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Trickreich. Schuppen der Kohlbaum-Kaisermotte täuschen Fledermäuse.

© T. Neil/PNAS

Sonar-Abwehrsystem: Wie sich Motten gegen Fledermäuse rüsten

Besser als jeder Tarnkappenbomber: Nachtfalter haben ein ausgeklügeltes System entwickelt, um nicht gefressen zu werden.

In der Schlacht zwischen Motte und Fledermaus hat die Evolution auf beiden Seiten Erstaunliches hervorgebracht. Viele Nachtfalter haben Strategien entwickelt, um den hungrigen Mäulern der Flugsäuger zu entgehen, die ihre Beute per Echoortung verfolgen. Einige Arten haben so gute Ohren, dass sie sogar den Ultraschall der Fledermäuse wahrnehmen und ihren Attacken ausweichen können. Andere, wie die Tigermotte, verwirren ihre Jäger mit Klicklauten und symbolisieren ihnen gleichzeitig, dass sie giftig sind.

Jetzt haben Forscher Nachtfalter entdeckt, deren Schuppen auf den Flügeln die Ultraschallwellen der Fledermäuse schlucken, so dass sie nicht mehr geortet werden können. Das schreiben der deutsche Biologe Marc Holderied, der an der Universität Bristol forscht, und seine Kollegen im Fachmagazin "PNAS".

Im Elektronenmikroskop offenbarte sich das Geheimnis

Die Flügel von Nachtfaltern sind bedeckt mit mikroskopisch kleinen Schuppen, die sich ähnlich Dachziegeln überlappen. Sie bestehen aus zwei hauchdünnen Chitin-Membranen und sind übersät mit kleinsten Löchern und Unebenheiten. "Frühere Studien haben die Schuppen mit der Aerodynamik, Temperaturregulierung und dem Abweisen von Wasser in Verbindung gebracht", schreiben die Forscher. Auch Schallabsorption war immer wieder im Gespräch.

Deshalb untersuchten die Wissenschaftler die Schuppen der afrikanischen Kohlbaum-Kaisermotte (Bunaea alcinoe) unter dem Elektronenmikroskop. Eine typische Schuppe von 295 Mikrometern Länge (etwa fünfmal so dick wie ein menschliches Haar) bauten sie als Computermodell nach, um ihre Schwingungseigenschaften und ihre Oberfläche zu analysieren. Dabei fanden sie heraus, dass die Schuppen der Nachtfalter mit ganz bestimmten Frequenzen um ihre Ruhelage schwingen: mit 28,4, 65,2 und 153,1 Kilohertz.

Ein computeranimiertes 3D-Modell einer Schuppe vom Vorderflügel der Kohlbaum-Kaisermotte.
Ein computeranimiertes 3D-Modell einer Schuppe vom Vorderflügel der Kohlbaum-Kaisermotte.

© Marc W. Holderied & Zhiyuan Shen/PNAS

Damit decken sie ziemlich genau das Spektrum der Schallwellen ab, die Fledermäuse auf der Jagd ausstoßen, nämlich 20 bis 150 Kilohertz. Diese Eigenschwingung der Schuppen und die Anordnung der Löcher und Unebenheiten auf ihrer Oberfläche bewirken, dass ankommende Schallwellen entweder durchgelassen oder absorbiert werden. Das führt dazu, dass sie nicht in Richtung Fledermaus reflektiert werden, was für die Nachtfalter den sicheren Tod bedeuten würde. Offenbar, schreiben die Autoren der Studie, hat sich diese komplexe Bauweise der Schuppen im Laufe der Jahrmillionen als Schutz gegen das Sonar der Fledermäuse entwickelt.

Mögliche Anwendungen: ultraleichte Schallabsorber oder Gebäudeakustik

"Das ist eine neue und sehr spannende Entdeckung", sagt Michael Ohl, Insektenforscher am Museum für Naturkunde in Berlin. Die Technik erinnere ein wenig an Tarnkappenbomber, die sich durch ihre Form und Oberflächenbeschaffenheit vor dem Radar verstecken. Bisher haben die Autoren der Studie nur die Kohlbaum-Kaisermotte untersucht. Nun müsse man erforschen, ob sich verschiedene Nachtfalterarten in den Frequenzen, die ihre Schuppen schlucken, unterscheiden. "Es ist nicht zu erwarten, dass die Anpassung nur bei einer Art auftritt", sagt Ohl. So könnten sich verschiedene Arten an die jeweilige Frequenz der Schallwellen angepasst haben, die jene Fledermausart aussendet, die sie jagt.

Die Ergebnisse der Studie könnten auch Einzug in den Alltag halten, wie Holderied und Kollegen schreiben – etwa beim Bau ultradünner und leichter Schallabsorber, in der Gebäudeakustik oder für militärische Zwecke.

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