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Gesundheitskontrolle  – kambodschanischer Bauer mit seinen Enten in der Provinz Phnom Penh.

© Mak Remissa/picture alliance/dpa

Sorge vor Übersprung wächst: Mädchen stirbt in Kambodscha an Vogelgrippe

In Kambodscha ist eine Elfjährige an H5N1 gestorben, der Vater ist ebenfalls infiziert. Das ist kein Beleg für eine Übertragung von Mensch zu Mensch, doch Experten beobachten die Lage genau.

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Es begann mit Halsschmerzen, Husten, Fieber – in Kambodscha ist ein elfjähriges Mädchen an Vogelgrippe vom Typ H5N1 gestorben. Das Kind aus der ländlich geprägten Provinz Prey Veng erkrankte am 16. Februar und kam in ein Krankenhaus in der Hauptstadt Phnom Penh. Am Mittwoch bekam es die Diagnose und starb kurz darauf, wie das Gesundheitsministerium mitteilte.

Laut mehreren Medienberichten wurden in der Folge zwölf Kontaktpersonen der Verstorbenen unter Quarantäne gestellt, vier davon hatten grippeähnliche Symptome. Nach einem Bericht der „Khmer Times“ wurde bei einem von ihnen, dem 49-jährigen Vater des verstorbenen Mädchens, ebenfalls das H5N1-Virus nachgewiesen. Er habe bislang aber keine Symptome. Ein Notfall-Team teste nun weiter Tiere und Menschen in dem Dorf, um eine Ausbreitung zu verhindern, heißt es in dem Bericht der Zeitung.

Kein Beleg für Übersprung auf Mensch

Der Befund belegt keineswegs, dass es zur befürchteten Übertragung von Mensch zu Mensch gekommen ist, denn sowohl Tochter als auch Vater könnten sich bei Geflügel oder Wildvögeln angesteckt haben. Um eine gefährliche Mutation auszuschließen, die das Virus ansteckender für Menschen macht, müssen erst die Virusgenome in den gesammelten Proben vollständig sequenziert werden.

Am Friedrich-Loeffler-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit in Greifswald, verfolgt man die Situation. „Im betroffenen Dorf soll es ungewöhnlich viele tote Wildvögel gegeben haben, in der Geflügelhaltung der Familie des verstorbenen Kindes sollen ebenfalls Tiere gestorben sein“, sagt Martin Beer, der das Institut für Virusdiagnostik in Greifswald leitet.

„Dies wird derzeit untersucht, ebenso wie weitere zwölf Kontaktpersonen. Ob es eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung gegeben hat oder ob sich weitere Personen durch den Kontakt zu infiziertem Geflügel oder infizierten Wildvögeln angesteckt haben, wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Auch dies muss genauer durch tiefergehende Analysen des Virus untersucht werden.“

In Kambodscha haben mehr Menschen direkten Kontakt zu Geflügel.

© mauritius images/ Alamy Stock Photos / Léonard Rodriguez

Kambodschas Gesundheitsminister Mam Bunheng warnte unterdessen, die Vogelgrippe berge ein besonders hohes Risiko für Kinder, die Haushühner fütterten oder deren Eier sammelten, mit den Tieren spielten oder ihre Käfige säuberten. In einer vorherigen Mitteilung vom Donnerstag war bekannt geworden, Fachkräfte hätten Proben von einem toten Wildvogel in einem Naturschutzgebiet in der Nähe des Zuhauses des Mädchens genommen. Einsatzteams in der Gegend hätten Anwohner zudem davor gewarnt, tote und kranke Vögel zu berühren.

Auf Twitter warnen Experten vor übertriebener Sorge aufgrund des Todesfalls, darunter Francois Balloux, Direktor des UCL Genetics Institute am University College London und Florian Krammer, Professor für Impfstoffkunde an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York. Zwar würden Vogelgrippeviren ein hohes Risiko bergen, eine Pandemie auszulösen, Todesfälle unter Menschen habe es aber schon in der Vergangenheit und in weit höherem Ausmaß gegeben.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kam es in den Jahren 2004 und 2015 zu Hunderten von Todesfällen im Zusammenhang mit einer H5N1-Infektion, in den vergangenen Jahren traten dagegen nur vereinzelte Fälle auf. Das nun in Kambodscha gestorbene Mädchen ist der erste Fall, der in diesem Jahr weltweit bekannt wurde und der erste seit 2014 in Kambodscha.

Von Nerz zu Nerz

Dennoch sorgen sich Fachleuten schon länger, eine mutierte Linie von H5N1 könnte eine Pandemie unter Menschen auslösen. Derzeit dezimiert das Virus verschiedene Wildvogelarten und wird immer wieder in Geflügelställe eingeschleppt. Inzwischen haben sich auch vielfach Säugetiere angesteckt, darunter Seelöwen, Otter, Katzen, Delphine, Füchse und Nerze.

In spanischen Nerzfarmen ist es wahrscheinlich bereits zu einer Übertragung zwischen den Tieren gekommen – die allerdings aufgrund der Rezeptoren in ihren Atemwegen anfälliger für Vogelgrippe sind als der Mensch. Dennoch deutet dies darauf hin, dass das Virus beginnt, sich anzupassen. Zudem hat das Virus seine Saisonalität verloren: Es breitet sich im Gegensatz zu früher auch in den Sommermonaten aus und kann so in immer neue Gebiete vordringen.

Vorbereitungen der WHO

Bei der WHO haben in dieser Woche Fachleute für Influenza getagt und sich nicht nur über Impfprogramme, sondern auch über das Risiko einer Pandemie ausgetauscht. Ein Hauptthema war dabei die Entwicklung des H5N1-Stamms 2.3.4.4b, der 2020 erstmals aufgetaucht ist und für die Infektionen von Säugetieren verantwortlich ist.

„Wir sind besser vorbereitet (als vor Covid-19), aber dennoch sind wir nicht gut genug vorbereitet“, sagt Lylvie Brian, Direktorin für globale Vorbereitung auf Infektionskrankheiten bei der WHO.

Noch stuft die WHO die Gefahr für den Menschen durch das Vogelgrippevirus als gering ein. Vorsorglich laufen aber Vorbereitungen, einen Impfstoff gegen den neuen H5N1-Stamm zu entwickeln. „Es ist ein natürliches Experiment, das sich vor unseren Augen abspielt“, sagte Nicola Lewis, Leiterin des WHO-Kollaborationszentrums am Crick Institute in London, „und wir sind auf der Hut.“ (mit Reuters, dpa)

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