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Die Cherokee haben eine besonders enge Beziehung zum Pferd auch nach Zwangsumsiedlungen bewahrt.

© Sacred Way Sanctuary

Über die Prärie: Pferde verbreiteten sich in Nordamerika viel früher als angenommen

Ohne Pferde hätten sich die Kulturen vor allem der nordamerikanischen Plains-Indianer kaum entwickeln können. Eine Studie zeigt, wann sie die aus Europa eingeführten Tiere in ihr Leben integrierten.

Von Walter Willems

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Als Reit- und Transporttiere waren Pferde integraler Bestandteil vieler indianischer Kulturen. Gerade auf der Hochebene der Great Plains östlich der Rocky Mountains ermöglichten sie die Entstehung jener nomadischen Reiterkulturen, deren Lebensgrundlage die Bisonjagd war und die weltweit das Bild von Indianern prägten.

Nun widerlegt eine Studie die gängige Sicht, Pferde hätten sich erst nach dem Pueblo-Aufstand 1680 vom Südwesten der heutigen USA aus in die Rocky Mountains und auf die Great Plains verbreitet. Wie ein fast 90-köpfiges internationales Forschungsteam im Fachmagazin „Science“ berichtete, waren Pferde in weiten Teilen des Westens der heutigen USA schon spätestens in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in indianische Kulturen integriert.

„Pferde waren schon ein Teil von uns, lange bevor andere Kulturen in unsere Region kamen“, wird ein Ko-Autor und Vertreter der Oglala Lakota, Mila Hunska Tašunke Icu (Chief Joseph American Horse), in der Studie zitiert. „Und wir sind ein Teil von ihnen.“

Pueblo-Indianer übernahmen spanische Pferde

Zwar lebten Wildpferde in Amerika, als die ersten Menschen den Kontinent vor etwa 20.000 Jahren über die Beringstraße erreichten. Doch diese Tiere starben etwa 10.000 Jahre später aus. Die ersten Hauspferde (Equus caballus) erreichten das amerikanische Festland wohl mit den Spaniern im frühen 16. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Mexiko. Zusammen mit den spanischen Eroberern und Siedlern verbreiteten sich die Tiere über das Vizekönigreich Neuspanien, das auch große Teile der heutigen USA umfasste.

Von hier aus hätten sich Pferde erst im späten 17. Jahrhundert unter den Ureinwohnern ausgebreitet, heißt es oft unter Bezug auf historische Quellen. Den Ausschlag dafür gab demnach ein Aufstand, bei dem Pueblo-Indianer im heutigen US-Staat New Mexico 1680 die spanische Kolonialmacht aus der Gegend vertrieben und die zurückgelassenen Pferdeherden übernahmen.

Die aktuelle Studie von Forschenden aus 15 Ländern, darunter viele Vertreter indianischer Ethnien, zeigt eindeutig, dass Pferde schon wesentlich früher in Teilen des westlichen Nordamerika lebten. So belegt ein Knochenfund aus Paa’ko Pueblo in New Mexico, dass Pferde dort schon um 1600 bei Ureinwohnern lebten – noch bevor diese Region von den Spaniern kolonisiert wurde.

Besondere Bestattungen für Pferde

Dass die Tiere schon früh kulturell integriert waren, belegt das Grab eines Fohlens aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, das in Blacks Fork im nördlichen US-Bundesstaat Wyoming entdeckt wurde. Das etwa sechs Monate alte Tier hatte eine verheilte Wunde am Schädel – mutmaßlich entstanden durch das Ausschlagen eines anderen Pferdes in einer gemeinsamen Einzäunung. Beigesetzt wurde das Fohlen rituell, zusammen mit drei Kojoten.

„Unsere Analysen zeigen, dass es vor Ort geboren und aufgezogen wurde“, sagt Erstautor William Timothy Treal Taylor von der University of Colorado in Boulder. „Man hat sich darum gekümmert, und der Tod des Tieres hatte eine außerordentliche Bedeutung.“ Den Lebensraum des Fohlens ermittelte das Team aus Analysen der regionaltypischen Isotope der Elemente Strontium, Kohlenstoff und Sauerstoff, die sich im Körper ablagern.

Diese Felsmalerei im US-Bundesstaat Wyoming stammt wahrscheinlich von einem Cherokee- oder Schoschonen-Künstler.

© Pat Doak

Ein anderer Pferdefund im US-Staat Idaho stammt aus der Zeit um 1600, ein weiterer aus dem US-Staat Kansas wird auf etwa 1650 datiert. Das Forschungsteam vermutet auf Basis von Modellierungen, dass Pferde bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts – also nur wenige Jahrzehnte nach ihrer Ankunft auf dem Kontinent – erstmals Indianer im westlichen Nordamerika erreichten und sich dann rasch über die Rocky Mountains und die Great Plains verbreiteten. „Lange vor jeglicher dokumentierten Präsenz von Europäern in den Rockies oder den zentralen Plains“, wie die Forscher betonen.

Genetische Analysen zeigen zudem, dass die frühen indianischen Pferde von spanischen Tieren abstammten. Erst ab dem 18. Jahrhundert zeigt sich ein zunehmender britischer Einfluss.

Auch die Sicht auf die Geschichte vieler Ethnien muss nun revidiert werden, etwa die der Komantschen, die ab dem 18. Jahrhundert Teile der heutigen US-Staaten New Mexico, Colorado, Texas und Oklahoma dominierten. Bisher gingen viele Historiker davon aus, dass diese Gruppe, die ursprünglich viel weiter nördlich in der Region des heutigen Wyoming lebte, direkt nach Übernahme des Pferdes die südlichen Plains besiedelte. Die Studie zeigt jedoch, dass diese Ethnie schon mindestens 50 Jahre mit Pferden vertraut war, bevor sie um 1700 auf die südlichen Plains zog.

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