
© IMAGO/Middle East Images/IMAGO/Dominic Gwinn
US-Forschende nach Deutschland locken?: Das wäre ein Bärendienst für die Wissenschaft
Mit einem „Meitner-Einstein-Programm“ soll Spitzenforschern aus den USA geholfen werden, in Deutschland weiterzuarbeiten. Keine gute Idee, meint Kristin Eichhorn, Sprecherin der Initiative forschender Arbeitnehmer #IchbinHanna.
Stand:
Es nimmt kein Ende mit den deutschen Abwerbefantasien, seit die Trump-Administration systematisch die US-amerikanische Forschungslandschaft demontiert. Gerade hat eine Gruppe von Wissenschaftler*innen ein „Meitner-Einstein-Programm“ zur Gewinnung von „Spitzenforschern“ aus den USA gefordert.
Auffallend euphorisch wird hier die vermeintlich einmalige Chance betont, den „Braindrain“ umzukehren, der mit der Emigration von Forscher*innen im Nationalsozialismus seinen Anfang genommen habe.
So kurzschlüssig diese historische Analyse ist, so alarmierend auch der Vorschlag, den man daraus ableitet: Gedacht ist an ein bundesweites Programm zur Berufung herausragender Forscher*innen, finanziert vom Bundesforschungsministerium und angesiedelt bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), das jedoch nur die Personalkosten für das abgeworbene Personal trägt.
Nur wer die Vielfalt der Forschung sichert, kann wirklich eine Alternative zu der Bedrohung der Wissenschaftsgemeinschaft schaffen.
Kristin Eichhorn, Universität Stuttgart
Damit die Abwerbung erfolgreich sei, benötige man „aus vorhandenen Mitteln“ zudem eine umfassende Ausstattung der neuen Professuren.
Umverteilung auf Kosten der Wissenschaftsvielfalt
Die Finanzierung dieser Ausstattung – gemeint sind hier in der Regel Sachmittel ebenso wie der Professur zugeordnetes wissenschaftliches Personal – wird die Institutionen indes vor große Herausforderungen stellen.
Während die außeruniversitären Forschungseinrichtungen noch eher Spielraum haben, können Hochschulen schon jetzt die vorausgesetzten Eigenmittel für diverse Programme wie die Exzellenzstrategie nur durch Einsparungen an anderer Stelle aufbringen.
Die aktuellen Kürzungen in mehreren Bundesländern verschärfen die Lage. Gerade weil man beim Meitner-Einstein-Programm nicht an alle Disziplinen denkt, sondern vorrangig an KI, Robotik und ähnliche „strategische Zukunftsfelder“, kommen auf alle anderen Fachbereiche aller Voraussicht nach empfindliche Einschnitte zu, um dieses Unterfangen zu finanzieren – sofern man nicht gleichzeitig die Grundfinanzierung deutlich anhebt.
Mit einer solchen Umverteilung von Mitteln erweist man Wissenschaft und Wissenschaftsfreiheit unter dem Strich einen Bärendienst: Die Abwerbung von US-Spitzenpersonal wäre um den Preis der Verarmung der deutschen Wissenschaftslandschaft erkauft. Davor kann man – gerade in diesen Zeiten – nicht laut genug warnen.
Ein resilientes Wissenschaftssystem muss alle seine Fachbereiche auf solidem Niveau halten. Niemand kann wissen, ob nicht in zwei Jahren das Wissen eben jener Disziplin benötigt wird, die heute von manchen für entbehrlich gehalten wird.
Nur wer die Vielfalt der Forschung sichert, kann wirklich eine Alternative zu der Bedrohung der Wissenschaftsgemeinschaft schaffen, die in den USA derzeit vonstatten geht.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false