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Von einem Spezialschiff der German Offshore Spaceport Alliance (GOSA) soll im Juni die erste Rakete eines Aachener Studenteams abheben.

© picture alliance/dpa/Harren&Partner Group / dpa/GOSA

Rakete mit Schwimmflügeln: Aus der Nordsee Richtung Orbit

Im Juni soll die Rakete „Aquila Maris“ vom Weltraumbahnhof GOSA in der Nordsee abheben. Zunächst nur bis in zehn Kilometer Höhe. Langfristig soll es weit höher hinaus gehen.

Von Phillipp Steiner

Knapp sieben Minuten – in dieser kurzen Zeit soll sich zeigen, ob sich die monatelangen Arbeiten von Aachener Studenten an einer neuen Art von Rakete gelohnt haben. Mit fast doppelter Schallgeschwindigkeit soll die „Aquila Maris“ im Juni von einem Schiff in der „Entenschnabel“-Region, dem am weitesten nordwestlich gelegenen Teil der deutschen Wirtschaftszone in der Nordsee, bis auf rund zehn Kilometer in die Höhe steigen. Gebremst von zwei Fallschirmen würde sie dann zurück auf die Meeresoberfläche sinken. Dort sollen sich dann eine Art „Schwimmflügel“ aufblasen, die sie bis zur Bergung über Wasser halten.

 „Auf dem Papier haben wir noch nichts, was uns dafür qualifiziert, Raketen zu bauen, aber wir machen es trotzdem.“

Johann Schepke, Maschinenbaustudent an der RWTH Aachen.

Der Start erfolgt im Rahmen von GOSA, dem im Aufbau befindlichen Weltraumbahnhof „German Offshore Spaceport Alliance“ in der Nordsee, den ein Konsortium Bremer Unternehmen betreibt. Für ihr Projekt haben die Aachener Studenten den Verein „Space Team Aachen“ gegründet, der zwar von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen unterstützt wird, aber nicht zur Hochschule gehört. „Auf dem Papier haben wir noch nichts, was uns dafür qualifiziert, Raketen zu bauen“, sagt der 21-jährige RWTH-Maschinenbaustudent Johann Schepke. „Aber wir machen es trotzdem.“

Wie eine besonders ambitionierte Silvesterrakete

Ihre Rakete ist knapp dreieinhalb Meter lang und misst 11,4 Zentimeter im Durchmesser. Im Juni soll sie, auseinandergebaut, nach Bremerhaven gefahren und dort auf ein Schiff verladen werden. Das studentische „Space Team“ bereitet sich darauf vor, die Rakete weit draußen auf See auf einer Startrampe an Bord einer Schute per Hand auszurichten. Dann wollen sie aufs Startkontrollschiff wechseln und von dort den Flug verfolgen.

Die Rakete „Aquila Maris“.

© Space Team Aachen

Abheben soll die Rakete mithilfe des Festbrennstoffs Ammoniumperchlorat, der auch in Feuerwerkskörpern verwendet wird: „Polemisch gesagt, fliegen wir eine glorifizierte Silvester-Rakete“, sagt Schepke. Auch der Raketenmotor ist keine neue, eigene Entwicklung, sondern zugekauft. Genug Forschungs- und Entwicklungsarbeit hatte das rund 20-köpfige Studenten-Team, zu dem auch angehende Elektrotechniker, Informatiker, Computer- und Wirtschaftswissenschaftler zählten, dennoch.

Zum einen musste die Struktur der Rakete „teilweise 3-D-gedruckt, teilweise aus Metall gefräst“ werden, sagt der 20-jährige Lukas Freiheit, ebenfalls Maschinenbaustudent an der RWTH. Große Teile der Rakete seien aus Carbon und Kevlar gefertigt, ergänzt Schepke. „Da fließt viel klassische Ingenieursarbeit rein.“ Auch die Elektronik, die vor, während und nach dem Flug ständig neue Daten über Kurs, Geschwindigkeit und Position von der Rakete zum Schiff senden muss, musste konzipiert und installiert werden.

Fallschirme und Schwimmwesten

An Bord wird Aquila Maris einen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelten Computer befördern, der als Nutzlast mitfliegt. Er soll unter den extremen Bedingungen des Fluges getestet werden: einer Beschleunigung von 24 G, also der 24-fachen Erdanziehung, sowie einer Endgeschwindigkeit von über 2000 Kilometern pro Stunde. Das ist fast doppelte Schallgeschwindigkeit.

Bis in den Weltraum wird die Aquila Maris vom „Weltraumbahnhof“ allerdings nicht aufsteigen können. Der beginnt erst bei einer Höhe von 100 Kilometern, dem Fernziel des Konsortiums aus Bremen, das dort letztlich Satelliten platzieren will.

Entscheidend für das Gelingen der Wasserung in der Nordsee wird zunächst ein Fallschirm mit 70 Zentimetern Durchmesser sein, der sich in zehn Kilometern Höhe öffnet. Ein zweiter, der 3,50 Meter misst, soll ab etwa 500 Metern über dem Meeresspiegel den Fall abbremsen. Öffnet sich der große Schirm zu früh, könnte die Rakete zu weit abdriften und nicht wie geplant in einem Radius von etwa sechs Kilometern vom Bergungsschiff entfernt wassern.

Bevor das Gerät versinken kann sollen sich „Schwimmflügel“ aufblasen. Sie sind die namengebende Neuerung von „Aquila Maris“, lateinisch für Adler des Meeres, gegenüber dem Vorgängermodell „Aquila“ (Adler).

„Diese Raketen sind nicht dafür gebaut, schwimmen zu können“, sag Schepke. „Deswegen haben wir jetzt angefangen, ihnen Schwimmwesten zu bauen.“ Bei Kontakt mit Wasser pumpen sich drei Schwimmkörper mit Kohlendioxid auf, ein altbewährtes Prinzip von Rettungswesten.

Auf die Nordsee ausweichen zu können, habe einen großen Vorteil, sagt Schepke. Raketenstarts bräuchten Platz, aber Europa sei sehr dicht besiedelt. Auf dem Meer starten und landen zu können, ermögliche, „nicht aus Australien, Amerika oder sonstwo zu starten, sondern direkt von hier“. Das könne Europa in der Raumfahrt unabhängiger machen.

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