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Viele deutsche Universitäten bieten geflüchteten Studierenden aus der Ukraine Hilfe an, wie hier an der Bauhaus-Universität Weimar.

© Martin Schutt/dpa-Zentralbild

Turners Thesen: Ukrainer welcome, Ukrainistik auch!

Durch den Ukraine-Krieg werden bei uns Fächer wie „Ukrainische Sprache“ oder Landeskunde „Ukraine“ plötzlich wichtig. Vielleicht wäre auch eine Art „Ukrainische Exiluniversität“ eine gute Idee.

Stand:

In Berlin geben die Universitäten ein gutes Beispiel: Es werden Angebote für Flüchtlinge aus der Ukraine gemacht, damit diese möglichst bald einen Abschluss erwerben können. Diese Perspektive ist ein Vorteil für die Geflüchteten, damit sie ihre Qualifikation unter Beweis stellen können. Sie kann aber auch dazu führen, dass dringend gesuchte Fachkräfte verfügbar werden. Wunder darf man sich nicht davon versprechen, aber es ist ein beachtliches und erfreuliches Zeichen.

An der falschen Stelle gespart 

Vor allem stellt es klar, dass in der Vergangenheit oft an falscher Stelle gespart worden ist. Nicht selten sind sogenannte Orchideenfächer dem Spardiktat zum Opfer gefallen. Wo kann man noch das Fach „Ukrainische Sprache“ oder Landeskunde „Ukraine“ studieren? Solche Fächer hatten in der Regel in universitären Gremien und den Wissenschaftsverwaltungen der Ministerien keine Lobby und keine Fürsprecher.

[Wer mit unserem Kolumnisten George Turner, Berliner Wissenschaftssenator a.D., diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de]

Durch den Verzicht auf entsprechende „kleine“ Fächer ist eine Verarmung des Angebots und eine Verödung der kulturellen Vielfalt eingetreten. Es war politisch gewollt und probater, ein Massenfach wie Betriebswirtschaft auszubauen und Besonderheiten in den Sprachen oder der Landeskunde zu schleifen.

Die Folgen sind zu besichtigen. Es fehlt immer mehr an Fachleuten für ausgefallene Themen, die plötzlich an Aktualität gewinnen. Das merkt man nicht zuletzt in der Berichterstattung

Journalisten müssen das, worüber sie berichten, irgendwo lernen. Auch bei der Ausübung des Berufs bedarf es einer Anlaufstelle für vertiefte Informationen, die über die Tagesaktualität hinausgehen.

Eine Art „Ukrainische Exiluniversität“

Deshalb verdient der Vorschlag umso mehr Beachtung, vielleicht sogar eine Art „Ukrainische Exiluniversität“ einzurichten. Dabei allerdings sollte es nicht bleiben. Die Universitäten sollten überprüfen, welche kleinen Fächer sie in den letzten Jahren abgeschafft haben und welche wiederbelebt werden sollten. Das eine oder andere vermeintlich aktuelle Angebot, das zur Bedienung des Zeitgeistes eingerichtet wurde, könnte vermutlich ohne großen Schaden wieder verschwinden.

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Zur kulturellen Vielfalt gehört, dass in einem Land wie der Bundesrepublik jede Sprache erworben werden kann und die dazugehörige Landeskunde studierbar ist. Das kann selbstverständlich noch nicht einmal an jeder der großen Universitäten möglich sein; auch muss nicht jedes Bundesland entsprechende Angebote vorhalten.

Aber irgendwo in Deutschland sollte es Nischenfächer dieser Art schon geben. Berlin hat da mit der Botschaft und dem dort tätigen Personal, das für den Sprachunterricht nebenberuflich eingesetzt werden könnte, einen Standortvorteil vor anderen. 

Hier ergäbe sich für die Kultusministerkonferenz ein lohnendes Betätigungsfeld der Koordination zwischen den Bundesländern.

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