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Lomankus edgecombei, ein Urahn der Spinnen.

© Xiaodong Wang

Pünktlich zu Halloween: Urahn von Spinnen und Skorpionen entdeckt

Keine Augen, aber dafür lange tastende Tentakel – vor 450 Millionen Jahren krabbelte ein Tier über den Meeresgrund, dessen Nachfahren sich zu Pfeilschwanzkrebsen, Spinnen und Skorpionen entwickelten.

Von Alice Lanzke

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Er hatte wahrscheinlich keine Augen und nahm seine Umgebung mit peitschenartigen Geißeln wahr: So beschreibt eine Forschungsgruppe im Fachblatt „Current Biology“ einen 450 Millionen Jahre alten Gliederfüßer, dessen fossile Überreste kürzlich entdeckt wurden. Über die lange Zeit blieben die Tiere in glänzendem Katzengold weitgehend erhalten.

Die Lomankus edgecombei getaufte Art - benannt nach Greg Edgecombe, einem Experten für Gliederfüßer vom Londoner Naturkundemuseum - ist ein entfernter Verwandter von heutigen Pfeilschwanzkrebsen, Skorpionen und Spinnen. Die Fossilien der Art wurden in „Beecher’s Bed“ entdeckt, einer Fundstätte im heutigen US-Bundesstaat New York, die für ihre in Pyrit (Katzengold) konservierten Fossilien bekannt ist. Vor 450 Millionen Jahren war die Gegend von Wasser bedeckt.

Sie sehen aus, als könnten sie sich einfach erheben und davon krabbeln.

Luke Parry, Universität Oxford. 

Auch beim nun beschriebenen Gliederfüßer hat das Pyrit nach und nach die Weichgewebemerkmale ersetzt, bevor die Fossilien vollständig zerfielen. „Diese Fossilien haben nicht nur eine wunderschöne und auffällige goldene Farbe, sondern sind auch spektakulär erhalten. Sie sehen aus, als könnten sie sich einfach erheben und davon krabbeln“, kommentiert Forschungsleiter Luke Parry von der Universität Oxford. 

Der Kopf eines Exemplars des Spinnen-Urahns Lomankus edgecombei von oben (ganz links) und im 3-D-Modell von unten (Mitte links), sowie der Kopf des namengebenden Fossils (Mitte rechts) im 3-D-Modell (ganz rechts).

© Luke Parry (photograph), Yu Liu, Ruixin Ran (3D models)

„Die Dichte des Pyrits kontrastiert mit der des Tonsteins, in dem sie vergraben waren“, ergänzt Co-Autor Derek Briggs von der US-amerikanischen Yale University. Details wurden auf der Grundlage von Computertomographie-Scans extrahiert, die 3D-Bilder der Fossilien lieferten.

Biologisches Schweizer Taschenmesser

Lomankus edgecombei gehört zu einer Gruppe namens Megacheira, einer mittlerweile ausgestorbenen Gruppe von Gliederfüßern, zu deren Kennzeichen eine große Gliedmaße an der Körpervorderseite gehörte, die vermutlich zum Fangen von Beute genutzt wurde. Schon lange wird diskutiert, wie sich aus jenen Gliedmaßen im Laufe der Evolution etwa die Fühler von Insekten und Krebstieren sowie die Scheren und Zähne von Spinnen und Skorpionen entwickelt haben. 

Mit dem Fortsatz am Hinterleib bewegte sich Lomankus über den Meeresboden.

© Luke Parry (photograph), Yu Liu, Ruixin Ran (3D models)

„Heute gibt es mehr Arten von Gliederfüßern als jede andere Tiergruppe auf der Erde“, sagt Parry. „Ein Teil des Schlüssels zu diesem Erfolg ist ihr äußerst anpassungsfähiger Kopf und seine Anhänge, die sich wie ein biologisches Schweizer Taschenmesser an verschiedene Herausforderungen angepasst haben.“

Während andere Megacheira ihr großes erstes Glied zum Beutefang nutzten, sind diese Körperfortsätze bei Lomankus edgecombei dafür zu klein: Stattdessen befanden sich bei der Art am Ende der Gliedmaße drei flexible peitschenartige Geißeln. Entsprechend vermuten die Autorinnen und Autoren der Studie, dass Lomankus dieses vordere Glied eher zur Wahrnehmung der Umgebung als zum Beutefang nutzte, was darauf hindeute, dass er einen ganz anderen Lebensstil hatte als seine älteren Verwandten im Kambrium.

So scheine Lomankus im Gegensatz zu anderen Megacheira keine Augen gehabt zu haben. Stattdessen könnte er sich auf seine vorderen Gliedmaßen verlassen haben, um in den dunklen, sauerstoffarmen Meeressedimenten nach Nahrung zu suchen.

Hartnäckige und vielfältige Gruppe

Wie die Forschungsgruppe schreibt, bietet die Entdeckung von Lomankus Hinweise darauf, was das Äquivalent des großen Fortsatzes der Megacheira bei lebenden Arten ist: Der Fortsatz ähnle der Antenne von Insekten und den Mundwerkzeugen von Spinnen und Skorpionen.

Darüber hinaus deuten die Fossilien von Lomankus darauf hin, dass die Megacheira länger als bisher angenommen die Erde bevölkerten. Diese Gruppe war während des erdgeschichtlichen Zeitalters des Kambriums, also vor etwa 538 bis 485 Millionen Jahren, sehr vielfältig, galt aber im darauffolgenden Ordovizium (vor 485 bis 443 Millionen Jahren) als weitgehend ausgestorben. „Lomankus ist keine Sackgasse“, sagt Parry, „sondern zeigt uns, dass sich die Megacheira auch lange nach dem Kambrium weiter diversifizierten und weiterentwickelten, wobei der ehemals furchterregende große Fortsatz nun eine völlig andere Funktion erfüllt.“ (dpa)

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