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Blick durch das Nürnberger Königstor auf den Handwerkerhof.

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Uni-Neugründung in Bayern: Wissenschaftsrat sieht TU Nürnberg weiter kritisch

Nur mit Eignungsprüfung und alles auf Englisch: Bayerns Anspruch bei der Neugründung einer TU in Nürnberg ist elitär. Doch der Wissenschaftsrat bleibt kritisch.

Eine eigene Technische Universität für Nürnberg, obwohl dort doch schon Teile der Uni Nürnberg-Erlangen angesiedelt sind? Auch der Wissenschaftsrat sieht das bayerische Milliardenprojekt – die erste Neugründung einer staatlichen Universität seit 1978, in Hamburg-Harburg* – in Teilen kritisch.

Dem auf Rat des Gremiums stark überarbeiteten Gründungskonzept wurde gleichwohl bei der Wintersitzung in Berlin zugestimmt. Bewerten sollte der Wissenschaftsrat nicht die regionalpolitische Entscheidung, eine weitere Uni in Nürnberg anzusiedeln, betonte Generalsekretär Thomas May am Montag in Berlin. Dies habe aus bayerischer Sicht nicht zur Debatte gestanden.

Die Bedenken des Gremiums bleiben aber gravierend. So gehört es zum „Modellcharakter“ der TU Nürnberg, statt in einer strengen Fächerstruktur in interdisziplinären „Aktivitätsfeldern“ zu lehren und zu studieren. Dabei sollen die Geistes- und Sozialwissenschaften intensiv einbezogen werden. Zweifel gibt es im Wissenschaftsrat deshalb an der Anschlussfähigkeit, ob also nach einem Bachelorabschluss in Nürnberg ein Studium in einem klassischen Masterprogramm an einer anderen Uni möglich sein wird.

Außer der Unisprache Englisch soll auch Deutsch gelehrt werden

Diese Frage stellt sich auch wegen der „Sprachenpolitik“ für Nürnberg: Unterrichtet werden sollen die 5000 bis 6000 Studierenden ausschließlich auf Englisch. Hier lautet die Hausaufgabe für die Unigründer in Bayern, sicherzustellen, dass Studierende, von denen 40 Prozent aus dem Ausland kommen sollen, auch ausreichend Deutschkenntnisse erwerben, um gegebenenfalls an anderen Unis und auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland unterzukommen.

Nicht überzeugt hat auch das Konzept für die Digitalisierung der Studiengänge. So ist etwa vorgesehen, durchgehend mit dem inverted classroom zu arbeiten, also Lehrveranstaltungen mit digitalen Angeboten zu Hause vorzubereiten. Für die Umsetzung lägen noch „keine überzeugenden Überlegungen“ vor, kritisiert der Wissenschaftsrat.

Bei alledem hat die TU in Planung einen elitären Anspruch: Die Studierenden sollen nach Eignungsprüfungen ausgewählt werden und das Betreuungsverhältnis soll mit einer Professur für 25 bis 30 Studierende außergewöhnlich gut sein. Üblich ist in den Ingenieurwissenschaften im Bundesschnitt ein Verhältnis von 64:1.

Neue Vorsitzende sieht Akademien nicht im 21. Jahrhundert

Zu einem möglichen regionalen Überangebot hat sich das Gremium dann aber doch noch geäußert: Die TU Nürnberg solle sich auch mit den umliegenden Fachhochschulen vernetzen und Doppelangebote vermeiden. Unter Beobachtung steht die Neugründung auch wegen ihrer Finanzierung. Bayern hat erklärt, die Finanzierung mit 2,1 Milliarden Euro für die Bauphase und mit einem Jahresetat von bis zu 270 Millionen Euro werde nicht zu Lasten anderer Landeshochschulen insbesondere in der Region gehen. Der Wissenschaftsrat erwartet darüber hinaus, dass sie „gezielt gestärkt werden“.

Kritik gibt es auch am Akademienprogramm, in dem unter anderem die geisteswissenschaftlichen Langzeitvorhaben der acht deutschen Wissenschaftsakademien finanziert werden. Vor einer besseren finanziellen Absicherung der Projekte pocht der Wissenschaftsrat auf ein bisher ausstehendes Gesamtkonzept zur Digitalisierung und auf eine europäische Vernetzung, wie Dorothea Wagner, die neue Vorsitzende des Gremiums, erklärte.

Sie wünscht sich eine Begutachtung auch der einzelnen Länderakademien – unter der Fragestellung, wie sie den Weg ins 21. Jahrhundert finden könnten.

Der Wissenschaftsrat evaluiert die Gender Studies

Neu im Arbeitsprogramm des Wissenschaftsrats ist eine Evaluierung der Gender Studies. Die Initiative dazu geht von der Hamburger Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung Katharina Fegebank (Grüne) aus. Zur Begründung heißt es, dass bislang eine Bestandsaufnahme über die Geschlechterforschung aussteht, die sich in den vergangenen Jahrzehnten im deutschen Wissenschaftssystem etabliert hat.

Eine Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrats soll nun prüfen, wie das Forschungsfeld weiterentwickelt werden kann und wie Forschungseinrichtungen, Bund und Länder dazu beitragen können. Das Ergebnis soll 2022 vorliegen.

Die Grünen im Bundestag begrüßten es "gerade angesichts der wachsenden Anfeindungen gegen die Geschlechterforschung", dass das Thema vom Wissenschaftsrat bearbeitet wird, wie der wissenschaftspolitische Sprecher Kai Gehring am Montag erklärte. Die Fraktion hatte eine solche Begutachtung schon 2017 von der Bundesregierung gefordert.

Gehring verweist auf Angriffe auf die Genderforschung in Ungarn und Brasilien - und durch die AfD im Bundestag. Deshalb müsse die Bundesregierung noch vor dem Gutachten des Wissenschaftsrats handeln. Sie solle klarmachen, "dass der Grundwert Wissenschaftsfreiheit nicht verhandelbar ist", so Gehring.

*Ergänzung nach dem Hinweis eines Lesers: Ebenfalls in Hamburg wurde 2006 die staatliche HafenCity Universität (HCU) gegründet.

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