Eugene Cho Snyder, Co-Autorin der Studie.

Vor allem „konservative User“ verbreiten Falschinformationen

Die falschen Informationen werden dabei in mehr als 75 Prozent der Fälle von „konservativen Usern“ verbreitet. Mehr als 80 Prozent dieser Inhalte kamen von „konservativen Nachrichtenseiten“.

Kampagnen, die die Verbreitung falscher Informationen zum Ziel haben, können durch das unreflektierte Teilen von Artikeln begünstigt werden, warnt Studienautor Sundar. Mitunter stecken Russland, China oder Iran hinter diesen Desinformationen, die das Ziel haben, Menschen in den westlichen Demokratien zu manipulieren.

Ein weiteres Problem, das in der Zusammenfassung der Studie aber nicht angesprochen wird: Sozialen Netzwerken wird vorgeworfen, dass sie Beiträge besonders prominent ausspielen, die oft geteilt werden und starke Emotionen hervorrufen. Zugespitzte, reißerische oder irreführende Überschriften von Medien haben damit eine hohe Chance, sich zu verbreiten – gerade, wenn man sie zuvor nicht mal liest. (TMA)

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