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Je vehementer Menschen Gentechnik oder Klimawandelforschung kritisieren, umso mehr meinen diese Leute darüber zu wissen – tatsächlich ist die Diskrepanz zu ihren wirklichen Kenntnissen aber gerade bei ihnen am größten, so eine Studie.

© Ralf Hirschberger/dpa

Verhaltensforschung: Wenig Wissen - und trotzdem gegen Genmodifikation

Viele Menschen sind gegen Gentechnik - am stärksten solche mit wenig naturwissenschaftlichen Kenntnissen. Doch oft meinen gerade sie, besonders viel zu wissen.

Gentechnisch modifiziertes Essen stößt bei vielen Menschen auf Vorbehalte. Je vehementer die Meinung der Gegner ist, desto mehr meinen sie darüber zu wissen – und desto größer ist der Unterschied zu ihren objektiven naturwissenschaftlichen Kenntnissen. Das fanden Forscher um Philip Fernbach von der Universität von Boulder in Colorado heraus, indem sie mehr als 2000 Studienteilnehmende aus Deutschland, Frankreich und den USA zu ihrer Einstellung und ihrem selbsteingeschätzten Wissen zu Gentechnik interviewten. Zusätzlich machten die Versuchspersonen einen Test, in dem sie Fragen zu Genetik und naturwissenschaftlichem Allgemeinwissen beantworteten. Wer dort gut abschnitt, hatte im Allgemeinen weniger Vorbehalte gegen gentechnisch modifizierte Lebensmittel und schätzte das eigene Wissen auch realistischer ein. Ihre Ergebnisse publizierten die Forscher im Fachblatt „Nature Human Behaviour“.

Gentechnisch modifizierte Lebensmittel gelten unter Wissenschaftlern als sicher

Die meisten Wissenschaftler sind sich einig, dass der Verzehr gentechnisch modifizierter Lebensmittel sicher ist und eine Reihe Vorteile mit sich bringt: höhere Erträge, robustere Pflanzen und bessere Nährwerte. Trotzdem schätzten in einer Umfrage mit 2000 US-Amerikanern nur 37 Prozent der Bürger, aber 88 Prozent der befragten Wissenschaftler, gentechnisch modifiziertes Essen als sicher ein. Auch in der Nature-Studie hatten über 90 Prozent der Befragten zumindest leichte Vorbehalte. Die Teilnehmenden, die eine sehr starke negative Meinung zu Gentechnik hatten, zeigten dabei in allen drei Ländern eine höhere Selbsteinschätzung und eine größere Diskrepanz zwischen selbsteingeschätztem und gemessenem Wissen. In den USA gab es auch einen direkten Zusammenhang mit schlechteren naturwissenschaftlichen Kenntnissen.

Politische Einstellung trumpft Wissen

„Erworbenes Wissen auf einem Gebiet führt oft dazu, dass die Komplexität und die Nuancen gesehen werden. Das verringert extreme Meinungen“, schreiben die Forscher. Das gelte für Themen, die nicht so stark politisch polarisiert werden, etwa Nanotechnologie oder Gentherapien in der Medizin. Sie untersuchten auch Einstellungen zum Klimawandel und stellten fest, dass weder subjektives noch objektives Wissen einen großen Einfluss hatte. Stattdessen war die Zugehörigkeit zu einer politischen Gruppe entscheidend. "Es gibt sogar einige Hinweise, dass wissenschaftliche Kenntnisse Extremismus fördern können, wenn dieser mit einer gesellschaftspolitischen Meinung verbunden ist", heißt es in der Studie. Da sei es egal, ob diese Meinung dem wissenschaftlichem Konsens widerspricht und der Einzelne es eigentlich besser wissen müsste.

Sarah Reim

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