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Eine starke Erhöhung der Meeresoberflächentemperaturen wurde 2023/24 beobachtet und erklärt sich durch Klimawandel und El Niño. Hohe Meerestemperaturen werden mit extremen Wetterereignissen wie Stürmen und Überschwemmungen in Verbindung gebracht.

© AFP/WALTER ASTRADA

Ursache von Rekordtemperaturen gefunden: „Ohne Erderwärmung praktisch unmöglich“

Forschende der Universität Bern identifizieren die Ursache für den unerwartet starken Anstieg der Meeresoberflächentemperaturen.

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Als vor zwei Jahren die globale Meeresoberflächentemperatur sprunghaft anstieg, waren viele Forschende von der Stärke des Anstiegs überrascht. Denn allein mit dem Wetterphänomen El Niño, das einen wärmenden Effekt hat, ließ sich der Anstieg nicht erklären. Klimaforschende vermuteten, dass neben dem Klimawandel und El Niño noch andere Faktoren eine Rolle spielen könnten oder dass der Klimawandel schneller und stärker voranschreitet als bisher angenommen.  

Nun gibt es eine neue Erklärung für den unerwarteten Temperaturanstieg. Bisher wurden verschiedene Einflussfaktoren für den Anstieg vermutet, etwa eine verminderte Rückstrahlung der wärmenden Sonnenstrahlung durch eine Abnahme der Aerosole aufgrund eines geringeren Schwefelgehalts in Schiffstreibstoffen. Weniger Aerosole können auch zu weniger reflektierenden Wolken führen, wodurch noch weniger Sonnenstrahlung reflektiert und zurückgestrahlt wird.

Eine neue Studie setzt jetzt aber einen anderen Schwerpunkt. „Wir können zwar nicht ausschließen, dass diese Faktoren zum beobachteten Temperatursprung beigetragen haben“, sagt Friedrich Burger von der Universität Bern, Mitautor der Studie, die im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurde. Klimamodelle würden aber zeigen, dass der extreme Anstieg auch ohne diese Faktoren möglich ist.

Vom Menschen verursachte Hitze

Die globalen Meeresoberflächentemperaturen hatten zwischen April 2023 und März 2024 neue Rekordwerte erreicht, die alle bisherigen Höchstwerte um 0,25 Grad Celsius übertrafen – so deutlich wie nie zuvor. Die Studie unter der Leitung von Jens Terhaar von der Universität Bern zeigt nun, dass es sich bei dem starken Anstieg der Meerwassertemperaturen in den letzten zwei Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Hitzewelle handelt, die sich vollständig mit den bekannten globalen und anthropogenen Erwärmungstrends erklären lässt. Weitere Einflussfaktoren seien nicht zwingend erforderlich.

„Bei dieser Hitzewelle handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Ereignis, das unter den heute vorherrschenden Klimabedingungen etwa alle 500 Jahre zu erwarten ist“, erklärt Terhaar. Zu diesen Klimabedingungen trage die vom Menschen verursachte globale Erwärmung maßgeblich bei: „Ohne diese Erwärmung wäre das Ereignis praktisch unmöglich.“

Die Forschenden konnten zudem zeigen, dass Klimamodelle – basierend auf naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten – die ozeanische Hitzewelle realistisch simulieren können. Sie fanden in allen 35 untersuchten Klimamodellen ähnliche Sprünge in den Meeresoberflächentemperaturen. „Dass die Modelle den Temperatursprung richtig simulieren, stärkt unser Vertrauen in ihre Nutzung für vergangene und zukünftige Klimaprojektionen“, sagt Mitautor Thomas Frölicher.

Nach dem rasanten Temperatursprung erwarten die Forschenden für die nächsten Jahre allerdings keine extremen Ausschläge nach oben. Die Klimamodelle zeigen, dass die Ozeantemperaturen in den kommenden Jahren nach diesem Extremereignis nicht schneller ansteigen werden, sondern ähnlich wie vor diesem Ereignis. Die Modelle zeigen, dass ein so schneller Temperatursprung wie 2023/24 nur bei gleichzeitigem Auftreten von El Niño-Bedingungen auftritt.

Ozeane erwärmen sich immer schneller

Eine vor Kurzem im Fachblatt „Environmental Research Letters“ veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass die Meeresoberflächentemperaturen immer schneller steigen. Während die Erwärmung in den 1980er-Jahren noch bei 0,06 Grad pro Jahrzehnt lag, beträgt sie heute bereits 0,27 Grad. 2023 und Anfang 2024 wurden an 450 aufeinanderfolgenden Tagen Rekordtemperaturen gemessen – aktuell liegt die Temperatur rund 0,7 Grad über dem Durchschnitt von 1982 bis 2010.

2023 betrug die Abweichung im Vergleich zu 1880 sogar 0,91 Grad, im Nordatlantik teilweise 1,45 Grad. Diese Entwicklung trage auch zu extremen Wetterereignissen bei, so die Autor:innen.

Der ungewöhnlich starke Orkan Éowyn, der im Januar dieses Jahres Irland und Großbritannien heimsuchte, habe deutlich gemacht, dass das veränderte Meeresklima extreme Stürme begünstige, sagte der Klimaforschende.

© REUTERS/TOBY MELVILLE

Hohe Meerestemperaturen werden von Klimaforschern mit extremen Wetterereignissen in Verbindung gebracht, auch wenn genauere Analysen mit Klimamodellen noch ausstehen. Wärmere Ozeane erhöhen den Wasserdampfgehalt der Atmosphäre, was Stürme verstärkt und Überschwemmungen begünstigt, erklärte die Geowissenschaftlerin Daniela Schmidt von der Universität Bristol.

Der extreme Orkan Éowyn, der im Januar dieses Jahres Irland und Großbritannien traf, habe deutlich gemacht, dass das veränderte Meeresklima extreme Stürme begünstige, so der Klimaforscher Eugene Farrell von der Universität Galway.

Laut Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) können höhere Wassertemperaturen zu stärkeren Stürmen mit geringerem Kerndruck führen. Éowyn erreichte vor Schottland einen außergewöhnlich niedrigen Kerndruck von unter 940 hPa, der Luftdruck fiel doppelt so schnell wie üblich – eine sogenannte Bombogenese. Im irischen Galway wurden Rekordböen von 183 Kilometern pro Stunde gemessen.

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