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Studierende in Köln sitzen an Tischen in einer Messehalle und warten auf den Beginn ihrer Klausur.

© Federico Gambarini/dpa

Infektionsgefahr an Berliner Hochschulen: Studierende gespalten bei der Frage nach Präsenzprüfungen

Sind Präsenzprüfungen an Hochschulen wirklich notwendig? Berliner Studierende üben teils scharfe Kritik an der Anwesenheitspflicht – andere sind froh über das Format.

Studierende in Berlin müssen zum Teil noch immer für Prüfungen in ihre Hochschulen fahren. Mit dem Beginn der Prüfungsphase werden in den kommenden Wochen voraussichtlich Tausende Jura-, Pharmazie- oder Wirtschaft-Studierende in Bus und Bahn steigen, um Prüfungen oder Staatsexamen in ihren Hochschulen abzulegen.

Zwar haben Bund und Länder die verschärften Infektionsschutzmaßnahmen angesichts der Corona-Pandemie bis zum 15. Februar verlängert. Damit bleibt weiterhin ein großer Teil des Lehrbetriebs vom Hörsaal in die Videotelefonie verlagert.

Allerdings gibt es weiterhin Ausnahmen für bereits geplante Präsenz- und Aufnahmeprüfungen oder für Praxisformate wie im Medizinstudium. „Für Studierende ist die Teilnahme freiwillig, bei Nichtteilnahme entstehen ihnen keine Nachteile“, heißt es von Seiten der Senatskanzlei Wissenschaft und Forschung, die dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) untersteht. Nach dem Willen von Müller sollen Berliner Hochschulen auch die Bearbeitungszeiten für Abschluss- und Hausarbeiten bis zum 31. März verlängern.

An der Technischen Universität (TU) Berlin sind zwar Präsenzklausuren noch bis einschließlich 13. Februar untersagt. Dass nach dieser Frist Klausuren vor Ort stattfinden werden, ist jedoch keineswegs ausgeschlossen. Die Studierenden sind bei der Frage gespalten, wie der Geschichts-Student und Studierendenvertreter Gabriel Tiedje erklärt: „Manche Studierende bevorzugen Präsenzprüfungen, weil sie Zuhause keine Möglichkeit haben, sich auf Aufgaben zu konzentrieren.“

Verantwortlich dafür seien Wohnbedingungen wie dünne Wände, laute Wohngemeinschaften oder laute Nachbarn. „Andere Studierende wiederum wollen wegen der Infektionsgefahr sämtliche Prüfungen online ablegen“, sagt Tiedje, der sich die Sorgen und Nöte von Studierenden in der Hochschulberatung der TU anhört.

Studierende beklagen Unsicherheiten bei Prüfungen

„Die Universität fährt bei der Prüfungsplanung häufig auf Sicht und bedenkt nur die kommenden drei oder vier Wochen. Doch sie müsste ihre Pläne rechtzeitig mitteilen, damit die Studierenden wissen, worauf sie sich einlassen“, kritisiert Tiedje.

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Probleme machten laut Tiedje zudem die vielen Unsicherheiten bei den digitalen Prüfungen, was Privatsphäre und den Vorwurf der Täuschung angeht. „An der Hochschule für Technik und Wirtschaft gab es Dutzende Täuschungsvorwürfe gegenüber Studierenden. Doch es bleibt fraglich, ob die alle wirklich gerechtfertigt sind.“

Studentinnen mit Mund-Nasen-Schutz sitzen in einem Hörsaal.
Studentinnen mit Mund-Nasen-Schutz sitzen in einem Hörsaal.

© dpa

Zudem gebe es Überlegungen, Überwachungsprogramme bei Prüflingen verpflichtend zu machen – „das wäre allerdings ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der Studierenden“, sagt Tiedje. „Die Pandemie dauert jetzt bereits seit fast einem Jahr an, aber Fragen nach der Privatsphäre und der Gefahr unbegründeter Täuschungsvorwürfe sind an den Hochschulen noch immer nicht geklärt“, kritisiert Tiedje.

24 Termine für Präsenzprüfungen nur in den Wirtschaftsstudiengängen der FU

An der Freien Universität (FU) Berlin sind Präsenzprüfungen nach dem 15. Februar bereits eingeplant. So gilt zwar auch an der FU, dass zum Beispiel mündliche Prüfungen als Videokonferenz stattfinden, während Klausuren auf digitalem Wege eingereicht werden.

Dennoch hat die FU im Zeitraum vom 22. Februar bis 5. März alleine für die Wirtschaftsstudiengänge mindestens 24 Präsenztermine für Prüfungen angesetzt, wie in einem Klausurenplan auf der Webseite zu sehen ist. Diese 24 Präsenztermine sollen größtenteils in der Mensa auf dem FU-Campus stattfinden. An manchen Tagen finden demnach bis zu drei Prüfungstermine in der Mensa statt, zwischen denen Reinigungskräfte die Räume desinfizieren sollen.

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FU-Studierende der „Fachschaftsinitiative Wirtschaftswissenschaften“ fordern, dass möglichst alle Klausuren in digitale Prüfungsformate umgewandelt werden. „Es ist mit keinem Argument zu rechtfertigen, dass im schlimmsten Fall eine Studierende, ein Lehrender oder Angehörige an den Folgen einer Infektion sterben können, nur weil die Klausur in Präsenz stattfinden musste“, schreiben die Studierenden in einer Mail. Zudem würden Studierende aus Risikogruppen durch Präsenzprüfungen „enorm benachteiligt“.

Digitale Lehre führt zu Reibereien zwischen Lehrenden und Studierenden

Wie viele Präsenzprüfungen insgesamt an der FU bis zum Ende des Wintersemesters stattfinden werden, ist nicht bekannt. Die 16 Fachbereiche und vier Zentralinstitute der FU entscheiden eigenständig darüber, ob aus ihrer Sicht Präsenzprüfungen stattfinden müssen und informieren anschließend das Präsidium.

Aufgrund der Corona-Pandemie können Studierende Vorlesungen von Dozierenden häufig nur online auf ihren Laptops verfolgen.
Aufgrund der Corona-Pandemie können Studierende Vorlesungen von Dozierenden häufig nur online auf ihren Laptops verfolgen.

© Waltraud Grubitzsch/dpa

Janik Besendorf ist Teil des Allgemeinen Studierendenausschusses an der FU Berlin und im Kontakt mit Kommiliton:innen. „Wir bekommen Mails von Studierenden, die wegen der Infektionsgefahr besorgt über die Präsenzklausuren sind.“ Bislang habe Besendorf kaum jemanden an der FU angetroffen, der eine Prüfung vor Ort ablegen wolle. „Grundsätzlich sollten Heimklausuren wegen der Infektionsgefahr vorgezogen werden.“ Der Informatik-Student habe selbst eine Heimklausur abgelegt „und das hat auch ganz gut geklappt.“

Doch die digitale Lehre und Heimklausuren hätten laut Besendorf auch andere Probleme gebracht: „Manche Dozierende fordern wöchentliche Abgaben, obwohl das so nicht in der Prüfungsordnung vorgesehen ist.“ Da fehle es an der Nachsicht der Dozierenden, die oftmals von Studierenden gefordert werde.

Humboldt-Universität plant 13 Präsenzprüfungen im Februar

Scharfe Kritik kommt aus der Studierendenschaft der Humboldt-Universität (HU). „Wir finden es unverantwortlich, dass in der aktuellen Situation überhaupt Präsenzprüfungen stattfinden“, heißt es in einer Mail der Studentin und RefRat-Presserefentin Anna Schuster. Es gebe erprobte Prüfungsalternativen, die an vielen Stellen auch durchgeführt würden.

„Trotzdem gibt es keinerlei einheitliche Regeln von Seiten des HU-Präsidiums. Faktisch führt das dazu, dass in fast allen Fachbereichen Präsenzklausuren geplant sind.“ Es müsse deshalb eine einheitliche Umstellung auf Online-Klausuren und andere Prüfungsformate geben – „bei gleichzeitig übergreifenden Maßnahmen zum Nachteilsausgleich“.

Die HU sieht sich ihrer Verantwortung gerecht: Die Hochschule „habe bereits im Sommersemester 2020 zur Sicherheit aller Beteiligten umfassende Vorkehrungen getroffen und unter Beachtung der Empfehlungen der Charité Hygienekonzepte für Präsenzprüfungen erarbeitet“, schreibt ein HU-Sprecher auf Anfrage in einer Mail. So sei die Teilnehmer:innenzahl für Präsenzprüfungen auf maximal 25 begrenzt „und es gilt die Pflicht zum Bedecken von Mund und Nase mit einer medizinischen Maske“.

Sport und Laborpratika seien digital nur schwierig zu prüfen

Für den Februar seien „insgesamt nur 13 Präsenzprüfungen an der Humboldt-Universität geplant. Aktuell wird geprüft, ob noch weitere Prüfungen davon digital angeboten werden können.“ Zudem entstünden Studierenden keine Nachteile, falls diese nicht an Präsenzprüfungen teilnehmen und sich rechtzeitig abmelden. Zu den Prüfungen, die nicht digital durchgeführt werden könnten, gehörten sportpraktische Übungen oder Laborpraktika.

Dass Präsenzprüfungen aufgrund einer möglichen Infektionsgefahr dennoch weiterhin umstritten sind, zeigt auch eine Debatte an der Universität Potsdam vor wenigen Wochen. Dort sind Präsenzprüfungen mit bis zu anwesenden 50 Teilnehmer:innen geplant. Einer der Studenten beschwerte sich in einem Leserbrief bei den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ über möglicherweise infektiöse Aerosole, die sich „stundenlang im Raum ausbreiten können“.

Von einer weiteren Studentin hieß es: „Falls nach einer Präsenzprüfung ein Coronafall bekannt werde, müsse sich der gesamte Hörsaal, mitten in der Prüfungszeit, in Quarantäne begeben“. Eine Uni-Sprecherin verteidigte die Präsenzprüfungen mit dem Verweis auf die vorgeschriebene Belüftungstechnik.   

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